Bauen

Werner Weigl, 2. Vizepräsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau. (Foto: Privat)

14.06.2021

Faires Miteinander mehr denn je erforderlich

Kammer-Kolumne: Werner Weigl, 2. Vizepräsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, über Vergabe und Honorar

Die Bauwirtschaft und mit ihr die Planer sind bislang ohne größere Probleme durch die Corona-Krise gekommen. Doch ob dies so bleibt, ist fraglich. Denn die öffentliche Hand, der wichtigste Auftraggeber der planenden Berufe, muss nun sparen, um Corona-bedingte Mehrausgaben in anderen Bereichen zu kompensieren.
Die Konsequenz: Gerade für kleinere, mittlere und junge Unternehmen wird es zunehmend schwierig, Aufträge zu bekommen. Überzogene Referenzanforderungen sind die eine große Hürde, die es zu überwinden gilt. Die zweite Hürde ist der Preiskampf, der sich zuletzt deutlich verschärft hat.

Aktuell zeigt sich, dass gerade bei der Vergabe von Ingenieurleistungen kleine und junge Büros durch übertriebene Referenzanforderungen benachteiligt werden. War es vor Jahren der Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach eines 50 Millionen Euro Krankenhauses, den man vorweisen sollte, so sind es jetzt zum Beispiel Projekte in Holz-Hybrid-Bauweise in bislang kaum ausgeführten Größenordnungen. Dabei wäre es ein Leichtes, die zweifelsohne erforderlichen Kenntnisse auch unabhängig von der Größenordnung des Projekts zu prüfen.

Fragwürdig ist es auch, die Eignung im Teilnahmewettbewerb „in der Gesamtschau aller eingereichten Referenzen“ ohne Beschränkung der Anzahl zu beurteilen. Mehr Referenzen gleich mehr Eignung? Dieser Ansatz darf bezweifelt werden. Er benachteiligt in unangemessener Weise kleinere und mittlere Einheiten und erst recht Start-Ups.

Leitfaden erarbeitet

Als konkreten Vorschlag für faire Verfahrensabläufe und ausgewogene Referenzanforderungen erarbeitete der Ausschuss Vergabe der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau jüngst einen Leitfaden sowie VgV-Bewerbungsbögen für unterschiedliche Fachdisziplinen. Diese sind frei und ohne Gebühr zugänglich für jedermann unter www.bayika.de. In die Entwicklung dieser Handreichungen floss die Expertise von Vertretern der Auftraggeber- und der Bieterseite ein – entsprechend dem Selbstverständnis der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau als „große Kammer“, als Interessensvertretung aller am Bau Beteiligten Ingenieur*innen.

Dem geeignetsten Bieter mit dem wirtschaftlich günstigsten Angebot den Zuschlag zu erteilen, das ist das ureigenste Interesse des Bauherrn. Doch in der Realität spielt in der zweiten Runde des Verhandlungsverfahrens der Preis eine unangemessen hohe Rolle. Im vorherrschenden Wertungsmodell erhält das niedrigste Angebot die meisten Punkte. Angebote, die um die Hälfte bis doppelt so teuer sind, erhalten 0 Punkte, dazwischen wird linear interpoliert.

Seit dem Wegfall der Mindest- und Höchstsätze der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) zu Jahresbeginn spüren viele Ingenieurbüros einen massiven Preisdruck. Die unschöne Folge für alle Beteiligten: Viele erfolgreiche Bieter sehen sich gezwungen, durch Nachtragsforderungen zusätzliches Honorar zu generieren, damit sie überhaupt kostendeckend arbeiten können. Die Auftraggeberseite steckt viel Geld und Zeit in die Abwehr solcher Nachträge und findige Juristen versuchen, alle denkbaren sogenannten besonderen Leistungen bereits im Angebotsstadium abzufangen. Völlig vergessen wird dabei, dass in den meisten Fällen zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe zentrale Punkte der Planungs- und Bauaufgabe noch nicht einmal feststehen, sondern erst noch im Zuge der Planung erarbeitet werden müssen.

Mit dem Ziel, Vergabeverfahren partnerschaftlicher zu gestalten, hat die Bayerische Ingenieurekammer-Bau einen neuen Ansatz entwickelt: das Fair-Price-Modell. Kernpunkt ist die Ermittlung des „optimalen Preises“ als Mittelwert der Honorarschätzung des Auftraggebers und dem Mittelwert der Bieterangebote. Das Angebot, das diesem optimalen Preis am nächsten kommt, erhält die beste Bewertung, je weiter ein Angebot davon entfernt ist, umso weniger Punkte.

Positiver Nebeneffekt: Im Zuge der intensiven Befassung mit der Planungsaufgabe für die Honorarabschätzung tritt die Ingenieurkompetenz im Vergabeverfahren wieder stärker in den Vordergrund. Ein Aspekt, der auch bei anderen Themen wie den Referenzanforderungen hilfreich sein kann.

Diskutieren Sie mit uns über das Fair-Price-Modell und schildern Sie uns Ihre Erfahrungen aus der Vergabepraxis am Mittwoch, den 23. Juni ab 18 Uhr bei unserem kostenfreien Digitalforum „Vergabe – Faire Preise, aber wie?“ Anmeldung unter www.bayika.de.

 

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