Ausschreibung und Vergabe

Bei öffentlichen Bauaufträgen muss im oberschwelligen Vergabebereich elektronisch abgerechnet werden. (Foto: dpa/Daniel Karmann)

19.06.2020

Digitale Baurechnungen

Seit April sind nun nach der Bundesebene auch Landesverwaltungen und Kommunen zum Empfang von elektronischen Rechnungen nach dem Standard XRechnung verpflichtet

Öffentliche Auftraggeber sind spätestens seit April dieses Jahres zum Empfang von elektronischen Rechnungen verpflichtet. Dies gilt insbesondere für den oberschwelligen Vergabebereich und damit Baurechnungen. Die Digitalisierung von Baurechnungen stellt alle Beteiligten allerdings vor massive Herausforderungen.

Seit April 2020 sind nun nach der Bundesebene auch Landesverwaltungen und Kommunen zum Empfang von elektronischen Rechnungen nach dem Standard XRechnung verpflichtet. Unabhängig von unterschiedlichen Regelungen in den Bundesländern erstreckt sich diese Verpflichtung auf den oberschwelligen Vergabebereich, in welchen insbesondere Bauleistungen fallen. Folglich sehen sich öffentliche Auftraggeber sowie deren Lieferanten mit der Herausforderung konfrontiert, den hoch komplexen Rechnungstyp der Baurechnung digitalisieren zu müssen. Doch warum gestaltet sich die Digitalisierung der Baurechnung und des zugehörigen Prüfprozesses so schwierig? Die Ursache liegt maßgeblich im notwendigen Zusammenspiel von drei Komponenten, welche ineinandergreifen müssen, um eine ganzheitliche Digitalisierung zu ermöglichen: das Rechnungsdokument, die zugehörigen rechnungsbegründenden Unterlagen sowie der Prüfprozess.

Unterschiede beim Rechnungsempfang

Das Eingangsformat des Rechnungsdokuments in Verbindung mit den zugehörigen rechnungsbegründenden Unterlagen (wie beispielsweise Bauplänen oder Aufmaßen) bildet die Grundlage für die Digitalisierung des Verarbeitungsprozesses. Nur wenn besagte Dokumente zukünftig digital eingehen, können sie ohne Zusatzaufwand für die Digitalisierung von Papierdokumenten elektronisch weiterverarbeitet werden. Die Problematik bei der Umstellung liegt hierbei jedoch nicht nur aufseiten des Rechnungsempfängers, welcher einen elektronischen Eingangskanal wie zum Beispiel ein zentrales E-Mail-Postfach für Eingangsrechnungen bereitstellen muss. Vielmehr muss auch der Rechnungssteller seinen Rechnungsausgang auf das entsprechende elektronische Rechnungsformat umstellen, was sich insbesondere für kleinere Betriebe als komplexe und kostenintensive Aufgabe gestaltet.

Der Prüfprozess ist auf Papier ausgerichtet

In einigen Bundesländern wie beispielsweise Nordrhein-Westfalen wird hierfür Abhilfe geschaffen: Über das zentrale Vergabeportal können sowohl öffentliche Auftraggeber den Empfang von elektronischen Rechnungen gewährleisten als auch Rechnungssteller ihre Rechnungen über eine Weberfassung direkt im Portal erstellen und versenden. Dies ist jedoch nicht in allen Bundesländern möglich, da die jeweiligen Landesregierungen nicht zur Bereitstellung eines Rechnungseingangsportals verpflichtet sind. Im Freistaat Bayern ist die Lage rund um die Einrichtung eines zentralen Verwaltungsportals noch unklar.

Darüber hinaus stellt die nachfolgende Rechnungsprüfung eine weitere Herausforderung dar: Bereits die aktuell vorherrschende papierbasierte Prüfung der Baurechnung zählt zu den komplexeren Prozessen, da unter anderem externe Beteiligte wie Generalplaner oder Architekten in die Rechnungsprüfung mit einbezogen werden müssen. So werden teils mehrere Aktenordner mit den rechnungsbegründenden Unterlagen zwischen Rechnungssteller, Rechnungsempfänger sowie den externen Rechnungsprüfern wiederholt versendet. Wird hierbei von den Beteiligten die Notwendigkeit von Rechnungskorrekturen/-kürzungen festgestellt, werden diese mit dem Rotstift direkt auf der Papierrechnung vorgenommen. Diese aktuell in der Praxis gängige Methode kann nicht einfach in einen digitalen Prüfprozess überführt werden. Zudem bewegt man sich eigentlich in einer rechtlichen Grauzone, da an sich nur der initiale Rechnungssteller zu Rechnungskorrekturen berechtigt ist. In der Baubranche wird das Verfahren der Rechnungskorrektur durch den Rotstift – teils in Ermangelung praxistauglicher Alternativen – jedoch von allen Beteiligten gelebt und akzeptiert.

