Bauen

Franz Xaver Peteranderl, Präsident der Bayerischen Baugewerbeverbände. (Foto: LBB)

27.05.2011

„Die Abschreibungsbedingungen verbessern“

Der Präsident der Bayerischen Baugewerbeverbände, Franz Xaver Peteranderl, über Wohnungsbauförderung, PPP-Projekte und Schwarzarbeit am Bau

In der Baupraxis und Baupolitik ist vieles im Umbruch. Vor dem Verbandstag der Bayerischen Baugewerbeverbände stellte die Bayerische Staatszeitung deshalb dem Präsidenten der Bayerischen Baugewerbeverbände, Franz Xaver Peteranderl, Fragen zu derzeit kontrovers diskutierten Themen. BSZ: Herr Peteranderl, die Abschaffung der Meisterpflicht in wichtigen Baugewerken durch die Novelle der Handwerksordnung (HwO) 2004 führte zu einem massiven Verlust an Qualität und Qualifikation. Wie steht das Bayerische Baugewerbe zur Wiedereinführung der Meisterpflicht?
Peteranderl: Die Abschaffung der Meisterpflicht in wichtigen Bauhandwerken im Jahr 2004 hat die betroffenen Gewerke schwer getroffen, hat aber auch negative Auswirkungen für Bauherren gebracht. Sie führte zu einem massiven Verlust an Qualität und Qualifikation, verbunden mit dem Verlust sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse.
In den Jahren 2004 bis 2010 ging die Ausbildungsbereitschaft um bis zu 55 Prozent und die Zahl der Meisterschüler bis zu 80 Prozent zurück. Gleichzeitig hat sich durch die Eintragung Zehntausender unqualifizierter Unternehmen beziehungsweise Personen mit diesen Handwerken in die Handwerksrolle eine sehr negative Entwicklung hin zu Qualitätsverlust und Preiskampf vollzogen. BSZ: Was muss Ihrer Ansicht nach geschehen?
Peteranderl: Wenn da nicht politisch gegengesteuert wird – was im Übrigen auch im Sinne der „Bildungsoffensive“ erforderlich wäre – , befürchte ich, dass ein wichtiges Stück Bau- und Handwerkskultur unwiederbringlich verloren geht.
Wir fordern deshalb für die von uns vertretenen Bauhandwerke, nämlich für das Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerk, das Estrichlegerhandwerk und das Betonsteinhandwerk, die Wiedereinführung der Meisterpflicht beziehungsweise Korrekturen an der Handwerksordnung und eine Stärkung des großen Befähigungsnachweises. BSZ: Herr Peteranderl, was fordert Ihr Verband im Zusammenhang mit Vergaben unterhalb der EU-Schwellenwerte?
Peteranderl: Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung greift erfreulicherweise die langjährige Forderung nach Einführung eines wirksamen Bieterrechtschutzes bei der Vergabe öffentlicher Aufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte auf. Hierzu werden verschiedene Modelle diskutiert. Uns ist wichtig, dass sich die Einführung eines solchen Primärrechtsschutzes nicht investitionshemmend auswirken darf. Wir schlagen daher ein verwaltungsinternes Verfahren aufbauend auf den bisherigen VOB-Stellen vor. An der Entscheidung der VOB-Stelle sollte jedoch ein Vertreter der anbietenden Wirtschaft als Beisitzer beteiligt werden. Hierdurch könnte – ähnlich den Vergabekammern im Oberschwellenbereich – Praxissachverstand bei der Entscheidungsfindung eingebracht werden.
Unbedingt müsste aus unserer Sicht in einem derartigen Verfahren der Bieter durch seine Beschwerde für eine kurze Dauer die Aufschiebung der Zuschlagserteilung der Vergabestelle bewirken können. Wir hoffen, dass unsere Vorschläge konsensfähig sind. BSZ: Bürokratische Vorschriften und Auflagen nehmen kontinuierlich zu. Welche zusätzlichen Kosten verursachen bürokratische Regelungen und wie könnte ein Bürokratieabbau aussehen?
Peteranderl: Der Kampf um den Abbau der Bürokratie erinnert an den Kampf Don Quichottes mit den Windmühlen. Man kann gegen den wuchernden Bürokratismus der verschiedensten Behörden nicht gewinnen. Einiges konnten wir in den vergangenen Jahren aber doch erreichen. BSZ: Was wurde konkret erreicht?
