Bauen

Vom Verfall bedroht. (Foto: Bergmann)

14.10.2011

Einstürzende Altbauten

In den Haßbergen verfällt ein bedeutendes Renaissanceschloss

Bayern definiert sich zum guten Teil über sein historisches Erbe, gestützt auf rund 120 000 Baudenkmäler. Manches davon kennt die ganze Welt, sehr viel mehr verfällt still und im Verborgenen. In Rothenburg, das sich sein virtuelles Mittelalter viel kosten lässt und dafür den Welterbestatus anstrebt, konnte eine uralte Mühle im Taubertal langsam zusammensacken und die Stadt sah als Untere Denkmalbehörde dabei tatenlos zu: Das Baudenkmal liegt außerhalb der touristischen Vermarktungszone.
In Bayern sind derzeit gut dreitausend Denkmäler akut von Verfall oder Abriss bedroht, trotz Denkmalschutz. Der Staat spart besonders bei privaten Denkmälern: Binnen 20 Jahren wurden die Zuschüsse beinahe halbiert. Dafür fliesen erhebliche Beträge in lukrative Hochglanzbauten, die als Tourismusziele Geld einspielen: Die Renovierung der Gaststätte in der Würzburger Residenz war dem Freistaat satte 700 000 Euro wert, ein Fassadenlifting für Neuschwanstein gar 3,8 Millionen Euro.
Anders liegen die Dinge, wo der Fremdenverkehr schwächelt, etwa in den Haßbergen. Das Örtchen Gereuth duckt sich so malerisch in eine Senke, dass die Zeit darüber wegstrich. Eine schmale Straße kurvt hinunter und direkt hinein in eine pastorale Barockwelt. Auf der einen Straßenseite das dreigeschossige Landschloss zu drei Flügeln, über dem Portal das Wappen eines Würzburger Fürstbischofs. Gegenüber das „Alte Schloss“ mit herrlicher Arkadenreihe, die Schlosskirche mit dem Pfarrhaus auf einer vorgelagerten, balustergesäumten Terrasse und ein Gasthausbau. Eines der schönsten Ensembles untergegangener Landadelskultur in Bayern.

Dubiose Geschäfte
mit dem ruinösen Denkmal


Für das barocke Schloss begann mit der Säkularisation der Niedergang: Wechselnde Besitzer, verschiedene Nutzungen, generell zulasten der Bausubstanz und der Ausstattung, von der endlich nur noch Reste vorhanden waren. Als zwei Enthusiasten im Jahr 2000 das Schloss kauften, ahnten sie, dass ihnen ein Abenteuer bevorstand. Dass dabei die Probleme der Bausanierung geringer sein würden als die Auseinandersetzung mit den Behörden, damit hätte er nicht gerechnet, erinnert sich Rupert Fechner. Allein die Genehmigung für zwei Hinweisschilder an der Bundesstraße brauchte vier Jahre verhandeln.
Dem Denkmalpflegeamt wiederum ließ sich nicht vermitteln, dass die vorhandenen Finanzmittel begrenzt waren und deshalb allein in die Gebäudesanierung statt in eine teure Bestandsaufnahme und Dokumentation fließen sollten. An Auftritte der Gebietsreferenten „in Gutsherrnmanier“ erinnert sich Rupert Fechner und daran, dass sie zu keinerlei Kompromissen im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten bereit waren. Daraufhin verzichteten die Schlosseigentümer auf Zuschüsse und stemmten die Finanzierung sowie die gesamte Restaurierung im Alleingang. Heute gehört ihr Schloss zu den attraktivsten Sehenswürdigkeiten der Haßberge.
Anders sieht es auf der Straßenseite gegenüber aus. Für das Alte Schloss, ein Renaissancebau von 1580, geriet der Verkauf im Mai 2009 an einen so genannten Adelsverband mit Sitz in Recklinghausen als Trägergesellschaft zum Fiasko. Der Geschäftsführer nutzte das ruinöse Denkmal für dubiose Geschäfte am Rand der Legalität, indem er es über den Verkauf von Anteilen und wertlosen Adelstiteln als Geldquelle anzapfte, ohne ernsthaft etwas in die Sanierung zu stecken. Ähnlich suchte er schon das nahe Schloss Berga in Thüringen zu versilbern. Mittlerweile liegt der Staatsanwaltschaft eine Anzeige wegen Betrugs vor.
Derweil erwarb eine Gesellschaft mit Sitz in einer Villa am Strand von Florida das Gebäude zu einem symbolischen Preis. Damit hat man sich dem Zugriff deutscher Behörden entzogen. Die zwangsweise Anordnung von Erhaltungsmaßnahmen, wie sie das Denkmalschutzgesetz vorsieht, ist nun praktisch unmöglich. Mit einer simplen Recherche im Internet hätten sich Behörden wie Politiker allerdings von vornherein über die unseriösen Machenschaften informieren und rechtzeitig agieren können, statt nun hilflos zu reagieren.
Die Offerte auf der Homepage ist dermaßen dämlich, dass man schon fragen muss, wie man dem Betreiber jemals ein seriöses Bemühen abnehmen konnte. Dass der Bürgermeister von Untermerzbach sogar noch zum gemeinsamen Fototermin antrabte mit einer eigens antransportierten Prinzessin von Hohenzollern, macht schlicht fassungslos.
Erstaunliches erfährt man auch über den behördlichen Umgang mit dem solventen Voreigentümer, der beide Schlösser seit 1991 besaß. Er investierte zu wenig in ihren Unterhalt, weil sein Interesse offenbar nur der dazugehörigen Landwirtschaft und Jagd galt. Trotzdem verpflichtete ihn die Behörde nicht zu Erhaltungsmaßnahmen. Der Unternehmer ist ein wichtiger Arbeitgeber in der Region. Deshalb wollte man ihn keinesfalls verärgern, berichtet ein Informant, der anonym bleiben möchte.
Das herrliche Gebäude verfällt derweil rapide: Das Dach sackt ein, der Dachstuhl drückt die Außenwände weg, Regenwasser dringt bis ins Erdgeschoss. Eine Noteindeckung lehnt das Denkmalpflegeamt ab. Wenn nicht bald etwas geschieht, ist das bedeutende Baudenkmal nicht mehr zu retten. Die Denkmalschützer taxieren eine Sanierung nach ihren Wünschen auf sieben Millionen Euro. Mit derartig überzogenen Vorstellungen dürfte man selbst die wagemutigsten Investoren abschrecken.
(Rudolf Maria Bergmann)

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