Bauen

Das Wohn- und Geschäftshaus Stylepark am Peterskirchhof in Frankfurt am Main. (Foto: Lukas Roth, Köln)

09.04.2021

Bedürfnis nach authentischem Material

Beeindruckende Ziegelarchitektur: Die Preisträger des Deutschen Ziegelpreises 2021

Bei der Verleihung des Deutschen Ziegelpreises 2021 wurden zwei Hauptpreise, fünf Sonderpreise und zehn Anerkennungen für herausragende Architektur in Ziegelbauweise vergeben.

Unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) sowie in Kooperation mit vielen weiteren Partnern lobte der Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie den Deutschen Ziegelpreis 2021 aus. Die beiden Hauptpreise, mit jeweils 5000 Euro dotiert, gingen an Diezinger Architekten aus Eichstätt für den beeindruckenden und doch zugleich unprätentiösen Ersatzneubau des Rathauses in Dorfen sowie an das ungewöhnliche, präsente Wohn- und Geschäftshaus Stylepark am Peterskirchhof in Frankfurt am Main von NKBAK, ebenfalls Frankfurt am Main.

Beim Dorfener Rathaus mit Sitzungssaal, das den Hauptpreis in der Kategorie „Monolithische Bauweise“ erhielt, würdigte die Jury die subtile Fügung und den Reichtum der einfachen Fassadengestaltung. „Auf engstem Raum fügt sich der Ersatzneubau beeindruckend unaufgeregt in die Umgebung ein“, so das Preisgericht. Das zeitgemäße und klar gezeichnete Bauwerk überzeugte die Jury, indem es gekonnt zwischen den unterschiedlich hohen Bürgerhäusern zu vermitteln vermag. Mit dem abgestuften Baukörper gelang es trotz der beengten Lage, Ansprüchen wie der Ästhetik, Individualität und Qualität eines öffentlichen, repräsentativen Gebäudes nachzukommen.

Ruhig und präzise ist nach den Worten der Jury die ausgewogen proportionierte Putzfassade. Ihre Kratzputzstruktur korrespondiere sehr gut mit den benachbarten Fassadenoberflächen. Die Fensteröffnungen seien rhythmisch platziert und sorgfältig mit schrägen Laibungen gestaltet, welche Blickbezüge zum nahe gelegenen Marktplatz ermöglichen. Durch tief in der Ebene liegende Fenster, Nachtauskühlungselemente aus eloxiertem Aluminiumlochblech und dezent abgesetzte Putzfaschen gewinnt die Fassade nach Ansicht des Preisgerichts an Lebendigkeit und Plastizität. „Die dicken, monolithischen Ziegelaußenwände des viergeschossigen Gebäudes unterstreichen die Architekturhaltung des Entwurfsgedankens, erfüllen die Anforderungen an Effizienz sowie Nachhaltigkeit und – für ein Rathaus durchaus von Bedeutung – auch an Langlebigkeit.“

Der Hauptpreis in der Kategorie „Mehrschalige Bauweise“ ging an den Stylepark-Neubau am Peterskirchhof in Frankfurt am Main – geplant von NKBAK, Frankfurt am Main.

In der Jurybegründung heißt es: „Ein dreigeschossiger Anbau in einem Hinterhof mitten in Frankfurt – unten wird gearbeitet, oben gewohnt. Mit der baulichen Ergänzung wurden die Ausnutzungsreserven des Grundstücks ausgeschöpft und gleichzeitig die räumlichen Verbindungen für die Büronutzung des Eigentümers deutlich verbessert. Ungewöhnlich dabei ist die Präsenz, die das Hofhaus auf der Rückseite entwickelt. Hier zeigt sich der schmucke Baukörper als kubische Skulptur und grenzt direkt an die Friedhofsmauer des kulturhistorisch bedeutsamen Peterskirchhofs an, die einen wesentlichen Impuls für den architektonischen Entwurf liefert.

Das Architekturbüro lasse den Neubau gewissermaßen aus dieser Mauer herauswachsen, so baue das Neue – ganz wörtlich – auf dem Bestehenden auf. „Die Fassadentextur des Neubaus schließt ohne Berührungsängste an die jahrhundertealten Steinschichten an. Der diffizile Übergang wurde mit einer stillen Behutsamkeit gemeistert, die nachhaltig begeistert. Dahinter steht eine ganze Reihe technischer und gestalterischer Besonderheiten: Für die tragenden Außenwände wurden großformatige Ziegel gewählt, während das Sichtmauerwerk aus verschiedenen Steinformaten horizontal geschichtet ist, um die textile Haptik des Verbands herauszuarbeiten. Auch in der Abstimmung der Farbigkeit wurde der Ton überaus gut getroffen, sodass sich der Neubau wie selbstverständlich in die Umgebung einblendet.“ Beispielhaft wird nach Ansicht des Preisgerichts vorgeführt, wie es mit dem Baustoff Ziegel gelingen kann, verschiedene Zeitschichten miteinander in Verbindung zu bringen. „Am Ende sieht es ganz leicht aus. Alt und Neu sind nahtlos miteinander verwoben, sodass man nichts mehr wegnehmen oder hinzufügen möchte.“

