Bauen

Panorama der Kerschensteiner Schule. (Foto: Laszlo Maczky)

26.10.2012

Erfrischende Umgestaltung

Sanierung und Erweiterung der Kerschensteiner Schule in Germering

Am Rand des Germeringer Stadtteils Unterpfaffenhofen stellt die Kerschensteiner Schule eines der wenigen öffentlichen Gebäude dar. Eingeklemmt zwischen einem dichtem „Siedlungswald“ in einem Quartier zwischen A 96, Friedhof und Golfplatz hat die Schule eine übergeordnete Bedeutung, zumal viele Sportvereine, Abendkurse und ein Seniorentreff das Gebäude nutzen und beleben. An einem Ort, an dem Straßen von meterhohen blickdichten Thujenhecken gesäumt sind, verkörpert die geringste Aufweitung und Zugänglichkeit zu Gebäuden einen Charakter von öffentlichem Raum.
Die ursprüngliche Architektur der Schule aus den Jahren 1968 und 1969 hat durch das nachträgliche Verdichten im engmaschigen Netz der Reihenhausparzellen und der unkontrollierten Außenraumgestaltung ihre Attraktivität verloren. Die monolithische Sichtbetonbauweise mit der raumgreifenden Gliederung hatte ihre Wirkung in der offenen parkähnlichen Struktur. Dass das Areal in den folgenden Jahren von der Einfamilien- und Reihenhauswelle umspült wurde und auf dem großzügigen Vorfeld der Schule das Förderzentrum des Landkreises gebaut wurde, war damals nicht vorhersehbar und hat letztlich der Architektur den nötigen Raum genommen.

Risse und Abplatzungen


Leider erfuhr das Gebäude kaum eine Wertschätzung. Wahrscheinlich wollte man in den letzen Jahren vor der Sanierung durch eine „verbergende Bepflanzung“ das verwitterte und gealterte Erscheinungsbild verbergen, die Angst vor Graffiti-Angriffen förderten die abweisenden Tendenzen in der Freiraumentwicklung durch Zäune und Abstandshaltergrün – mit dem Effekt, dass die Nahbarkeit der Gebäudes zunehmend verloren ging.
Die Alterungserscheinung der Sichtbetonfassade wurde nicht als reizvolle Patina wahrgenommen, vielmehr entstanden durch Risse und Abplatzungen nennenswerte Schäden, die sogar die Standsicherheit gefährdeten. Nach einer Nutzungsdauer von rund 40 Jahren war auch der Großteil der Ausbauelemente und der technischen Anlagen am Ende ihrer Lebensdauer. Letztlich prägt das äußere Erscheinungsbild auch das Selbstverständnis der Schule und der Menschen, die täglich ein und aus gehen. Eine grundlegende Erneuerung auf allen Ebenen war also dringend notwendig und die Stadt Germering hat sich als Bauherrin dieser millionenschweren Aufgabe angenommen. Mit der Planung betraut war das Büro Köhler Architekten aus Gauting.
Im Hinblick auf die ausstrahlende Wirkung über die Grenzen des Schulgeländes hinaus spielt diese erfrischende Umgestaltung, Sanierung und Erweiterung eine bedeutende Rolle für die Entwicklung des Quartiers. Entwurfsideen und Gestaltmerkmale des Bestands als Zeichen der 1960er Jahre, trotz neuer Anforderungen, in einen neuen und dennoch selbstständigen Ausdruck für das gegenwärtige Bauen zu übersetzen, war wesentliche Motivation bei der Planungsaufgabe. So zeichnet das Fugenbild der neuen wärmenden hinterlüfteten Plattenfassade die Betonierabschnitte und Teilungen der alten Betonfassade nach.
Das Konstruktionsraster von damals wurde auch für den Erweiterungsteil angewandt und zeichnet sich subtil in der Gliederung der Fassade, Galeriegeländer und in den sichtbaren Deckenbalken, auf dem das transluzente Hallendach aufliegt, ab. Obwohl die Fuge zwischen altem und neuem Teil erkennbar und bewusst gestaltet ist, vermittelt sich das Gefühl eines formalen Zusammenhangs gleich eines gemeinsamen Nenners oder einer sprachlichen Richtigkeit.
Parallel zur Baumaßnahme fand der inhaltliche und organisatorische Umbau von der Hauptschule zur Mittelschule statt, was die Absicht des Imagewandels begünstigte. Da die umfassende Betonsanierung auch im Inneren den Rückbau bis auf die tragenden Teile erforderten, war gleichzeitig der gedankliche Freiraum geschaffen, wie sich die Lehrer und Architekten die neue Gestalt und Abläufe vorstellen. Der fehlende Raumbedarf der 19-klassigen Grund- und Hauptschule wurde in einem dreigeschossigen Gebäudeteil untergebracht, der in Nord-Süd-Richtung in den vorhandenen Pausenhof als Bindeglied zwischen den entfernten Baukörpern positioniert wurde. Der Abstand dieses neuen Gebäudetrakts zur alten Fassade wurde überdacht und als neue Pausenhalle und Versammlungsstätte ausgebildet.