Peteranderl: Beispielsweise wurden von 2006 bis 2008 die Informationspflichten etwas abgebaut. Weggefallen sind die Verdiensterhebungen im Handwerk und die Handwerkszählung. Die Anhebung der Umsatzgrenze für die Buchführungspflicht für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von nicht mehr als 500 000 Euro oder einem Gewinn von nicht mehr als 50 000 Euro hat kleine Bauhandwerksbetriebe entlastet. Auch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz von 2009 brachte Entlastungen. Damals sind die Schwellenwerte zur Bestimmung der Größenklassen von kleinen und mittelgroßen Unternehmen nach Bilanzsumme und Umsatzerlösen um rund 20 Prozent erhöht worden. Damit kommen entsprechend mehr Unternehmen in den Genuss der mit der Einstufung als „kleine Unternehmen“ verbundenen Befreiungen und Erleichterungen. BSZ: Hat die Einführung des so genannten ELENA-Verfahrens zum Bürokratieabbau beigetragen?
Peteranderl: Die Einführung des ELENA-Verfahrens, bei dem seit dem 1. Januar 2010 alle Arbeitgeber monatlich für alle Arbeitnehmer Entgeltnachweise elektronisch als Datensätze an die Zentrale Speicherstelle (ZSS) melden müssen, hat keine Bürokratie abgebaut – ganz im Gegenteil. Denn die Arbeitgeber werden in der Einführungsphase doppelt belastet, da vorerst trotz ELENA-Verfahren noch alle Bescheinigungen zusätzlich erstellt werden müssen. BSZ: Wo liegt für Sie das größte Ärgernis?
Peteranderl: Wenn ich mit meinen Kollegen spreche, sind derzeit ein großes Ärgernis die bürokratische Belastung und die Kosten, die sich aus dem neuen Fahrpersonalrecht ergeben. Hier brauchen wir unbedingt Erleichterungen. Vor allem die mit den digitalen Kontrollgeräten verbundenen umständlichen digitalen Dokumentationspflichten für „nachweispflichtige“ Fahrten und so genannte berücksichtigungsfreie Tage verursachen den Baubetrieben große Probleme. Wir fordern daher eine Ausweitung der derzeitigen „Handwerkerausnahme“ auf einen Aktionsradius von mindestens 150 Kilometer und eine Anhebung der Gewichtsbegrenzung. BSZ: Wo drückt Sie noch der Schuh?
Peteranderl: Ein weiterer Punkt ist die Vorverlegung der Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge. Die Unternehmen müssen seit 2006 ihre voraussichtliche Beitragsschuld einmal monatlich im Vorfeld schätzen und sie im Folgemonat korrigieren und verrechnen. Dadurch hat sich der Aufwand der Betriebe verdoppelt. Denn statt 12 Meldungen jährlich müssen sie jetzt 24 Meldungen abgeben. Die saisonabhängigen Baubetriebe mit ihren schwankenden Arbeitsentgelten und flexiblen Einsatzzeiten sind hiervon besonders betroffen. BSZ: Wo sollen im Bauvertragsrecht Schwerpunkte gesetzt werden?
Peteranderl: Derzeit wird intensiv die Schaffung eines eigenständigen Bauvertragsrechts im BGB diskutiert. Selbstverständlich beteiligen wir uns an dieser Diskussion intensiv. Wir meinen aber, dass sich die VOB/B trotz aller Schwächen in der Baupraxis überaus bewährt hat und nicht vorschnell einer gesetzlichen Regelung geopfert werden sollte. Wir setzen deshalb weiterhin auf die Modifizierung und Weiterentwicklung der VOB/B mit dem Ziel, interessengerechte Regelungen auch im Verbraucherbereich zu schaffen. Die Erarbeitung der VOB im Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss unmittelbar durch die Baubeteiligten ist aus unserer Sicht ein Musterbeispiel für „better regulation“, also eine intelligente, schlanke und unbürokratische Rechtssetzung. BSZ: Ihr Präsidenten-Kollege vom Bayerischen Bauindustrieverband, Thomas Bauer, bezeichnet das Bauforderungssicherungsgesetz als „dümmstes Gesetz der deutschen Rechtsgeschichte“. Herr Peteranderl, wie beurteilen Sie dieses Gesetz?
