Bauen

Das neue Gesamtkonzept für die Großmarkthalle birgt eine Menge Chancen für die Wirtschaft und Bürger. Ab 2014, so der Stadtrat, soll in Sendling mit den Bauarbeiten begonnen werden. (Fotos: Markthallen München)

20.08.2010

Das größte kommunale Umschlagzentrum Europas

Noch ist unklar, wie die neue Münchner Großmarkthalle aussehen wird – Ideen gibt es viele

Dass es die besten Weißwürste in der Traditionsgaststätte „Großmarkthalle“ gibt, Kalbsbrust und Briesmilzwurst ebenfalls sensationell schmecken, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Wirt Ludwig Wallner und seine Schwester Gabi Walter haben es auch gar nicht weit, ganz frische Zutaten einzukaufen. Denn die Münchner Großmarkthalle und der Schlachthof liegen sozusagen um die Ecke und zwar schon seit 1912. Nur damals fuhren die Lieferanten noch mit Pferdekutschen.
Inzwischen hat sich natürlich eine Menge verändert, aber dennoch sprechen viele Gründe dafür, das teilweise historische Areal gründlich zu sanieren und neu zu bauen. Denn die maroden Einrichtungen der Hallen und Lager sowie veraltete Ladevorrichtungen entsprechen keineswegs mehr den modernen Anforderungen der Logistik, Hygiene oder des Arbeitsschutzes. Und obwohl dieser Markt das größte kommunale Umschlagzentrum Europas ist, kann er mit dem „Quartier des Halles“ in Paris und dem „Mercat La Boqueria“ in Barcelona in keiner Weise konkurrieren.
Letztes Jahr befasste sich der Münchner Stadtrat bereits eingehend mit der Neu- und Umbauthematik. Der Vorschlag, das zentrale Gelände in Sendling ganz zu verlassen und im Norden der Stadt einen neuen Warenumschlagplatz zu errichten, wurde diskutiert, aber abgelehnt. Dass die baulichen Voraussetzungen in Sendling nicht ganz einfach sind, erschwert die Planungen. Denn so manches Gebäude auf der 39,5 Hektar großen Fläche steht nämlich heute unter Denkmalschutz.
In nächster Nähe zur Gaststätte sind das die Kontorhäuser 1 (1928) und 2 (1953) sowie die originale Markthalle mit ihrer stattlichen 20 Meter hohen Fensterfassade. Sie müssen gründlich saniert werden und bleiben, wie auch das traditionelle Wirtshaus, bestehen, während die übrigen Einrichtungen des Geländes neu gestaltet werden.
Das Großprojekt mit geschätzten 100 bis 200 Millionen Euro Investitionssumme ist für den Großmarkt München eine horrend hohe Summe. Zumal er sich als eine kostenrechnende Einrichtung von Kunden und Gebühren finanziert. Seine Einnahmen erzielt er aus den sechs Verkaufshallen, sieben Umschlag- , Lager- und Kühlhallen inklusive Blumengroßmarkt, Wohnungen und Gewerberäumen. Tag für Tag werden rund fünf Millionen Menschen und das europäische Ausland von hier aus mit frischer Ware beliefert. Rund 492 Unternehmen mit 3000 Mitarbeitern erzielen einen Jahresumsatz von etwa zwei Milliarden Euro.
Der Warenumschlag beträgt im Jahr 800 000 Tonnen. Dass so ein effektives Zentrum den vielfältigen Anforderungen gewachsen sein muss, um finanzkräftig zu bleiben, erklärt sich von selbst. Da die Umgestaltung des Großmarktgeländes für die nächsten Jahrzehnte Stadtplaner und Anwohner beschäftigen wird, lud kürzlich das Münchner Forum zu einem Infotreff mit Rundgang durch das Großmarktgelände ein. „Ich will wissen, was in Zukunft mit der Großmarkthalle passiert“, meint die Münchnerin Ruth Harte besorgt. „Wir wollen auf gar keinen Fall, dass alles platt gemacht wird.“ Sie ist eine von rund 50 Personen, die mit großem Interesse Rainer Hechinger (Zweiter Werkleiter der Markthallen München) bei seinem Rundgang übers Gelände folgen.
Auf dem sechs Hektar großen Viehhofgelände und dem Schlachthof im Süden, wo heute noch der Schweine- und Rindertreibgang zu sehen ist, wird eine neues Gewerbe- und Wohngebiet entstehen. Der Anwohner Jens Runge ist neugierig, wo denn nun das neue Frischezentrum platziert wird. „Da soll ja ein öffentlicher Markt für jedermann entstehen. Das finde ich wirklich gut.“ Die neue Einkaufsmöglichkeit ist in der sanierten, historischen Halle geplant, während für den Früchte-Großmarkt ein Neubau an der Schäftlarnstraße vorgesehen ist.
Kommunalreferentin und Erste Werkleiterin der Markthallen, Gabriele Friderich, weiß um die schwierigen Planungsmodalitäten des Geländes. Denn in diesem Fall geht es um eine Kombination von Neubau, Sanierung und Restaurierung. „Dabei steht die Sicherheit ganz oben an. Besonders wenn ein Teil der Flächen auch für die Öffentlichkeit zugänglich ist“, so Friderich.
Um die Finanzierung des Großprojekts auch stemmen zu können, verweist die Kommunalreferentin auf den Grundstücksverkauf für Wohnungen im Viehhofgelände. Für Günter Warchola, der die Interessengemeinschaft der Händler vertritt, ist wichtig, dass die neuen Gebäude nachhaltig sind, also mindestens für die nächsten 100 Jahre halten und auch den Anwohnern gefallen müssen. Zudem sei es ratsam, die Erfahrungen der Großmarktprofis bei technischen und logistischen Fragen ebenfalls miteinfließen zu lassen.