Fünf beachtenswerte Einreichungen überzeugten die Jury als Sonderpreise in den Kategorien „Einfach Bauen“, „Quartier“ „Geschosswohnungsbau“, „Nachwuchs“ und „Bauen im Bestand“. Dabei nimmt die Förderung des Nachwuchses beim Deutschen Ziegelpreis immer einen Schwerpunkt ein. 2021 geht der Sonderpreis „Nachwuchs“ für das Projekt Ziegelschale Nottuln an Christoph Heib vom Fachbereich Architektur der Hochschule Trier.

Fließende, organische Formen und das Material Klinker finden in diesem fünf auf sieben Meter großen und knapp fünf Meter hohen Ausstellungspavillon zueinander – eine Kombination, die mit einigen statischen Herausforderungen verbunden ist. Die Studierenden, allen voran der dafür verantwortlich zeichnende Architekt Christoph Heib mit Unterstützung von Peter Böhm und dem Bildhauer Martin Kleppe, stellten sich der Aufgabe, für eine besondere Verwendung des Werkstoffs Klinker besondere Maßnahmen zu entwickeln. „Die Leichtigkeit des hyperbolischen Paraboloids, der mit einer Materialstärke von nur sieben Zentimetern auskommt, überrascht und besticht durch die skulptural wirkende Form gleichermaßen“, heißt es in der Jurybegründung. Gelobt wurde vom Preisgericht ausdrücklich, dass Studierende sich diesem Aufgabenfeld wieder vertieft widmen.

Der Sonderpreis in der Kategorie „Einfach Bauen“ geht in diesem Jahr an das Haus Chausseestraße 48a in Berlin der Wietersheim Architekten, ebenfalls aus der Bundeshauptstadt.

Das siebengeschossige Wohnhaus bildet den Kopfbau einer Zeilenbebauung der Nachkriegszeit. Die Tragstruktur des Gebäudes ist nach außen deutlich ablesbar. Durch eine leichte Verschiebung der monolithischen Ziegelwandelemente zueinander wird mit sehr einfachen Mitteln eine gewisse Tektonik in der Fassade erreicht, die durch differenzierte Putzoberflächen zusätzlich an Tiefe gewinnt und Akzente setzt, so die Jury in ihrer Begründung. Je Regelgeschoss gibt es zwei klar gegliederte Wohnungen, die sowohl über die Nordost- als auch über die Südwestfassade belichtet und besonnt werden.

Im Sinne von „Einfach Bauen“ wurde laut Jury konsequent auf alles verzichtet, was nicht zwingend erforderlich ist: Elemente wie Stürze, Brüstungen, Rollläden oder Sonnenschutz. Der Rohbau bildet nicht nur die Grundstruktur des Gebäudes, er ist darüber hinaus gestaltprägend. Auch die Innenräume überzeugten das Preisgericht durch einen reduzierten Materialeinsatz. „Durch die zweiseitige Belichtung und die geschosshohen Fenster haben die Wohnungen – trotz der gegebenen Gebäudetiefe – eine hervorragende Qualität. Die Arbeit überzeugt durch ihre reduzierte Eleganz und bildet mit ihrer Einfachheit ein zukunftsweisendes Modell.“

In der Kategorie „Quartier“ ging der Sonderpreis an PASEL-K Architects, Berlin, zusammen mit Friedl und Partner Architekten, Passau, für das projekt Inn.Viertel – Areal der ehemaligen Innstadt-Brauerei, Passau.

Das Projekt Inn.Viertel ist nach Ansicht des Preisgerichts eine „im Wortsinn außergewöhnlich unspektakuläre Transformation einer Industriebrache auf dem südlichen Flussufer des Inn, direkt gegenüber der Passauer Altstadt. Wie ein Passstück liegt das Ensemble mit hoher Funktionsmischung zwischen dem Kapuzinerplatz, den denkmalgeschützten Altbauten der ehemaligen Brauerei und einigen neuen Stadtvillen am Fuß der Wallfahrtskirche Mariahilf, es formt eine Schwelle zwischen der Stadt und dem umgebenden Landschaftsraum. Die mäandrierende Figur thematisiert das Paradox der kleinteiligen Großform, die unterschiedliche Hofräume bildet und als Kristallisationspunkt im durch Objekte geprägten Kontext wirkt. Vor- und Rücksprünge markieren Eingangssituationen und Passagen, die durch hölzerne Auskleidungen nobilitiert sind und dem Block eine Durchlässigkeit und Luftigkeit verleihen.“