Peteranderl: Ich maße mir als Bauunternehmer nicht an, Sinn und Unsinn der unzähligen Gesetze der langen deutschen Rechtsgeschichte zu beurteilen. Eine vom Bundesbauministerium eingesetzte Expertengruppe hat im Rahmen einer Evaluation des Gesetzes im vergangenen Jahr festgestellt, dass das Bauforderungssicherungsgesetz die Liquidität der Betriebe erheblich einschränkt, zu unzumutbaren finanziellen und bürokratischen Belastungen führt und daher schnell umfassend geändert werden muss. Dieser Beurteilung schließe ich mich an. Diese Belastungen durch das Bauforderungssicherungsgesetz treffen übrigens sowohl größere als auch kleinere Unternehmen. Selbst wer keine Subunternehmer einsetzt, ist betroffen, sobald er nur Baustoffe einkauft. Der derzeit diskutierte Entwurf eines zweiten Änderungsgesetzes würde wesentliche Schwachpunkte beseitigen. BSZ: Welche Schwachpunkte müssen Ihrer Ansicht nach beseitigt werden?
Peteranderl: Wichtig sind uns insoweit insbesondere die Aufhebung der baustellenscharfen Baugeldverwendungspflicht sowie die Sicherstellung der Abtretbarkeit von Werklohnforderungen aus Bauverträgen als Kreditsicherheit. Wir drängen intensiv darauf, dass diese Änderungen nunmehr zügig verabschiedet werden und das Verfahren nicht durch die geplante weitere Evaluation in die Länge gezogen wird. Parallel müssen wir uns gemeinsam mit dem Gesetzgeber Gedanken machen, wie das richtige Ziel des Gesetzes, dem in der Leistungskette weiter hinten stehenden Unternehmer zu der ihm zustehenden Vergütung zu verhelfen, effektiv umgesetzt werden kann. BSZ: Was halten Sie von Öffentlich-Privaten-Partnerschaften (ÖPP) und welche Gefahren birgt dieses System in sich?
Peteranderl: ÖPP oder PPP sind synonyme Sammelbegriffe für eine Vielzahl verschiedener Modelle einer von der klassischen Aufgabenverteilung zwischen öffentlichem Bauherrn und privatem Auftragnehmer abweichenden Realisierung eines meist größeren Bauprojekts. Aus diesem Grund betrifft Ihre Frage ein weites Feld und es verbieten sich pauschale Antworten. BSZ: Sie beziehungsweise Ihr Verband werden aber doch schon gewisse Erfahrungen mit diesem System gesammelt haben?
Peteranderl: In Teilbereichen, insbesondere dort, wo zusätzliche Baumaßnahmen realisiert werden, die mit herkömmlichen Vergaben nicht oder nur unter Inkaufnahme erheblicher, volkswirtschaftlich nachteiliger Zeitverzögerungen umgesetzt worden wären, können solche Modelle im Einzelfall sinnvoll sein. Die bisherigen, eher negativen Erfahrungen unserer Mitgliedsbetriebe zeigen aber deutlich, dass in Sachen „Mittelstandsfreundlichkeit“ bei PPP noch erheblicher Verbesserungsbedarf besteht. Viele Projekte sind für die meisten unserer Mitgliedsbetriebe einfach zu groß.
Die vergaberechtlichen Neuregelungen zur Fach- und Teillosvergabe in GWB und VOB/A werden nach unserer Beobachtung nicht ausreichend berücksichtigt. Beispielhaft nenne ich hier Schulprojekte, bei denen auch als PPP einzeln zu realisierende Schulneubauten zu mittelstandsfeindlichen Paketen zusammengefasst werden. In diesen Fällen ist nicht nur der Bau der Schulen, sondern in vielen Fällen auch der Unterhalt für die Laufzeit des PPP-Projekts von 20 oder 25 Jahren für das örtliche Baugewerbe verloren. Die Kommune beraubt sich insoweit im Wesentlichen ihrer Einflussnahmemöglichkeit. BSZ: Der Wohnungsneubau, vor allem im Mietwohnungsbereich, befindet sich auf einem relativ niedrigen Niveau. Wie könnte man verstärkt Impulse für den Wohnungsbau geben und wie könnte eine Neuausrichtung der Wohnungsbaupolitik aussehen?
Peteranderl: Seit dem Herbst vergangenen Jahres ziehen die Baugenehmigungszahlen und auch die Fertigstellungen wieder etwas an. Trotzdem verharrt der Wohnungsneubau in Bayern auf einem sehr niedrigen Niveau. Gleichzeitig steigen Einwohnerzahl, Zahl der Privathaushalte und energetische Anforderungen an den Wohnungsbau immer weiter an. Letztes Jahr wurden nur 33 000 Wohnungen in Bayern fertiggestellt. Dies entsprach einem Drittel der Mitte der 1990er Jahre jährlich fertiggestellten Wohnungen. Die Neubaurate lag damit bei nur noch 0,5 Prozent. BSZ: Was muss also getan werden?
