Bauen

Elisabeth Merk (links) im Gespräch mit Susanne Breit-Keßler. (Foto: Irgens)

19.09.2014

"Die Mitte der Stadt für die Mitte der Gesellschaft"

Architektur und Kirche im Dialog

Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler war jüngst zu Gast bei Elisabeth Merck. In ihrer Gesprächsrunde hatte die Münchner Stadtbaurätin erstmals ins Foyer der Münchner Villa Stuck geladen. Mehrmals pro Jahr bittet Merck eine Persönlichkeit quer aus allen Berufssparten zu sich aufs Podium, um mit ihrem Gast über aktuelle Stadtbauentwicklung jenseits aller fachinternen Belange zu diskutieren.
Um den weiten Blickwinkel der Kirche ging es bei der jüngsten Veranstaltung. Denn Kirche mischt sich gerne ein, wo es um die Schnittstelle zu Politik, Soziales und Architektur geht, wie die Regionalbischöfin von München und Oberbayern betonte. Ihr sei der Beitrag der Kirche für die Stadtkultur sehr wichtig. Sie rühmte die Bedeutung ihrer Institution einmal im Hinblick auf die Hochkultur der Kirchenbaukunst: „Kirchen sind Orte der Ruhe, des sich Wohlfühlens, der Musik und der Kunstausstellungen“, sagte Breit-Keßler und fügte gleichzeitig hinzu: „Das allein ist aber zu wenig – Kirche muss auch zum sozialen Leben etwas beitragen.“ Als Beispiel nannte sie die St. Lukaskirche, deren Ausstellungstätigkeit sowie Armutsarbeitskreis sie hervorhob.
Kennengelernt haben sich die beiden Diskutanten bei einem Architekturwettbewerb. Die Teilnahme an ihrem ersten Architekturwettbewerb überhaupt war für Breit-Keßler, die als Bauherrin des an der Katharina-von-Bora-Straße geplanten Erweiterungsneubaus agiert, eine ganz neue Erfahrung. Hautnah erlebt sie jetzt, wie ihr zukünftiges modernes Bürogebäude, dessen „Schönheit, Funktionalität und theologische Stimmigkeit“ sie lobte, heranwächst. Sie freut sich auf ihren neuen Arbeitsplatz im obersten Stock des „eindrucksvollen Gebäudes“, das „Großstadtkultur“ ausdrückt und dieselbe Künstlerhandschrift wie die der Münchner Synagoge trägt.
Die Stadtbaurätin wies darauf hin, dass man in einer relativ reichen Stadt wie München sehr schnell arm wird. „Familien und ältere Menschen können schon jetzt die wachsenden Mieten nicht mehr bezahlen. Sie werden aus der Mitte an den Rand der Stadt gedrängt“, sagte sie. Die Ursachen dafür sind bekannt: ungebremster Zuzug in die Stadt sowie die Finanzkrise, die dem Run auf Grundstücke und Immobilien Vorschub leistet. Beide teilen die Sorge vor Investoren, die München auf das Mietniveau von London, Paris und New York bringen wollen. Mercks Slogan lautet deshalb: „Die Mitte der Stadt für die Mitte der Gesellschaft.“ Gleichzeitig räumte sie ein, dass sich München vom Wohnungsbau zurückgezogen und bereits in den 1990er Jahren viele ihrer Liegenschaften meistbietend veräußert hat.
Die Verantwortlichen der Stadt hätten bereits reagiert: „Konzeptioneller Mietwohnungsbau“ lautet die neue Devise, die bezahlbares Mietwohnen verspricht, erklärte Merck. Die alte Mischung von 50 Prozent freifinanziertem und 50 Prozent gefördertem Wohnungsbau soll beim neuen Pilotprojekt beibehalten werden. Bei der Vergabe von Grundstücken will die Stadt allerdings neue Wege gehen. Städtische Wohnbauflächen werden zum Verkehrswert vergeben. Damit sollen preistreibende Bieterwettbewerbe künftig vermieden werden. Eine Entwicklung, die auch bei der Bischöfin gut ankommt, wenngleich sie betonte, keinen Sozialneid zu verspüren, wenn Münchner sich luxuriöses Wohnen leisten. Beide waren sich einig, dass Ghettobildung zwischen Alten und Jungen sowie Armen und Reichen verhindert werden muss – ein Ansatz, der bei der Planung des auf der grünen Wiese entstehenden, neuen Stadtviertels von Freiham im Vorfeld berücksichtigt wird, weiß Merck.

Leere Kasernen
als Unterkünfte


Breit-Keßlers Engagement gilt auch für alle Flüchtlinge und Asylbewerber, die eigenen Wohnraum benötigen. „Wir scheuen uns sehr mit Containern zu arbeiten“, sagte Merck. Sie zieht alternativ die vielen leerstehenden Kasernengebäude als Unterkünfte in Erwägung. Beeindruckt hat sie jüngst ein Ausstellungsbesuch in der Oberpfalz, wo sie erfahren hat, wie viel in Zeiten der Not im und nach dem Zweiten Weltkrieg für die vielen damaligen Flüchtlinge getan wurde. Umso mehr erstaunt es sie, dass sich eine Stadt wie München schwer tut, passenden Wohnraum für Asylbewerber zu finden. Sind Grundstücke gefunden, reagiert die Einwohnerschaft nicht immer positiv auf die Errichtung von Notunterkünften in direkter Nachbarschaft.
Die Regionalbischöfin nimmt auch die Ängste der Anwohner vor Flüchtlingen ernst: „Die Emotionalität holt die Menschen ein. Da müssen wir sie abholen, indem man Räume für ein gegenseitiges Kennenlernen schafft.“
Die Frage aus dem Auditorium, ob denn die Kirche aktuell auch Freiflächen für den Wohnungsbau zur Verfügung stellt, verneinte die Bischöfin. Allerdings wird derzeit in einem so genannten Immobilienmanagement der Bestand sämtlicher eigener Immobilien überprüft. Mercks Vorschlag, beim Genossenschaftsmodell der Stadt die Kirche mit ins Boot zu nehmen, wurde von Breit-Keßler mit Wohlwollen aufgenommen.
Auf eine weitere Frage aus dem Publikum, wie der öffentliche Raum aufgewertet werden könnte, brachte Merck das neue Schlagwort vom „urban gardening“ ins Spiel, mit dem Hinweis auf die Aktivitäten von Green City. Die Umweltorganisation führt in Kooperation mit der Landeshauptstadt die Aktion Grünpaten durch. Auf brachliegenden Flächen der Stadt gärtnern engagierte Bürger zusammen mit einem Gärtnerteam. (Angelika Irgens-Defregger)

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