Kleineres Neubauvolumen


Durch diese räumliche Anordnung konnte das Neubauvolumen kleiner ausfallen, da die vorhandenen Aula- und Flurflächen durch Umbau in nutzbare Räume umgewandelt werden konnten. Durch diese Raumaufteilung wurde ermöglicht, dass der nördliche Flachbau ausschließlich für die Schülerbetreuung verwendet wird und am Nachmittag von den Schulhauptgebäuden klar getrennt werden kann. Das wiederum spricht für eine klare Organisation im Rahmen des Sicherheitskonzepts der Schule. Hier wurde in Zusammenhang mit der Bedeutung als Ganztagesstätte auch eine Versorgungsküche untergebracht, die aufgrund ihrer Größe auch weitere soziale Einrichtungen mit warmen Gerichten beliefern kann.
Die Herausforderung der Baumaßnahme lag in der Wertschätzung der Substanz als auch darin, sich die positiven Aspekte des architektonischen Erbes bei der Umwandlung zunutze zu machen. Handfeste Nachteile der alten inneren Struktur, wie Belichtung, Raumaufteilung sowie Wege- und Blickbeziehungen konnten größtenteils durch einfache bauliche Eingriffe verbessert werden.
Um eine nachhaltige Nutzbarkeit zu gewährleisten, mussten zunächst die technischen Mängel aus alter Zeit behoben werden. So lag beispielsweise großflächig der Bewehrungsstahl der Rippendecken offen, da bei den Betonbauarbeiten damals nicht sorgfältig vorgegangen wurde. Dass diese statisch wichtigen Teile seit Jahren korrodieren, wurde aufgrund der geschlossenen Unterdecken über einen langen Zeitraum nicht bemerkt. Die Ertüchtigung der Bauweise ging bis ans Knochenmark des Stahlbetonskeletts.
Der „Patient Schulhaus“ wurde also zunächst mit einem hohen finanziellen Aufwand mit lebenserhaltenden Maßnahmen behandelt, um dann auch die sichtbaren Oberflächen lebhaft zu gestalten. Die bestehende Architektur mit der vielgliedrigen Kubatur hat teilweise lange Wege, ein hohes Maß an Oberflächen und damit verbundenen Wärmeverlusten zur Folge. Als wesentlicher Mangel wurde das Fehlen einer Mitte betont, was sich offensichtlich bisher auch auf sozialer Ebene unter Schülern und Lehrern fortgesetzt hat. Seitdem die Kinder mehr Zeit in der Schule verbringen, muss auch das Gebäude mehr leisten als nur die Funktion einer Lehranstalt. Es wird den Kindern immer mehr ein Lebensraum sein und einen wesentlichen Bestandteil ihrer Lebenswirklichkeit darstellen.
Die helle dreigeschossige Pausenhalle ist mit Sitzstufen, einer Bühne, Kiosk, einem angrenzenden Schülercafé ausgestattet und ist als Treffpunkt nicht mehr wegzudenken. Umlaufende Galerien und zwei höhenversetzte Brücken durch den zentralen Hallenraum und auch die Verglasung zum innenliegenden Treppenhaus ergeben interessante Blickbeziehungen und machen den Raum unmittelbar erfahrbar. Dieser neue Gebäudeteil, der die einzelnen Bereiche verknüpft, macht die Schule insgesamt kompakter und wird jetzt zusätzlich zu positiven energetischen Effekten auch dem dichteren städtebaulichem Gefüge gerecht.

Umbau hautnah erleben


Die energetische Ertüchtigung und die Umsetzung des Brandschutzkonzepts waren treibende Faktoren für die Generalsanierung. Die Schadstoffbelastung durch Weichmacher in den Fensterdichtungen machte den Eingriff zusätzlich zwingend notwendig. Da die Baumaßnahme bei laufendem Betrieb über mehrere Bauabschnitte verlief, konnten die Schüler und Lehrer ihren Umbau hautnah beobachten und mitverfolgen. Auch wenn eine solche „Operation am offenen Herzen“ die Schule und den Baubetrieb vor ernsthafte organisatorische Herausforderungen stellte, ergaben sich daraus positive Effekte.
Lärm, Staub, Bauzäune und Zwangspausen verlangten von allen Seiten ein hohes Maß an Rücksichtnahme. So hat diese abenteuerliche Nachbarschaft von Baugrube und Klassenzimmer doch auch eine pädagogische Dimension: Fragen „Wie verändern veränderte Räume mein Befinden?“, „Wie recycling- und wandlungsfähig ist meine Behausung?“ und „Welche Priorität hat für den Staat die Bildung?“ dürfte bei Schülern und Eltern durchaus einen Eindruck hinterlassen haben.
Die Aussage der Schulleitung, dass sich der Umbau als bemerkenswert aggressionsmindernd auswirkt, verstehen die Architekten als Lob.  (Tobias Mattes) (Die Schule bie Nacht; das transluzente Hallendach des Neubaus  und ein Fassadenausschnitt - Fotos: Laszlo Maczky)

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