Peteranderl: Um dem Wohnungsneubau entscheidende neue Impulse zu verleihen, müssen erforderliche Investitionen steuerlich flankiert werden. Am wichtigsten ist hierbei die Verbesserung der Abschreibungsbedingungen. Ich halte hierbei die Verdopplung der linearen AfA in Höhe von 4 Prozent für die wichtigste Maßnahme. Dies würde zur Abbildung des tatsächlichen Lebenszyklus einer Immobilie und damit zu höheren Investitionen führen. Verschiedene Beispielrechnungen belegen die positiven Effekte einer erhöhten Absetzung für Abnutzung (AfA) für den Wohnungsbau, die öffentlichen Haushalte sowie die Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen. BSZ: Herr Peteranderl, was sollte mit Blick auf die energetische Gebäudesanierung, die ja in aller Munde ist, verbessert werden?
Peteranderl: Die Bundesregierung verabschiedete im Sommer 2010 ein neues Energiekonzept. Mit dem vorgelegten Energiekonzept zeigte die Bundesregierung ein Szenario für die Umsetzung ihrer Klimaschutzziele bis zum Jahr 2050 auf. Ein zentraler Schwerpunkt des Konzepts liegt auf der energetischen Sanierung des Gebäudebestands. BSZ: Wie beurteilen Sie diese Ziele?
Peteranderl: Die Ziele der Bundesregierung halte ich für sehr ehrgeizig. Die Sanierungsrate für Gebäude soll von derzeit jährlich weniger als 1 Prozent auf 2 Prozent des gesamten Gebäudebestands verdoppelt werden. Bis 2050 soll ein nahezu klimaneutraler Gebäudebestand erreicht werden. Ob dies realistisch ist, darüber mag man streiten. Ganz sicher werden wir dieses Ziel aber nicht erreichen, wenn die KfW-Programme „Energieeffizientes Bauen“ und „Energieeffizientes Sanieren“ nicht auf hohem Niveau fortgeführt und verstetigt werden. Wir fordern deshalb die Bundesregierung auf, unbedingt diese erfolgreichen Förderprogramme fortzuführen. Wir begrüßen auch ausdrücklich die Ankündigung des bayerischen Wirtschaftsministeriums, ein bayerisches Programm für die energetische Gebäudesanierung selbst genutzten Wohneigentums aufzulegen und das CO2-Gebäudesanierungsprogramm des Bundes in Bayern auf 4 Milliarden Euro aufzustocken. Nun müssen den Worten allerdings noch Taten folgen.
BSZ: Die Energieeinsparverordnung (EnEV) 2009 soll nochmals verschärft werden. Ist das in Ihren Augen sinnvoll beziehungsweise was halten Sie von der bevorstehenden EnEV 2012?
Peteranderl: Wir sprechen uns sehr deutlich gegen eine weitere pauschale Verschärfung der EnEV aus. Die Energieeinsparverordnung und deren Vorgängerin, die Wärmeschutzverordnung, waren stets gute Instrumente, um die Energieeffizienz der Gebäude zu erhöhen. Eine weitere Erhöhung des Effizienzstandards von Gebäuden durch eine Verschärfung der Energieeinsparverordnung hält das Baugewerbe im Hinblick auf eine wirtschaftlich vertretbare und ausgewogene Gesamtbetrachtung aber für problematisch. BSZ: Warum halten Sie das für problematisch?
Peteranderl: Dabei müssen der Neubaubereich und der Gebäudebestand unterschiedlich bewertet werden. Im Neubau halten wir eine moderate Erhöhung des Effizienzstandards für möglich. Wenn im Neubaubereich allerdings ab 2020 der Passivhausstandard eingeführt werden soll, halten wir einerseits dessen Förderung für unabdingbar. Andererseits ist die Öffentlichkeitsarbeit zu verstärken. Denn noch bestehen viele Vorbehalte von privaten Bauherren gegenüber Passivhäusern. BSZ: Wie sieht es im Gebäudebestand aus?
Peteranderl: Im Gebäudebestand wirkt sich die Energieeinsparverordnung EnEV 2009 bereits heute als Investitionshemmnis aus. Eine weitere Verschärfung würde dies verstärken oder zu einer erhöhten Anzahl von Befreiungsanträgen führen. Deshalb sollten für den Gebäudebestand die Energieeffizienzanforderungen nicht weiter verschärft werden. BSZ: Was halten Sie von zusätzlichen Kontroll- beziehungsweise Zertifizierungssystemen?
