Bauen

Die neue Deggendorfer Stadthalle. (Foto: Kulturwald)

25.02.2011

Es wurde geklotzt, nicht gekleckert

Stadtplanung in Deggendorf

Die Kassen sind leer, die Kommunen stöhnen unter immer neuen Lasten. Da bleibt wenig Raum für große Zukunftsprojekte. Wenn nicht das Glück ein bisschen nachhilft. Wie zum Beispiel in Deggendorf. Seit 20 Jahren verändert die Stadt ihr Gesicht positiv – und ein Ende ist nicht in Sicht. Der erste große Wurf war die Gründung der Fachhochschule (FH), nun gibt es noch einmal die Chance, das Gesicht der Stadt nachhaltig zu verändern – durch die Landesgartenschau.
Deggendorf liegt ideal an der Kreuzung der Autobahnen A 92 und A 3. Und weil die Autobahn von München in den Bayerischen Wald nicht einfach abrupt an der Donau enden sollte, wurde der vierspurige Highway weiter gebaut – als großartige Stadtumgehung, größtenteils unter der Erde, versteckt unter baumbestandenen „Grünbrücken“. Zehntausende feierten damals diesen politischen Geniestreich des damaligen Oberbürgermeisters Dieter Görlitz. Diese Stadtumgehung hat großteils der Bund bezahlt, die Kommune aber legte Eigenmittel drauf, um die Straße breit weiter zu führen.
Dann kam nach hartem Bewerbungskampf die Fachhochschule mit einem architektonisch höchst anspruchsvollen Neubau; wie ein strenges Kloster, ein griechischer Tempel ist der Baukomplex geschlossen – und prägt ein ganzes Stadtquartier, das früher eher ein „Glasscherbenviertel“ war. Auch die Fachhochschule war für die Stadt nicht teuer, veränderte aber das Lebensgefühl in der niederbayerischen Mini-Metropole. Da wurde geklotzt, nicht gekleckert: Der riesige Stadtplatz, nun vom Durchgangsverkehr entlastet, wurde unterkellert mit einer dreistöckigen Tiefgarage.
Natürlich gab es zunächst viele Proteste, Hausbesitzer fürchteten um die Standsicherheit ihrer Gebäude, Bedenkenträger fanden, die Tiefgarage sei überdimensioniert und überflüssig. Heute, fast 20 Jahre später, erinnert sich kaum noch einer daran. Inzwischen ist eine weitere Tiefgarage in der City entstanden, dazu Parkhäuser rund um den mittelalterlichen Altstadtring. Diesen weitsichtigen Projekten ist es zu verdanken, dass das Leben in der Innenstadt quirlt – auch nachts, wenn die inzwischen 4000 Studenten ausschwärmen.
Ein großer Zukunftswurf wie die Fachhochschule soll auch die Landesgartenschau werden, die 2014 in Deggendorf geplant ist. Und wieder gibt es für großartige Projekte höchste staatliche Zuschüsse, teilweise aus der Städtebauförderung. Und es gibt hochfliegende Pläne, wie die Stadt an ihren Rändern neu gestaltet werden kann.
Deggendorf liegt direkt an der Donau. Und dennoch gab es über Jahrzehnte stadtseitig praktisch keinen Zugang zum Fluss. Die Werft, einer der großen Arbeitgeber in der Stadt, hat das Donauufer über weite Strecken „besetzt“. Wo früher Schiffe vom Stapel liefen, werden heute riesige Reaktoren für alle Welt auf Frachtschiffe verladen. Aber es gibt Lücken, man muss sie nur finden.
Die Stadt will sich zum Fluss hin öffnen: breite Deichgärten sind für die Landesgartenschau geplant, mit Hochbeeten zum Flanieren. Der Clou: Unter diesem breiten Deich entsteht (wieder elegant verborgen) ein Parkhaus mit rund 500 Parkplätzen – ideal gelegen für die benachbarte Hochschule. Noch ein großer Wunsch der Planer geht durch die Landesgartenschau in Erfüllung: eine weitere Brücke über die Donau zu den Stadtteilen auf der anderen Flussseite. Eine Fußgänger- und Radlerbrücke wird das, die sich dicht neben der (gleichfalls neuen) Eisenbahnbrücke über den Strom schwingt.
Schon im Vorfeld der Landesgartenschau sind zahlreiche Projekte angeschoben worden. So zum Beispiel eine zweite Stadthalle gleich neben der bestehenden. Nun können Veranstaltungen mit einigen tausend Besuchern angeboten werden. Die Nachfrage ist enorm. Der große Baukörper entstand ganz in schwarz, aufgelockert durch ein rotes Band und rote Türen. Das macht den Zweckbau elegant. Auch jene Deggendorfer, die sich zunächst vehement gegen einen „schwarzen Klotz“ wehrten, haben sich inzwischen ausgesöhnt. Die Finanzierung war ein Husarenstück der Oberbürgermeisterin Anna Eder: EU-Gelder wurden plötzlich frei. Und schon wedelte sie mit fertigen Plänen und Partnerschaften in Tschechien. So entstand eine Vielzweckhalle für nur sechs Millionen Euro, von denen die Stadt nur die Hälfte zu zahlen brauchte.
Der Bauboom geht weiter. Derzeit entsteht im neuen Hochschulviertel die Erweiterung der FH. Das 30-Millionen-Projekt wurde international ausgeschrieben. Die Architektur des Preisträgers greift das Thema des Hauptkomplexes auf, ergänzt es und lockert die strenge Linienführung zum Fluss hin auf. Freilich wird dieser Erweiterungsbau nicht rechtzeitig fertig für den Ansturm der Studenten aus dem Doppel-Abiturjahrgang 2011.
Kein Problem in Deggendorf, wo man schon immer mit raschen Lösungen auf Abhilfe sinnt. So haben Stadt und Landkreis die kommunale Sparkasse ermuntert, mit ihrer Immobiliengesellschaft in unmittelbarer Nachbarschaft schon mal ein mehrflügeliges Gebäude zu errichten – es ist gedacht für Firmengründungen aus der FH heraus, für Büros und in den kommenden Jahren für den Lehrbetrieb.
Weil die Fachhochschule so großartig funktioniert, gibt es viele Firmengründungen. Ein erstes Technologiezentrum (ITC) ist seit Jahren ausgebucht. Da bot sich ein ITC 2 geradezu an. Auch für die FH ist dieser Neubau ein Glücksfall: Der städtische Schlachthof musste dafür weichen. Er war immer ein seltsamer Fremdkörper im Hochschulviertel.
Mit den öffentlichen Investitionen wurden auch private Investoren angezogen: Ein ganzes neues Stadtviertel ist geplant zwischen Altstadt und Hochschule. Die ersten Geschäftshäuser sind hier schon errichtet, stehen allerdings noch etwas einsam neben einem riesigen Parkplatz, der einmal ein Büro- und Geschäftsquartier werden soll.

