Ausschreibung und Vergabe

Um die Vergabe von Rohbauarbeiten gab es Streit. (Foto: dpa/Britta Pedersen)

24.06.2021

Kein Ausschluss wegen unklarem Leistungsverzeichnis

Vergabekammer Berlin zum allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnis

Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens war die Vergabe von Rohbauarbeiten für die Errichtung eines Erweiterungsbaus sowie die Sanierung und Funktionsanpassung des Be-standsgebäudes für das Berliner Bauhaus-Archiv im offenen Verfahren gemäß der VOB/A-EU. Im Leistungsverzeichnis (LV) war in der Einleitung unter dem Abschnitt „Bauprodukte/Prüfzeugnisse/Technische Merkblätter“ für die Ausführung der Frischbetonverbundfolie/Hybridabdichtung unter anderem gefordert: „Verwendbarkeitsnachweis über ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis für einen Wasserdruck bis 3,8 bar und eine Rissüberbrückung bis 1,0 mm.“ Weiter war in der Einleitung textlich ausgeführt: „Alternativprodukte sind ausdrücklich zugelassen und in den entsprechenden Positionen in den Bieterangaben anzugeben. Die Gleichwertigkeit ist mit der Angebotsabgabe nachzuweisen.“ Unter der LV-Position „Abdichtverbundsystem Bodenplatte“ war schließlich ein „Abdichtungsverbundsystem adicon AVS oder gleichwertig“ vorgegeben.

Ein Bauunternehmer bot das Abdichtungsverbundsystem „Zemseal Standard“ ohne Vorlage eines allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses an. Das von ihm angebotene Produkt verfügte aber über eine CE-Kennzeichnung und über die Europäische Technische Bewertung (ETA) des Österreichischen Instituts für Bautechnik. Die ausschreibende Stelle informierte den bestbietenden Bauunternehmer sodann darüber, dass sein Angebot nicht berücksichtigt werden könne, weil es wegen des fehlenden allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses gemäß §§ 16 EU Nr. 2, 13 EU Abs. 1 Nr. 5 VOB/A ausgeschlossen werden muss.

Nach erfolgloser Nichtabhilfe beantragte der Bauunternehmer die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Die Vergabekammer Berlin (Beschluss vom 8. Juli 2020 – VK B 2-16/20) gab dem Bauunternehmer recht. Denn der auf eine Abweichung von den Vergabeunterlagen gestützte Angebotsausschluss ist rechtswidrig. Zwar hat der öffentliche Auftraggeber mit dem Verlangen „Verwendbarkeitsnachweis über ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis für einen Wasserdruck bis 3,8 bar und eine Rissüberbrückung bis 1,0 mm“ in den einleitenden Teilen des LV zunächst eine Mindestanforderung an die anzubietende Leistung formuliert. Indem im folgenden LV-Text jedoch ausdrücklich Alternativprodukte zugelassen waren und insofern nur beschrieben wurde, dass die Gleichwertigkeit mit der Angebotsabgabe nachzuweisen war, ohne die Anforderungen an die Gleichwertigkeit an dieser Stelle näher zu definieren, konnte ein durchschnittlicher Bieter möglicherweise nicht mehr mit der für die Aufstellung von Mindestanforderungen notwendigen Sicherheit erkennen, dass nicht auch andere Verwendbarkeitsnachweise anstatt des allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses, etwa einer ETA, angeboten werden konnten, so die Berliner Vergabekammer.

Die Vergabestelle hat somit die durch die – im Übrigen vergaberechtswidrige – Vorgabe eines Leitprodukts geschaffene Klarheit bezüglich der Leistungsanforderungen aufgrund der gewählten LV-Formulierung so verwässert, dass eine Unklarheit entstanden ist, die nicht zulasten der Bieter gehen darf. Der Ausschluss wegen der vermeintlichen Abweichung von den im Einleitungstext des LV genannten Mindestanforderungen war vorliegend daher vergaberechtswidrig.
(Holger Schröder)
(Der Autor ist Fachanwalt für Vergaberecht bei Rödl & Partner in Nürnberg.)

 

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