Ausschreibung und Vergabe

Um die Ausschreibung von Rohbauarbeiten für den Neu- und Umbau einer Funktionsdiagnostik gab es Streit. (Foto: dpa/Soeren Stache)

16.04.2021

Schätzung nach DIN 276 reicht nicht

Vergabekammer Niedersachsen zur Aufhebung wegen Unwirtschaftlichkeit

Ein öffentlicher Auftraggeber schrieb Rohbauarbeiten für den Neu- und Umbau einer Funktionsdiagnostik im offenen Verfahren europaweit nach der VOB/A-EU aus. Das Ergebnis der Ausschreibung war nach Ansicht der vergebenden Stelle unwirtschaftlich. Die eingereichten Angebote hätten die Kostenermittlung um 26 Prozent überschritten. Eine Fortführung des Verfahrens käme deshalb nicht in Betracht, weil die gravierende Überschreitung des Gesamtbudgets die Finanzierung des Gesamtvorhabens gefährden würde. Der öffentliche Auftraggeber hob das Verfahren deshalb nach § 17 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A auf. Der bestbietende Bauunternehmer rügte die Aufhebung und beantragte die Nachprüfung. Mit Erfolg.

Die Aufhebung wegen schwerwiegender Gründe gemäß § 17 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A umfasst auch das unwirtschaftliche Angebot, das den ordnungsgemäß ermittelten Auftragswert deutlich übersteigt. Nur die deutliche Überschreitung der Kosten ist ein schwerwiegender Aufhebungsgrund. Hierbei ist das verbindlich in Leistungsphase 6 Buchst. d) der Anlage 10 zu § 34 HOAI vorgesehene bepreiste Leistungsverzeichnis (LV) die dem Beginn der Vergabe zeitlich nächstgelegene Dokumentation der aktuellen Kostenermittlung. Sie ist daher mit deutlichem Abstand das beste Instrument, um zu dokumentieren, ob die Preise der Submission deutlich über den berechtigten Erwartungen des öffentlichen Auftraggebers liegen, so die Vergabekammer Niedersachsen (Beschluss vom 8. Juni 2020 – VgK-09/2020).

Nach dem bepreisten LV betrug hier die Differenz zum preislichen bestbietenden Angebot des Bauunternehmers aber nur 7,9 Prozent. Eine deutliche Überschreitung des ordnungsgemäß ermittelten Auftragswerts lag deshalb nach Meinung der Lüneburger Nachprüfungsbehörde nicht vor. Die Feststellung der Unwirtschaftlichkeit erfordert also eine aktuelle und ordnungsgemäße Ermittlung des Auftragswerts. Geeignete Grundlage dafür ist somit das bepreiste LV nach Leistungsphase 6 Buchst. d) der Anlage 10 zu § 34 HOAI, nicht aber die Kostenberechnung nach DIN 276 nach Leistungsphase 3 Buchst. e), erst recht nicht die Kostenschätzung nach Leistungsphase 2 Buchst. g), jeweils der Anlage 10 zu § 34 HOAI. Die zuletzt genannte Kostenschätzung stellt nur die Kostengruppen nach DIN 276 bis zur zweiten Ziffer der Kostengruppen dar. Sie ist zwar eine wichtige Hilfe für den öffentlichen Auftraggeber in der frühen Planungsphase, schafft aber vergaberechtlich keine belastbare Grundlage.

Die Leistungsphase 3 Buchst. e) fordert eine Kostenberechnung nach DIN 276 bis zur dritten Ziffer der Kostengruppen. Sie soll mit der in Leistungsphase 2 zuvor ermittelten Kostenschätzung verglichen werden und wurde hier irrigerweise vom öffentlichen Auftraggeber als für die Aufhebung maßgeblich erachtet. Auch wenn die Kostenberechnung nach DIN 276 bereits ein realistisches Szenario für die zu erwartenden Kosten umreißt, so ist doch erst die eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung aufgrund der deutlich präziseren Konkretisierung des Leistungsgegenstands und somit ein bepreistes LV ein geeigneter Rahmen für die belastbare Annahme der zu erwartenden Kosten, so die niedersächsische Vergabekammer.
(Holger Schröder)

(Der Autor ist Fachanwalt für Vergaberecht bei Rödl & Partner in Nürnberg.)

 

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