Die architektonische Anmutung ist laut Jury eher einfach und von der Wirtschaftlichkeit geprägt, wie auch an manchen Stellen die Grundrissdisposition einer rationalen Erschließungslogik geschuldet scheint. Dennoch schaffen es die Architekten nach Ansicht des Preisgerichts, unter Einhaltung sehr niedriger Baukosten, mit dem Einsatz hochwärmedämmender Ziegel einen KfW-55-Standard zu realisieren. „Aber die Mischung stimmt und sie bestimmt den Charakter, der als Massivbau beispielhaft die Bautradition weiterschreibt.“ Die Jury zeichnet mit diesem Sonderpreis ausdrücklich nicht nur ein Objekt aus, sondern eine Haltung, ein Quartier als Ort des Zusammenlebens mit vielfältigen Nachbarschaften und unterschiedlichen Nutzungen.

Der Sonderpreis für „Geschosswohnungsbau“ ging in diesem Jahr an Lorenzen Mayer Architekten aus Berlin für das Gebäudeensemble aus zwei Wohn- und Geschäftshäusern in der Altstadt von Celle, das auf die komplexen, städtebaulichen Rahmenbedingungen überzeugend reagiert. „Die Neubauten ahmen, ohne historisierend zu werden, die kleinteiligen, mittelalterlich geprägten und denkmalgeschützten Fachwerkhäuser der Altstadt nach. Dabei gewinnen sie sowohl durch eine eigenständige Formen- wie auch Materialsprache. Dies gelingt nicht nur durch die Auflösung der Volumina in scheinbar einzelne Häuser, sondern auch durch die Wahl eines wassergestrichenen Ziegels im schleppenden Läuferverband, dessen Mehrfarbigkeit und Haptik die Fassaden lebendig erscheinen lassen. In der Qualität der Binnenräume und der Wohnungen setzt sich die beschriebene städtebauliche Qualität fort“, heißt es in der Jurybegründung.

Bodensteiner Fest Architekten aus München erhielten für die Revitalisierung des Wohn- und Geschäftshauses Casa Rossa im Chemnitzer Sonnenbergviertel den Sonderpreis in der Kategorie „Bauen im Bestand“. Das nach einem beinahe 30-jährigen Verfallsprozess um 1910 errichtete Gebäude abzubrechen und die Baulücke mit einem Neubau zu schließen, wäre so viel einfacher und scheinbar effizienter gewesen. Stattdessen wurde das Gebäude von einem Team aus Architektenbüro und Investor gerettet und mit einem hohen Maß an Sensibilität renoviert. Auffällig ist laut Jury gerade im Kontext der verputzten Nachbargebäude die Materialwirkung der puristisch sanierten Ziegelfassade.

Unregelmäßigkeiten und die „Blessuren“ des letzten Jahrhunderts wurden sichtbar belassen und – wo nötig – mit Originalziegeln ergänzt. Die Jury bewertete das Projekt als beispielhaft für den sensiblen und ressourcenschonenden Umgang mit einem im Grunde profanen Gebäudebestand und sieht hier insbesondere den Nachweis dafür, „dass in dieser Aufgabe ein enormes ästhetisches Potenzial liegt“.

Aufgrund der hohen Qualität einer Vielzahl der 145 Einreichungen entschied die Jury, die Anzahl der Anerkennungen in diesem Jahr auf zehn aufzustocken.

Die zehn Anerkennungen gingen an:
– Wernicke x Dietzig Architekten und Stadtplaner, München, für das Bürgerzentrum Möttingen.
– Weinmiller Großmann Architekten für die Genezareth-Kirche in Aachen.
– Hild und K aus Berlin für das Hotel „Werk 17“ in München.
– Diezinger Architekten (Eichstätt) zusammen mit Wilhelm Huber (Betzigau) für das Bayernkolleg Schülerwohnheim in Augsburg.
– LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei aus Stuttgart für das „dialogicum“, den Neubau der Firmenzentrale dm-Drogerie in Karlsruhe.
– Uwe Schröder, Bonn, für einen Hochzeitsturm in Plüderhausen.
– SMAQ Architektur und Stadt (Berlin) für das Neue Wohnen an der Alten Döhrener Straße in Hannover.
– Professur für Digitale Fabrikation gemeinsam mit der Professur für Entwerfen und Gebäudehülle an der TU München für das Projekt „Climate Active Bricks“.
– Max Dudler, Berlin, für das Eisenbahnmuseum in Bochum und
– Atelier Brückner aus Stuttgart für die „Wagenhallen“ in Stuttgart.
(Friedrich H. Hettler)

 

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