Terrassenhäuser
am Stadtrand


Und was ist mit den Wohngebieten? Deggendorf mit seiner reizvollen Lage zwischen Donau und den Ausläufern des Bayerischen Waldes hat nicht gerade viele Baugebiete: Die schönsten Lagen sind geschützt als Naturpark Bayerischer Wald. Wo es möglich ist, klettern an den Hängen am Stadtrand Terrassenhäuser empor. Aber jüngst ist doch wieder ein Coup gelungen: Eine große Wiese mit herrlicher Aussicht, seit 30 Jahren als Baugebiet gedacht, wird nun wirklich bebaut.
Fast hätte „Walters Haarzunge“ diese Pläne vereitelt, denn der Schwammerl im Gras elektrisierte die Naturschützer. Auf der Roten Liste stehe der Pilz und sie wollten alle Pläne blockieren. Der Bauherr, ein privater Unternehmer, strich zunächst 30 Häuser aus seinem Plan. Noch weiter wollte und konnte er aber nicht abspecken. So gab er eine Suchmeldung nach „Walters Haarzunge“ heraus, beschäftigte einen Experten mit der Suche nach dem Schwammerl. Und wirklich: Plötzlich wurden überall die unscheinbaren Schwammerl gefunden. Damit waren das Projekt und seine Rentabilität gesichert: Deggendorf kann weiter wachsen. (Karl Jörg Wohlhüter)

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