Bauen

Die Alte Akademie in der Münchner Fußgängerzone. (Foto: Friedrich H. Hettler)

16.06.2017

Die Altstadt als Freilichtkaufhaus

Das Münchner Forum diskutierte über den Umbau der Alten Akademie

Wird immer mehr öffentlicher Raum kommerzialisiert? Diese Frage bewegt auch das „Münchner Forum“. Der immer dominantere Anspruch der Investoren auf Ausweitung von Handels- und Gewerbeflächen sowie maximale Immobilienverwertung beschädigt zunehmend die Qualität der Innenstadt als Identifikationsort, so der Tenor des Vereins, der es den Bürgern seit 50 Jahren ermöglicht, sich mit ihrem Fachwissen und ihrer Kompetenz ehrenamtlich für die Belange ihrer Stadt zu engagieren. Das Diskussionsforum für Entwicklungsfragen hat jüngst zu einem öffentlichen Podiumsgespräch in das Stadtmuseum eingeladen. Unter der Überschrift Alte Akademie: Kommerzialisierung von öffentlichen Raum und Verlust städtischer Identität, diskutierten Experten aus Wissenschaft und Baugewerbe mit dem Publikum. Es geht um „die zweitgrößte Gebäudeanlage der Stadt nach der Residenz“, erklärte der leitende Baudirektor vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung München, Andreas Uhmann, und wies auf die Geschichte des Orts hin, der einst eng mit Religion, Kunst und Wissenschaft verknüpft war: die Alte Akademie, auch „Wilhelminum“ genannt.

„Bayerischer Escorial“

Die einstige Kaderschmiede Jesuitenkolleg ist Teil eines Gebäudeensembles, das den urbanen Spaziergänger und Flaneur auf der Einkaufsmeile Neuhauser Straße schon aufgrund seiner Größe zum Verstummen bringt und dessen Bedeutung zur Entstehungszeit mit Bezeichnungen wie „bayerischer Escorial“ und „Wittelsbacher Bollwerk der Gegenreformation“ klar umrissen wird. Denn es waren nicht die Jesuiten, die jenes Klostergeviert neben der St. Michaelskirche errichteten, sondern Wilhelm V., „der Fromme“, der sich samt seiner neuen Residenz, der Maxburg, finanziell verausgabte, sodass er anno 1597 seine Regierungsgeschäfte und damit auch seinen Berg aufgehäufter Schulden vorzeitig an seinen Sohn Maximilian abtrat. Nach dem Einsturz des einzigen Kirchenturms nahm Wilhelm dies als Wink des Himmels, um größer zu bauen. Doch sein Bauwahn trieb den Monarchen in den Bankrott. Er verzichtete zum Schluss sogar auf sein bereits fertig geplantes monumentales Bronzegrabdenkmal und ließ sich ganz bescheiden in der Krypta von St. Michael bestatten. So viel zum historischen Hintergrund der Alten Akademie, die nach der Auflösung des Jesuitenordens 1773 als Akademie der Wissenschaften, Universität, Akademie der bildenden Künste, Archiv, Ministerium, Wilhelms-Gymnasium, Statistisches Landesamt und Kaufhaus fungierte und heute mit Aussicht auf Schließung der Arkaden weitere Ladenflächen in sogenannter Triple A-Situation Begehrlichkeiten des Kommerz geweckt hat. Die Veranstaltung, moderiert von Detlev Sträter, dem 1. Vorsitzenden des Programmausschusses des Münchner Forums, thematisierte das Image der Stadt, die Forderung der Bürgerschaft nach Transparenz, die Frage des Denkmalschutzes, die Erinnerung an den Wiederaufbau sowie Modernisierung, Investitionen, Kommerz, öffentlichen Raum und die harten Fakten. Im Dezember 2013 wurde das im freistaatlichen Besitz und Herzen der Altstadt sich befindliche Bauwerk im Erbbaurecht für 65 Jahre vergeben. Seit 2014 verpachtet die dem Freistaat unterstehende „Immobilien Freistaat Bayern“ dem privaten Investor Signa Unternehmensgruppe die Häuser Nr. 8 und 10 in der Fußgängerzone. Erst nach Abschluss der rechtsverbindlichen Verträge wurde die Stadt München, Trägerin der Planungshoheit, eingebunden. Es folgte ab Dezember 2015 ein vom Investor ausgelobter Realisierungswettbewerb zur Alten Akademie. Im Spagat zwischen den wirtschaftlichen Zielen der Signa Unternehmensgruppe, zu der unter anderem die Luxuskaufhäuser KaDeWe in Berlin, Alsterhaus in Hamburg und Oberpollinger in München gehören sowie den hohen Anforderungen des Orts mit Blick auf Denkmalschutz und angemessen Umgang mit dem historischen Erbe, wurde der erste Preis dem Entwurf von Morger Partner Architekten zuerkannt. Das Basler Architekturbüro entwickelte die hochwertige Immobilie im Geiste der Vorgängerbauten.