Peteranderl: Wir wenden uns auch gegen Forderungen nach neuen Kontroll- beziehungsweise Zertifizierungssystemen im Rahmen der EnEV. Die vorhandenen Regelungen sind ausreichend und müssen angewendet werden. Neue Kontroll- und Zertifizierungssysteme würden die administrativen Kosten erhöhen und nicht zur angestrebten Energieeinsparung und CO2-Reduktion beitragen. Gebäudeeigentümer werden hierfür wenig Verständnis aufbringen. Für alle in der Bauwirtschaft Tätigen – das betrifft Architekten, Ingenieure, Bauunternehmen aber auch die Bauverwaltungen – sind regelmäßige Änderungen von grundlegenden Vorschriften im Abstand von drei Jahren unzumutbar. Die EnEV ist ja nur eine von Tausenden von Vorschriften im Bauwesen. Bevor die nächste geänderte EnEV eingeführt wird, sollten die Berechnungsgrundlagen überprüft, ganzheitliche Ansätze der energetischen Betrachtung gefördert, ein tragfähiges Konzept für die zukünftige Energieversorgung aufgestellt und danach die Prioritäten in der energetischen Gebäudesanierung ausgerichtet werden. BSZ: Kastulus Bader, Vorstandsvorsitzender der Unipor-Ziegel-Gruppe, fordert im Zusammenhang mit nicht mehr sanierbaren Bestandsbauten wie bei der Abwrackprämie für Autos eine Abbruchprämie für Altbauten. Wie stehen Sie zu dieser Forderung?
Peteranderl: Uns geht es nicht um die Förderung des Abbruchs von Altbauten, sondern um die Gleichstellung der Förderung energetischer Sanierungen mit dem Ersatzneubau, wenn eine Sanierung aufgrund schlechter Substanz unwirtschaftlich wäre. Wohnungen aus den 1950er bis Anfang der 1970er Jahre sind zu einem großen Teil nicht wirtschaftlich zu sanieren. Dabei handelt es sich allein in den alten Bundesländern um rund 16 Millionen Wohneinheiten, davon etwa 8 Millionen in Mehrfamilienhäusern. Grundriss und Schallschutz dieser Wohnungen entsprechen häufig in keiner Weise den heutigen Anforderungen. BSZ: Was ist demzufolge zu tun?
Peteranderl: Um die anspruchsvollen Energieeffizienzsteigerungen des Energiekonzepts der Bundesregierung umzusetzen, ist der Bestandsersatz als eine Form der Modernisierung oft sinnvoller. Eine aktuelle Studie besagt, dass dies auf 12 Prozent aller betroffenen Einfamilienhäuser und 11 Prozent der Mehrfamilienhäuser zutrifft. Dabei erfasst der Begriff „Bestandsersatz“ den Abriss des alten Gebäudes, den Umzug der betroffenen Mieter und den eigentlichen Ersatzneubau. Bestandsersatz wird bislang aber nicht eigenständig gefördert.
Deshalb sollten nicht nur die Mittel für die Gebäudesanierungsprogramme erhöht und verstetigt werden, sondern die Förderung des Ersatzneubaus mit einbezogen werden. Die Bundesregierung hat sich zur Förderung des Ersatzneubaus in ihrem im Sommer 2010 vorgelegten Energiekonzept ausdrücklich bekannt. Nun sollte sie dies zügig umsetzen.
BSZ: Herr Peteranderl, Sie fordern Kontinuität für den Straßenbau in Bayern. Worum geht es und was wollen Sie erreichen?
Peteranderl: Ich behaupte, jeder, der für den Unterhalt von Straßen verantwortlich ist – sei es bei den Kommunen oder beim Staat –, weiß, dass hier ein sehr großer Investitionsstau herrscht. Und doch wird Straßenerhalt und Straßenneubau nach Kassenlage finanziert. Wir können aber nicht immer auf Konjunktur- und Sonderprogramme hoffen, um die dringendsten Sanierungs- und Neubauarbeiten auszuführen. Um fast 12 Prozent brach im letzten Jahr der Umsatz im Straßenbau in Bayern ein. Ohne die relativ hohen Ausgaben im Staatsstraßenbau und im Bundesfernstraßenbau wäre der Rückgang noch viel stärker ausgefallen. BSZ: Wo waren die Rückgänge am deutlichsten?
