Ausschreibung und Vergabe

Bei der europaweiten Ausschreibung von Verpflegungsleistungen für Asylsuchende gab es im Nachprüfungsverfahren Probleme. foto dpa

19.08.2017

Hohe Dokumentationspflichten für Auftraggeber

Im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens bei der europaweiten Ausschreibung von Verpflegungsleistungen für Asylsuchende in einer Erstaufnahmeeinrichtung hat die angerufene Vergabekammer Baden-Württemberg (Beschluss vom 22. Dezember 2016 – 1 VK 50/16) die fehlende Wertungsdokumentation geforderter Bieterkonzepte als vergaberechtswidrig eingeordnet. Dadurch verletzt der öffentliche Auftraggeber das Transparenzgebot (§ 97 Abs. 1 GWB), weil er die bieterschützenden Vorgaben des § 8 Abs. 1 VgV zur Dokumentation nicht hinreichend beachtet hat. Die vorgenannte Vorschrift gilt im Übrigen sowohl für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen als auch für Bauauftragsvergaben.
§ 8 Abs. 1 VgV regelt hierzu u.a., dass interne Beratungen, also auch die Angebotswertung, in den Vergabeunterlagen zu dokumentieren sind. Insbesondere auf die Dokumentation der Angebotswertung und der Zuschlagsentscheidung als Kernaufgaben des öffentlichen Auftraggebers im Vergabeverfahren muss große Sorgfalt verwandt werden. Es muss nachvollziehbar sein, warum gerade auf das betreffende Angebot der Zuschlag erteilt werden soll. Hierzu müssen die Tatsachenumstände und Überlegungen, welche die in Aussicht genommene Zuschlagsentscheidung tragen, vollständig, wahrheitsgemäß und verständlich mitgeteilt werden. Aus der Dokumentation sollen alle Erwägungen hervorgehen, die bei der Entscheidung über den Zuschlag eine Rolle gespielt haben. Im Einzelnen muss die Dokumentation der Angebotswertung daher erkennen lassen, dass die Vergabestelle bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes alle in den Vergabeunterlagen genannten Zuschlagskriterien berücksichtigt und deren Einhaltung durch die einzelnen Angebote umfassend geprüft hat. Ermöglichen die Ausschreibungsbedingungen verschiedene Verfahren zum Erbringen der geforderten Leistung, muss die Dokumentation erkennen lassen, dass die Vergabestelle sich mit den Vor- und Nachteilen der unterschiedlichen Methoden und eventuellen Auswirkungen auseinandergesetzt hat. Eine den Bietern vorab zur Verfügung gestellte Bewertungsmatrix ist vollständig zu prüfen und in den jeweiligen Positionen eine begründete Punktevergabe vorzunehmen. Für einen mit dem Verfahren nicht vertrauten Dritten wird erst dann die Punktebewertung auch hinsichtlich dieser Unterpositionen transparent, so die Karlsruher Nachprüfungsbehörde.
Die Nachprüfung einer ordnungsgemäß dokumentierten Wertung, zum Beispiel der konzeptionellen Ausführungen eines Bieters, erfolgt aber nur eingeschränkt, weil einem öffentlichen Auftraggeber insoweit ein weiter Beurteilungsspielraum zusteht. Denn es obliegt ihm allein, die vorgelegten Bieterkonzepte anhand seiner selbst aufgestellten Kriterien in eigener Kompetenz zu beurteilen. Dies ergibt sich daraus, dass jeder Angebotswertung ein subjektives Element zugrunde liegt, das einer vergaberechtlichen Nachprüfung entzogen ist. Es ist nach richtiger Auffassung der baden-württembergischen Vergabekammer nicht deren Aufgabe diesen subjektiven Teil der Angebotswertung durch eigene Erwägungen zu ersetzen.
> Holger Schröder
Der Autor ist Fachanwalt für Vergaberecht bei Rödl & Partner in Nürnberg.

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