Verlust der Arkadenflächen

Stein des Anstoßes in der aktuellen Diskussion ist weder die Umnutzung der Alten Akademie mit Bereichen für Gewerbe, Gastronomie und Luxuswohnungen, noch die geplante Öffnung des Schmuckhofs mit Blick auf die Westseite der Michaelskirche, als vielmehr die Dezimierung der öffentlichen und damit der Stadt zugehörigen Arkadenflächen entlang der Kapellenstraße und der Neuhauser Straße. Bei der Verwirklichung des Siegerentwurfs würde allerdings ein erheblicher Teil, rund zwei Drittel, der gesamten Arkadenflächen dem öffentlichen Raum verloren gehen. Die beim Wiederaufbau nach dem Krieg neu entstandenen, öffentlich zugänglichen, großzügigen Arkadenflächen – als genialer Schachzug des damaligen Architekten Josef Wiedemann zur optischen Verblendung der Ladenflächen – wurden 1957 durch die Festsetzung der Baulinien planungsrechtlich fixiert und dem Staat damals für eine Summe von 240 000 Mark abgekauft. Die im vielfach gelobten Siegerentwurf vorgesehene Schließung des Kopfbaus zur Vergrößerung von Ladenflächen zerstört den wesentlichen Charakter der ursprünglichen Passage und geht auf Kosten des Schutzes des Fußgängers. Grundsätzlich soll nur der Säulengang entlang der Fußgängerzone bis zum Kopfbau erhalten bleiben, aber deutlich in der Breite reduziert werden. Klaus Bäumler vom Münchner Forum und Leiter des Arbeitskreises Öffentliches Grün sieht im Falle einer Genehmigung von Seiten der Stadt einer wie auch immer gearteten Reduzierung von öffentlichen Arkadenflächen der Akademie die Gefahr der Schaffung eines Präzedenzfalls, das die Erhaltung der Arkadenkultur in München erheblich schwächen würde. Maria Auböck verwies auf die „Poesie einer Stadt“, die nicht der Konsumzone geopfert werden darf. „Vielfalt gehört zum Leben einer Stadt für alle Generationen“, sagte die Wiener Architektin und beklagte die Mononutzung sowie die daraus folgende allgemeine Entleerung unserer Städte nach 23 Uhr. „Es fehlt die Vernetzung der Stadt“, sagte sie und vermisste die Flächen für bezahlbares Wohnen, Bildung, Freizeit und öffentliche Räume, wie Arkaden, die nach Meinung von Rolf Monheim „ein Element der Diversität“ sind und als öffentliches Foyer „Glanzpunkte der Identität der Stadt“ sein könnten. Der Professor für Angewandte Stadtgeografie an der Universität Bayreuth will den Blick für eine Reurbanisierung schärfen und erinnerte hier an Münchens vorbildliche Baukultur anlässlich der Olympiade. Im Zeitalter der autogerechten Stadt gab nicht zuletzt die Musterwiederaufbaustadt München mit dem Bau der Fußgängerzone den Startschuss für eine menschengerechte Stadt. Das Auditorium sprach sich solidarisch für den Erhalt der Arkadenflächen aus. Man darf gespannt sein, wie der Kampf um die Arkaden, respektive um jeden Quadratzentimeter öffentlichen Raum oder Ladenfläche ausgeht.
(Angelika Irgens-Defregger) (Die Alte Akademie wurde vor 420 Jahren fertiggestellt - Foto: Friedrich H. Hettler)

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