Peteranderl: Am deutlichsten waren die Rückgänge bei den kommunalen Straßenbauinvestitionen. Wir sind vor allem im kommunalen Bereich dabei, unsere Verkehrsinfrastruktur kaputt zu sparen. Dabei ist nach den neuesten Statistiken die Finanzkraft der bayerischen Kommunen in den vergangenen Jahren kräftig gestiegen und die Verschuldung je Einwohner ging zurück. Gleichzeitig sank aber die Investitionsquote der Kommunen in diesem Zeitraum um 6 Prozent und das trotz zuletzt stark gestiegener Fördermittel aus den Konjunkturpaketen. Es muss sich bei den verantwortlichen Kommunalpolitikern die Erkenntnis durchsetzen, dass eine Investitionsquote für Bauinvestitionen unter 15 Prozent dazu führt, dass unsere öffentliche Infrastruktur langsam verfällt.
BSZ: Ihre Forderung?
Peteranderl: Bauinvestitionen dürfen nicht nach Kassenlage getätigt werden. Dies geht nicht nur zulasten nachfolgender Generationen, sondern gefährdet hier und heute auch heimische Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft. Es kann und darf nicht sein, dass die öffentliche Hand mit ihren Investivgütern umgeht, als gäbe es kein Morgen. Ausdrücklich positiv möchte ich hervorheben, dass der Bayerische Landtag im April den ursprünglichen Haushaltsansatz für den Bau von Staatsstraßen für das laufende Jahr um 41,5 Millionen Euro und zusätzlich um 25 Millionen Euro zur Beseitigung von Frostschäden auf insgesamt 215 Millionen Euro erhöht hat. Wir hoffen, dass Mittel in dieser Höhe auch in den kommenden Jahren zur Verfügung gestellt werden, denn zwei Drittel der Staatsstraßen überschreiten die Warnwerte und müssen dringend saniert werden. BSZ: Eines Ihrer Anliegen ist auch die Bekämpfung der illegalen Beschäftigung und Schwarzarbeit. Was schwebt Ihnen dabei vor?
Peteranderl: Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung ist und bleibt ein großes Problem am Bau. Die vor Jahren erfolgte Bündelung der Zuständigkeit der Bekämpfung der Schwarzarbeit bei den Zollbehörden hat sich aus unserer Sicht im Grunde bewährt. Allerdings scheitert die effektive Ermittlungstätigkeit des Zolls häufig auch daran, dass auf einer Baustelle für die einzelnen Tätigkeiten höchst unterschiedliche Mindestlöhne gelten.
Allein für das Bauhauptgewerbe gibt es fünf unterschiedliche Mindestlöhne – für den Westen, für den Osten und für Berlin. Die Bandbreite geht hier von 9,50 Euro (Mindestlohn 1 Ost) bis zu 12,95 Euro (Mindestlohn 2 West). Daneben gelten andere Mindestlöhne für andere Gewerke, zum Beispiel für das Elektrohandwerk 9,60 Euro im Westen beziehungsweise 8,40 Euro im Osten, für die Maler 9,50 Euro (Mindestlohn 1) beziehungsweise 11,50 Euro (Mindestlohn 2) oder für das Dachdeckerhandwerk 10,80 Euro. Wie soll da eine effektive Kontrolle stattfinden? BSZ: Wie ist dies alles in den Griff zu bekommen?
Peteranderl: Um dies in den Griff zu bekommen, streben wir einen einheitlichen Mindestlohn auf der Baustelle an, zum Beispiel in Höhe von 10,50 Euro für alle Gewerke. Hier sind die Tarifvertragsparteien gefordert. Wir am Bau versuchen hier seit Jahren das tarifpolitisch Mögliche durchzusetzen. In der diesjährigen Tarifrunde ist uns ein wichtiger Schritt gelungen: Die Differenz des Mindestlohns 1 im Osten zum Mindestlohn 1 im Westen schrumpft bis 2013 auf nur noch 0,80 Euro (10,25 zu 11,05 Euro). 2008 hatte die Differenz noch 1,70 Euro betragen. Von einem einheitlichen, für alle Gewerke verbindlichen „Mindestlohn der Baustelle“ sind wir aber leider noch weit entfernt.
Wir fordern deshalb die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt auf, sich als Tarifpartner der Arbeitgeberverbände der Baunebengewerke für einen einheitlichen Mindestlohn auf der Baustelle stark zu machen. Ansonsten muss sie sich den Vorwurf gefallen lassen, dass sie eine bessere Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit verhindert.
Interview: Friedrich H. Hettler

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