Bauen

Idealisierte Ansicht des Münchener Glaspalasts von der Gartenseite. (Foto: Bayerisches Hauptstaatsarchiv)

24.08.2012

Ein Meisterwerk seiner Zeit

Ausstellung über Glanz und Untergang des Münchener Glaspalasts

Die älteren Einwohner Münchens erinnern sich vielleicht noch an den Glaspalast an der Nordseite des Alten Botanischen Gartens, dort, wo sich heute das Parkcafé befindet – und ganz sicher an sein spektakuläres Ende: Obwohl als unbrennbar bezeichnet, ging im Juni 1931 die Konstruktion aus Glas und Stahl in Flammen auf.
Errichtet wurde der Münchener Glaspalast auf Geheiß des bayerischen Königs Maximilian II., der nach dem Vorbild europäischer Metropolen, in denen große Ausstellungsprojekte bereits verwirklicht worden waren, in München eine Industrieausstellung des Deutschen Zollvereins ins Leben rufen wollte. München besaß aber keinen ausreichend großen Veranstaltungsort und die Zeit bis zur geplanten Eröffnung im Sommer 1854 war knapp.
Ein Neubau in traditioneller Stein- oder Holzbauweise kam also nicht infrage. Daher griff der mit dem Bau des Ausstellungsgebäudes beauftragte Architekt August von Voit auf ein neues, jedoch bereits in München und Umgebung erprobtes Verfahren zurück: eine Konstruktion aus Glas und vorgefertigten Eisenelementen, ganz nach dem Vorbild des Crystal Palace in London, der für die Weltausstellung 1851 errichtet worden war und durch kurze Bauzeit und weite, lichte Räume für die Präsentation der Exponate von sich reden gemacht hatte.
Als Standort wurde das Gelände des Botanischen Gartens bestimmt; zum einen sprach die Nähe zum Bahnhof für diese Lage, zum anderen war geplant, das Glasgebäude nach der Ausstellung in ein Gewächshaus umzuwandeln. Tatsächlich gelang es, nach dem Baubeginn im Herbst 1853 in nur neun Monaten den Glaspalast rechtzeitig fertigzustellen, ein Meisterwerk der Ingenieurskunst mit klarer Formensprache.


37 000 Glastafeln


Das ästhetische Erscheinungsbild von Fassade und Innenraum war bestimmt durch offen erkennbare Funktion und Konstruktion. Das langgestreckte, rechteckige Gebäude war 234 Meter lang, 67 Meter breit sowie 25 Meter hoch und bestand aus einer fünfschiffigen und im Hauptbau zweigeschossigen Halle mit Querschiff in der Mitte und rechteckigen Anbauten an den Enden des Längsschiffs. Für den Bau wurden 37 000 Glastafeln und über 1700 Tonnen vorgefertigte Eisenteile verwendet, auf tragendes Mauerwerk konnte völlig verzichtet werden.
Nach dem Ende der Industrieausstellung, die wegen einer Choleraepidemie in München weit weniger Besucher hatte als erwartet, wurde der frühere Plan, den Glaspalast in ein riesiges Gewächshaus umzufunktionieren, rasch verworfen. Der König wollte, „dass der hübsche Bau (…) München erhalten bleibe“ und als Mehrzweckbau Verwendung fände. So wurde er in den folgenden Jahren überwiegend für internationale Kunstausstellungen und als Veranstaltungsort für Künstlerfeste genutzt. 1882 fand dort die erste elektrisch beleuchtete Internationale Elektrotechnische Ausstellung statt. 1931 wurde eine hochkarätig bestückte Kunstausstellung eröffnet, zu der Werke der bedeutendsten deutschen Romantiker nach München ausgeliehen wurden.


Ungeklärte Brandursache


Wenige Tage nach der Eröffnung, in der Nacht zum 6. Juni 1931, brannte der Glaspalast vollständig ab. Nur noch ein Gerippe über einem rauchenden Trümmerhaufen, geschmolzenes Glas und verbogene Stahlteile waren am Morgen übrig – eine Katastrophe für Architektur- und Kunstfreunde. Die Brandursache konnte nie mit hundertprozentiger Sicherheit festgestellt werden. Die Polizei vermutete eine Selbstentzündung von mit Farbe und Terpentin getränkten Putzlappen. Es sprach viel für diese Annahme, denn es war in diesen Tagen sehr heiß, die Temperaturen im Glaspalast betrugen über 30 °C und es waren leicht brennbare Stoffbahnen als Sonnenschutz angebracht worden.
Offiziell wurde aber Brandstiftung als Ursache ermittelt, eine vielleicht nicht völlig objektive Einschätzung des Landbauamts, denn Brandstiftung durch Dritte befreite den Besitzer des Gebäudes, den bayerischen Staat, von sämtlichen Entschädigungsansprüchen der betroffenen Künstler. Der Brand, bei dem weit über 3000 wichtige Werke der Malerei der deutschen Romantik verloren gingen, rief unter der Münchener Bevölkerung und im gesamten Deutschen Reich tiefe Bestürzung hervor. Eine groß angelegte Spendenaktion, die „Künstlerhilfe“, ließ den geschädigten Künstlern finanzielle Hilfe zukommen.
Schwer wog aber der Verlust eines Gebäudes, das 77 Jahre lang prägender Bestandteil des Münchener Stadtbilds und Symbol des technischen und industriellen Fortschritts war.
Mit der Ausstellung des Bayerischen Hauptstaatsarchivs „Der Münchner Glaspalast (1854-1931) – Glanz und Untergang“ wird der Glaspalast mit Fotos, Plänen und Dokumenten für kurze Zeit wieder zum Leben erweckt und zugleich sein spektakuläres Ende dokumentiert. Die nach dem Brand notwendig gewordene Errichtung eines neuen Ausstellungsgebäudes, das als Haus der Deutschen Kunst am Englischen Garten realisiert wurde, ist ebenso Thema der Ausstellung wie die Neugestaltung des Alten Botanischen Gartens, der bereits damals seine heutige Gestalt bekam.
Die Ausstellung – bearbeitet von Annelie Hopfenmüller und Elisabeth Weinberger – im Hauptstaatsarchiv, Schönfeldstraße 5, in München, ist noch bis 14. September 2012, Montag bis Donnerstag 8.30 bis 18.00 Uhr, Freitag 8.30 bis 13.30 Uhr zu sehen. Der Eintritt ist frei. (Monika Judä)

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