Ausschreibung und Vergabe

In Nürnberg sind schon seit Jahren Photovoltaikanlagen auf kommunalen Dächern. Diese Anlage wurde im April 2006 auf dem Willstätter Gymnasium installiert. (Foto: Wolfgang Brummer/Stadt Nürnberg)

17.03.2023

Besteht hierfür eine Ausschreibungspflicht?

Photovoltaikanlagen auf kommunalen Dächern

Betriebshöfe, Bildungseinrichtungen, Krankenhäuser – eines haben diese kommunalen Gebäude gemein: Sie verfügen über Dachflächen, die für die Stromerzeugung durch Photovoltaik sinnvoll genutzt werden können. Neben der Beschaffung von Photovoltaikanlagen zur Eigennutzung besteht für Kommunen die Möglichkeit, ihre Dachflächen an Dritte zu verpachten mit oder ohne Verpflichtung des PV-Anlagen-Betreibers zur Abgabe des erzeugten Stroms an die Kommune. Welche Vorhaben ausschreibungspflichtig sind, wird in diesem Beitrag beleuchtet.

Die Beschaffung einer Photovoltaikanlage zur anschließenden Eigennutzung stellt einen vergabepflichtigen Vorgang dar. Kommunen sind öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 99 Nr. 1 GWB und auch nach nationalem Haushaltsrecht grundsätzlich zur Beachtung der vergaberechtlichen Bestimmungen verpflichtet.

Die Beschaffung einer Photovoltaikanlage ist ebenfalls als öffentlicher Auftrag nach § 103 Abs. 1 GWB zu qualifizieren. Klärungsbedürftig erscheint lediglich im Einzelfall, ob es sich bei dem Beschaffungsvorgang um einen öffentlichen Liefer- oder Bauauftrag handelt.

Reine Verpachtung von Dachflächen unterliegt nicht dem Vergaberecht

Enthält ein öffentlicher Auftrag sowohl Liefer- als auch Bauleistungsmerkmale, ist eine Abgrenzung nach dem Hauptgegenstand vorzunehmen. Zu prüfen ist, ob Bauleistungen den Hauptgegenstand des Vertrags bilden oder ob sie im Verhältnis zum Hauptgegenstand lediglich Nebenarbeiten sind. Zur Orientierung kann die immer noch aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. April 2014 (VII-Verg 35/13) herangezogen werden. Die ausgeschriebene Errichtung einer Photovoltaikanlage auf einer stillgelegten Abfalldeponie wurde trotz eines Anteils von lediglich 30 Prozent wegen der vertraglichen Bedeutung und des prägenden Charakters der Bauleistungen als Hauptgegenstand des Auftrags angesehen.

Die reine Verpachtung von kommunalen, für die Installation von Photovoltaikanlagen geeigneten Dachflächen unterfällt nicht dem Vergaberecht. Denn es liegt in dieser Fallkonstellation kein öffentlicher Auftrag im Sinne des § 103 Abs. 1 GWB vor. Die Vorschrift definiert öffentliche Aufträge als „entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern oder Sektorenauftraggebern und Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen, die die Lieferung von Waren, die Ausführung von Bauleistungen oder die Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand haben“.

Von dem Begriff sind somit Beschaffungsvorgänge erfasst. Die isolierte Verpachtung von kommunalen Dachflächen stellt jedoch keinen Beschaffungsvorgang dar. Denn die Kommune „beschafft“ hierdurch keine Leistung, sondern überlässt einem Dritten lediglich ihre kommunalen Dächer zur Nutzung für die Installation von Photovoltaikanlagen. Sie tritt also nicht als Nachfrager, sondern als Anbieter der Leistung auf. Der Anwendungsbereich des Vergaberechts ist in diesen Fällen nicht eröffnet.

Strom ankaufen

Sofern die Verpachtung kommunaler Dachflächen an einen PV-Anlagen-Betreiber mit der Verpflichtung zur Abgabe von Strom an die Kommune verbunden ist, unterfällt das Vorhaben wiederum den Bestimmungen des Vergaberechts. Denn die Verpachtung kommunaler Dachflächen wird in dieser Konstellation mit einem Beschaffungsvorgang – dem Ankauf von elektrischem Strom – verknüpft. In der Gesamtschau ist das Vorhaben daher als öffentlicher Lieferauftrag nach § 103 Abs. 2 GWB zu qualifizieren und im Ergebnis ausschreibungspflichtig.

Neben dem Vergaberecht sind bei diesem Vorhaben auch die Bestimmungen des Beihilfenrechts zu beachten. So dürfen die kommunalen Dachflächen nicht unter Marktpreis verpachtet werden. Überdies muss sichergestellt werden, dass die Kommunen für den Ankauf des Stromes einen marktüblichen Preis an den PV-Anlagen-Betreiber bezahlen. Andernfalls läuft die Kommune Gefahr, den PV-Anlagen-Betreiber entweder durch die zu niedrige Pacht oder die Entrichtung eines zu hohen Stromentgelts beihilfenrechtlich unzulässig zu begünstigen.

Praxistipp: Kommunale Dachflächen sollten, sofern sie sich zur Errichtung von Photovoltaikanlagen eignen, zur Sonnenenergiegewinnung genutzt werden. Die Realisierung des Vorhabens hat dabei – sofern nicht ausschließlich kommunale Dachflächen verpachtet werden – unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Vergabe- und Beihilfenrechts zu erfolgen. Denn sowohl die Beschaffung von Photovoltaikanlagen zur Eigennutzung als auch die Verpachtung kommunaler Dachflächen an einen PV-Anlagen-Betreiber mit der Verpflichtung zur Abgabe von Strom an die Kommune verpflichtet zur Ausschreibung der Maßnahme entweder als öffentlicher Bau- oder Lieferauftrag.

Regelmäßig liegen die jeweiligen Auftragswerte unter dem maßgeblichen EU-Schwellenwert von derzeit 215.000 Euro netto für Lieferaufträge und 5.382.000 Euro netto für Bauaufträge, sodass die Vergabeverfahren nicht unter dem strengen Regime des EU-Vergaberechts durchgeführt werden müssen. Überdies kann die Kommune bei Bauaufträgen bis zu einem Auftragswert von 100.000 Euro netto eine „schlanke“ Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb durchführen, vgl. § 3a Abs. 2 Nr. 1 c) VOB/A. Liegt ein Lieferauftrag vor, kommt die Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb in Betracht, wenn die Wertgrenze in Höhe von 50.000 Euro netto nicht überschritten wird, vgl. Ziffer 2.3.2 VergabeVwV i.V.m. Ziffer 8.3 VwV Beschaffung.
(Florian Krumenaker)
(Der promovierte Autor ist Fachanwalt für Vergaberecht bei Menold Bezler in Stuttgart.)

 

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