Neue Urbanität entwickeln

„Sendling ist mit 40 Ateliers das eigentliche Künstlerviertel in München“, meint Rolf Maria Krückels, der sein eigenes Grafikatelier auf dem Fruchthofgelände bei den Markthallen hat. Er plädiert für die Lebensqualität und gesellschaftliche Mehrschichtigkeit, die bisher Sendling ausgezeichnet haben und wünscht sich, dass diese auch trotz der baulichen Veränderung bestehen bleiben. Auch der Stadtplaner Johannes Dragomir hat sein Büro im Kontorgelände. Er sieht große Potenziale in den alten Gebäuden. Beim Planen der neuen Großmarkthalle empfiehlt er, diese gleichzeitig mit der Städteplanung vorzunehmen und so zum Beispiel die Thalkirchner Straße für eine öffentliche Nutzung zugänglich zu machen. Als charmante Planungsidee schlägt er ferner vor, eine Allee zur Isar anzulegen.
Viele offene Fragen werden diskutiert, wenn es um die Neugestaltung des Großmarktgeländes geht. Man ist sich jedoch einig, dass es seiner originellen Identität gemäß optimiert und ergänzt werden soll, um den modernen Anforderungen in allen Bereichen zu entsprechen. Zudem soll eine neue Urbanität entwickelt werden, die vielfältige Möglichkeiten für Wohn-, Arbeits- und Lebensformen bietet. „Neben der dringend erforderlichen Ertüchtigung des Großmarkts“, ergänzt Ursula Ammermann (Münchner Forum), „ist zu erörtern, welche gesellschaftlich relevanten Funktionen das Areal erhält.“
Das neue Gesamtkonzept für die Großmarkthalle birgt jedenfalls eine Menge Chancen für die Wirtschaft und Gesellschaft. Die Diskussion darüber wird noch weiter fortgesetzt. Aber ab 2014, so der Stadtrat, soll in Sendling mit den Bauarbeiten begonnen werden. (Eva-Maria Mayring)

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