Bauen

Markus Hennecke. (Foto: B. Gleixner)

07.11.2017

"Bauen ist ein besonderer Markt"

Markus Hennecke, Vorstandsmitglied der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, zum Thema „Bauprodukteverordnung – Zukünftig bessere EU-Normen“

„Bauen ist das Zusammenfügen von Bauprodukten“, so nüchtern definiert es die Bauordnung. Die Leistungsfähigkeit eines Bauwerks ergibt sich danach aus den Eigenschaften der verwendeten Bauprodukte. Gute Bauprodukte allein sind keine Gewähr dafür, dass ein gutes Bauwerk entsteht – dafür bedarf es der richtigen Planung. Aber: Aus schlechten Bauprodukten kann auch bei richtiger Planung kein gutes Bauwerk gelingen.
Auf EU-Ebene regelt die Bauprodukteverordnung die Grundanforderung an ein Bauwerk, auf die sich die „Wesentlichen Merkmale“ eines Bauprodukts beziehen. In der Leistungserklärung erklärt der Hersteller mit der Verwendung des CE-Kennzeichens die Konformität des Bauprodukts mit mindestens einem der in der zuständigen harmonierten Norm beschriebenen „Wesentlichen Merkmale“. Ziel der Verordnung ist die Schaffung eines europäischen Binnenmarkts, in dem Bauprodukte ohne Hemmnisse gehandelt werden können.
Soweit die Theorie. Dieser Fokus auf dem Handel lässt aber außer Acht, dass das Bauen ein besonderer Markt ist: Bauprodukte an sich sind für den Endverbraucher nutzlose Gegenstände. Erst durch das Zusammenfügen erhalten sie für ihn einen Mehrwert. Die Sicherheit eines Bauwerks lässt sich nicht, wie bei anderen industriellen Produktionen, im Nachhinein überprüfen. So ist es nicht möglich, bauliche Anlagen zu testen oder bei Fehlern in der Produktion zurückzurufen.
Zudem berührt das Bauen und Betreiben von baulichen Anlagen die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Für jeden Menschen ist das sichere Dach überm Kopf ein elementares Bedürfnis, das nicht nur Leben sichert, sondern auch die Voraussetzung für seine persönliche Entfaltung ist. Und: Ohne sichere Infrastruktur keine moderne Gesellschaft. Jeder, der eine bauliche Anlage baut und betreibt, ist von daher diesen Sicherheitsbelangen verpflichtet.

Nachweis über Rechenmodelle

Der Nachweis der Sicherheit kann nur über Rechenmodelle erfolgen, die meist in Normen zusammengefasst sind. In Deutschland werden diese Normen von den Obersten Baubehörden bauaufsichtlich durch Eintragung in die Liste der Technischen Baubestimmungen eingeführt; sie haben dadurch einen gesetzlichen Charakter. Den am Bau Beteiligten geben sie die rechtliche Sicherheit, dass sie ihrer Verpflichtung korrekt nachkommen.
In Ergänzung zur Liste der Technischen Baubestimmungen veröffentlichte das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) die Bauregellisten. Dort wo das DIBt Nachregulierungsbedarf zu den EU-Vorschriften sah, ergänzte es nationale Regelungen, auf die sich die zusätzliche Ü-Kennzeichnung bezog. Als deutsche Hersteller, die von diesen zusätzlichen Regelungen betroffen waren, vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) klagten, bekamen sie am 16. Oktober 2014 schließlich Recht: Der EuGH sah in dem Vorgehen ein Verstoß gegen die EU-Bauprodukteverordnung und stellte klar, dass diese zusätzlichen Anforderungen nur an bauliche Anlagen gestellt werden dürfen, jedoch nicht an handelbare Bauprodukte.
Die deutschen Behörden schrieben daraufhin die Musterbauordnung um, schafften die Bauregellisten und die Liste der Technischen Baubestimmungen ab und entwarfen die sogenannte Musterverwaltungsvorschrift – Technische Baubestimmungen (MVV-TB). Zusätzlich veröffentlichte das DIBt eine Liste, auf der es die Defizite der EU-Normen zusammenstellte. Die Bundesrepublik ihrerseits klagt nun vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die defizitären Normen.
Diese Geschehnisse führen zu einem Systemwechsel im deutschen Bauordnungsrecht. Bisher konnten die am Bau Beteiligten sich darauf verlassen, dass alle auf dem Markt befindlichen Bauprodukte die Anforderungen an das Bauwerk erfüllten. Dafür stand das DIBt mit seinem großen Sachverstand. Das Ü-Kennzeichen war bisher die Garantie dafür, dass die nationalen Anforderungen auch bei Bauprodukten nach harmonisierten Normen erfüllt wurden.

Neues Feld für Rechtsstreitigkeiten

Nun haben die am Bau Beteiligten im Einzelfall dafür zu sorgen, dass die Anforderungen an das Bauwerk gewährleistet sind. Die Nachweise der Hersteller für die Produkte erfolgen heute ausschließlich über die EU-weit geregelten Leistungserklärungen mit CE-Kennzeichnung. Ist die betroffene Norm hinsichtlich „Wesentlicher Merkmale“ unvollständig, liegt es am Hersteller, diese freiwillig zu erklären. Es obliegt nun den Planern und Bauausführenden, diese Nachweise zu prüfen oder aber zu glauben.
Das alles erhöht den Aufwand und schafft ein neues Feld für Rechtsstreitigkeiten. Die Baukosten steigen. Die Bauqualität sinkt.
Das europäische System ist zu überarbeiten. Es darf nicht sein, dass der freie Handel der Bauprodukte als wichtiger gewertet wird als die Sicherheit der Bauwerke. An dieser Aufgabe müssen wir Ingenieure auf europäischer Ebene mitarbeiten – und Europa dabei ernst nehmen. Es reicht nicht, zu glauben, alles durch nationale Regelungen lösen zu können. Schließlich verbinden sich durch die Teilhabe am europäischen Markt auch große Chancen für die deutsche Ingenieurekunst.

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