Hierzu kommt nun die Anforderung, mit dem Standard XRechnung auf ein reines Datenformat umzustellen. Grundsätzlich handelt es sich hierbei um eine nachhaltige Idee, da der direkte Datenaustausch von Informationen zwischen Systemen die Übertragung über Dokumente auf absehbare Zeit ersetzen wird. Allerdings ist der Standard XRechnung, welcher auf der Europäischen Norm EN-16931 basiert, nicht speziell für Baurechnungen konzipiert. So werden zwar ab Juli 2020 mit der Version 1.2.2 neue Datenfelder für die Klassifizierung von Rechnungsarten für den Baubereich (beispielsweise Abschlagsrechnungen) ergänzt – bezüglich der Dateiformate der Anlagen gibt es allerdings Restriktionen. Zum aktuellen Zeitpunkt werden keine Anhänge im XML-Format (GAEB DA XML 3.2) oder CAD-Formate unterstützt, welche zur Übermittlung der rechnungsbegründenden Unterlagen zwingend notwendig sind. Zudem ist die Anzahl der Anlagen einer elektronischen Rechnung sowie die Gesamtgröße, insofern diese über ein zentrales Rechnungseingangsportal übermittelt wird, in der Regel beschränkt. In Bezug hierauf bleibt vorerst nur die weitere Entwicklung abzuwarten. Entsprechende Expertengruppen haben die Arbeit aufgenommen.

Davon unberührt besteht jedoch für öffentliche Auftraggeber die gesetzliche Verpflichtung, auch den Empfang von elektronischen Baurechnungen nach dem Standard XRechnung sicherzustellen. Hierbei können drei Stufen der Umsetzung unterschieden werden (siehe Abbildung).

Elektronischen Empfang gewährleisten

Sollte zum aktuellen Zeitpunkt der Empfang und die Verarbeitung von elektronischen Baurechnungen sowohl technisch als auch organisatorisch noch nicht umgesetzt sein, gilt es im ersten Schritt kurzfristig eine gesetzeskonforme Lösung zu implementieren, welche die Mindestanforderungen an öffentliche Auftraggeber erfüllt. Dies bedeutet, dass zumindest der elektronische Empfang des Rechnungsdokuments gewährleistet werden muss. Die zugehörigen umfangreichen rechnungsbegründenden Unterlagen können im Rahmen dieser „Compliance-Lösung“ vorerst weiterhin in Papierform oder gegebenenfalls in digitaler Form (CAD-Pläne, GAEB-Dateien) per E-Mail übermittelt werden. Die Prüfung der Baurechnung wird folglich weiterhin im etablierten Papierprozess vorgenommen.




Als Übergang zu einer ganzheitlichen Lösung sollte in einem zweiten Schritt darauf hingearbeitet werden, den Prüfprozess zu digitalisieren und analog eingehende Dokumente zu scannen und dem digitalen Prozess zuzuführen. Die ganzheitliche Digitalisierung der Baurechnung sowie des zugehörigen Prüfprozesses birgt große Optimierungspotenziale, insbesondere im Hinblick auf Kosten- und Zeitersparnisse. So können beispielsweise externe Rechnungsprüfer in einen vollständig digitalen Prüfprozess weitaus effizienter eingebunden werden als über den teils umständlichen und mehrfachen Versand von Aktenordnern. Sofern die Digitalisierung der Dokumente gewährleistet ist, kann schließlich in der dritten Ausbaustufe über eine Automatisierung des Prüfprozesses von Baurechnungen nachgedacht werden. Spätestens an dieser Stelle muss auch über die Bemühungen einer ganzheitlichen Bauplanung im Rahmen von BIM (Building Information Modeling) gesprochen werden. Hier werden aktuell die Grundlagen für eine effiziente Abrechnung gelegt – die flächendeckende Umsetzung ist freilich noch einige Jahre entfernt.
(Lisa köhler, Steffen Bernius)

(Lisa Köhler ist Beraterin bei der Bonpago GmbH in Frankfurt/Main. Steffen Bernius ist promoviertes Mitglied der Geschäftsleitung bei der Bonpago GmbH in Frankfurt/Main.)

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