Ausschreibung und Vergabe

Um die Vergabe von Planungsleistungen zum Breitbandausbau gab es Streit. (Foto: Christina Bleier / LEW)

15.05.2019

Wann sind Breitbandnetz-Referenzen vergleichbar?

Vergabekammer Niedersachsen zur Eignungsprüfung

Ein öffentlicher Auftraggeber hat Planungsleistungen für die Errichtung eines flächendecken-den, passiven FTTB-Breitbandnetzes in einem Verhandlungsverfahren mit vorherigem Teilnahmewettbewerb europaweit ausgeschrieben. FTTB steht für „Fibre To The Building“, das heißt Glasfaser bis zum Gebäude. In der Auftragsbekanntmachung war zum Nachweis der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit unter anderem eine Liste der wesentlichen in den letzten drei Jahren erbrachten Leistungen bei Referenzprojekten von bereits durchgeführten FTTB-Netzausbauprojekten hinsichtlich der Netzplanung und Bauüberwachung mit Angabe des Leistungszeitraums, des ungefähren Auftragswertes und der Art der Leistung vorzulegen. Sofern der Bewerber noch keine drei Jahre bestand, sollten entsprechende Referenzen seit Bestehen des Unternehmens eingereicht werden.

Mindestvoraussetzung waren zwei mit dem Auftrag vergleichbare Referenzen. In der Leistungsbeschreibung war außerdem die Verlegung von Glasfaserleitungen auch innerhalb der Wohnung, das sogenannte FTTH („Fibre To The Home“) erwähnt.

Kein Bewerber hatte die geforderten Referenzen


Nach Eingang der Teilnahmeanträge dokumentierte die von der Vergabestelle beauftragte Ingenieurgesellschaft, dass kein Bewerber die geforderten Referenzen erbracht habe. Begründet wurde dies mit den noch neuen Projektanforderungen im Rahmen des Bundesförderprogramms und die sich gerade in der Umsetzung befindlichen Projekte. Vor diesem Hintergrund wurde eine als „Abstufung/Anpassung“ bezeichnete Auswahl vorgenommen, um dennoch die in dem geforderten Umfeld erworbene fachliche Erfahrung berücksichtigen zu können. Als „Messlatte“ dienten nun in erster Linie die in Planung befindlichen FTTB/H-Netze. Im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens war unter anderem darüber zu entscheiden, ob der öffentliche Auftraggeber gegen das vergaberechtliche Transparenzgebot verstoßen hat, weil er die Anforderungen an die als Eignungsnachweise geforderten Referenzen reduziert hat. Die Vergabekammer Niedersachsen (Beschluss vom 2. November 2018 – VgK-40/2018) hat deshalb allerdings keinen Vergabefehler festgestellt.

Es ist zwar richtig, dass es einem öffentlichen Auftraggeber aufgrund der das Vergaberecht prägenden Transparenz-, Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgebotes verwehrt ist, einmal aufgestellte und bekanntgemachte Eignungskriterien und geforderte Eignungsnachweise im Rahmen der Eignungsprüfung zu reduzieren oder die Anforderungen zu verschärfen. Die Vergabestelle ist an die von ihr selbst aufgestellten und bekanntgegebenen Anforderungen gebunden. Vorliegend hat sich der öffentliche Auftraggeber aber im Rahmen des ihm bei der Eignungsprüfung eingeräumten Beurteilungsspielraums gehalten, als er die von den Bewerbern benannten Referenzprojekte als gleichwertige zu den vorliegend ausgeschriebenen Planungsleistungen bewertet hat. Referenzen müssen nicht mit dem Ausschreibungsgegenstand identisch sein.

Denn Vergleichbarkeit erfordert keine Angabe identischer Leistungen. Es genügt vielmehr, wenn die Referenzleistungen dem zu vergebenden Auftrag nahekommen oder ähneln, so die Lüneburger Nachprüfungsbehörde. Dafür müssen die Referenzen aber einen tragfähigen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit des Unternehmens in Bezug auf den zu vergebenden Auftrag eröffnen. Fordert der öffentliche Auftraggeber also ausdrücklich Referenzen über Aufträge „vergleichbarer Art und Größe“, so darf er wegen des Gebots der Gleichbehandlung und Transparenz nur solche Referenzen berücksichtigen, die vergleichbare Leistungen nachweisen.

Keinen zu engen Maßstab anlegen


Gleichwohl darf der öffentliche Auftraggeber bei der Bewertung der vergleichbaren Referenzen keinen zu engen Maßstab anlegen. Besondere Anforderungen an die Referenzen muss die Vergabestelle eindeutig benennen. Andernfalls überschreitet der öffentliche Auftraggeber mit der Zugrundelegung eines strengen Maßstabs bei der Prüfung der Vergleichbarkeit schnell die Grenzen seines Beurteilungsspielraums. Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs war es nach Ansicht der Vergabekammer Niedersachsen nicht zu beanstanden, dass der öffentliche Auftraggeber nicht nur Referenzen über die Mitwirkung an reinen FTTB-Breitbandprojekten, sondern auch an gemischten FTTB/FTTH- oder sogar FTTB/FTTC-Projekten als Nachweise über vergleichbare Leistungen akzeptiert hat. FTTC steht für „Fibre To The Curb“, das heißt Verlegung bis zum Randstein beziehungsweise Anschlusskasten.
(Holger Schröder)

(Der Autor ist Fachanwalt für Vergaberecht bei Rödl & Partner in Nürnberg.)

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