Bauen

Die Spuren der Jahrhunderte wurden belassen. (Foto: Bergmann)

22.02.2013

Geschichte und Denkmal pflegen

Die ehemalige Klosterkirche in Birkenfeld wurde instand gesetzt

Unterwegs nach Bad Winds-heim kann man hinter Neustadt an der Aisch den mächtigen Vierkanter im Dorf Birkenfeld nicht übersehen. Das ehemalige Zisterzienserinnenstift gehört zu den wenigen mittelalterlichen Klöstern in Bayern, die ein gewalttätiger Barock nicht überformte, weil es schon während der Reformation aufgelöst wurde. Über die Jahrhunderte erfuhren die Gebäude schwere Schäden und wechselnde Nutzungen. Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde die Kirche aus dem 14. Jahrhundert repariert, dabei eine Trennwand eingezogen: Der östliche Teil erhielt Emporen und ist seither evangelische Pfarrkirche.
Der längere westliche Teil mit einer Nonnenempore über der Unterkirche diente landwirtschaftlichen Zwecken. Dieser eindrucksvolle dreischiffige Raum musste sogar als Kuhstall herhalten. Heute gehört der profanierte Bereich der Stadt Neustadt. Die anderen Klostergebäude des Gevierts mit Seitenlängen von etwa 35 Metern, im Kern ebenfalls mittelalterlich, gehören Privateigentümern und erfuhren teils drastische Umbauten. Das Dormitorium hingegen, heute eine Scheune, bewahrt den überwältigenden Raumeindruck mittelalterlicher Bettelordensarchitektur, wie insgesamt die geschlossene Anlage ein Bild des Klosters aus der Gründungszeit gibt.
Dabei haben sich in den Mauern die Bedrängnisse der Jahrhunderte wie Sorgenfalten in ein vom Alter gegerbten Gesicht eingegraben. Allerdings verlor die heutige Kirche bei den Restaurierungen der 1970er und 1980er Jahre viel historische Substanz, indem verwitternde Schilfsandsteinblöcke der Fassaden durch fehlfarbenes neues Material ersetzt wurden. Mittlerweile entwickelte konservierende Instandsetzungsmaßnahmen erbrachten bei der Restaurierung von Südfassade und Westgiebel in den 1990er Jahren deutlich überzeugendere Resultate.

Schadhafte Steine
wurden nicht ersetzt


Noch bei der Sanierung der Unterkirche und der Nordfassade ab 2008 wurde dabei erstmals nach dem Grundsatz verfahren, alle bauhistorischen Spuren der Jahrhunderte gleichwertig zu behandeln und zu bewahren. In der Unterkirche entfernte man lediglich die Einbauten des 20. Jahrhunderts, um den kreuzrippengewölbten siebenjochigen Raum wieder erlebbar zu machen, ohne schadhafte Steine und fehlende Steinrippen zu ersetzen. Außerdem verzichtete man auf die Rekonstruktion einer einheitlichen Raumfassung, um nicht mit den Alterungsspuren den sichtbaren Gang der Zeitläufte zu übertünchen.
Obwohl der Raum für Veranstaltungen genutzt wird, erhielt er statt aufwändiger technischer Installationen, die ohne Eingriffe in die Substanz nicht möglich wären, lediglich einen Stampflehmboden und winddichte Fensterverschlüsse. Mittlerweile zeigt sich, dass auch so einfache Maßnahmen ein stabiles Raumklima gewährleisten. Einher ging damit allerdings der Entschluss der Stadt Neustadt als Eigentümerin, auf eine intensive Nutzung der großartigen gotischen Halle zu verzichten. Für eine neoliberale Gesellschaft, in der noch das unscheinbarste Baudenkmal „in Wert gesetzt“ werden und „sich rechnen“ soll, ist das eine kluge und vorausschauende Entscheidung, weil sie auch nachfolgende Generationen einschließt.
Das passt auch gut zu einer Sanierung, die der ganzen Geschichte des Denkmals Respekt zollt. Üblicherweise diagnostizieren Bauforscher ja penibel möglichst alle „Veränderungsphasen“ eines Gebäudes auf der Suche nach der vermeintlich ursprünglichen äußeren und inneren Gestalt und originaler Bausubstanz. Selten ist dabei aber das postulierte Original wirklich dingfest zu machen. Dann stellt sich bei der „denkmalgerechten“ Sanierung die Frage, an welchem Punkt man die Zäsur setzt und die Geschichte des Baudenkmals einfriert. Damit wird zwar ein Teil der Historie konserviert, anderes aus der Biografie geht aber verloren.
Für eine einheitliche Raumfassung werden schließlich verlorene Oberflächen rekonstruiert, deren Makellosigkeit dann die Auffrischung gealterter Partien nach sich zieht, um Dissonanzen im Gesamteindruck zu vermeiden. Schließlich erlebt man alterslose Räume, die ähnlich gekünstelt wirken wie geliftete Körper. Im Aischgrund ist dagegen endlich einmal ein Baudenkmal zu besichtigen, das nach der Sanierung nicht aussieht wie sein eigener Klon. Gerade durch das Belassen der Spuren aus allen Jahrhunderten wirkt die Architektur so nahbar und aufrichtig.
Zu dieser ästhetischen Qualität trägt auch bei, dass man eine zerstörte Spindeltreppe an der Südfassade nicht in alten Formen reproduzierte, sondern an derselben Stelle 2011 als modernen Neubau errichtete, der den historischen Bestand nur an wenigen Punkten berührt. Das Neue als neu und das Alte als alt nebeneinander zu zeigen, ist ein Credo der Moderne, das man so bislang von der Denkmalpflege nicht erwartete.
Der kürzlich verstorbene Architekt Karljosef Schattner erzählte oft von den erbitterten Auseinandersetzungen, die er deswegen als Eichstätter Diözesanbaumeister über Jahrzehnte mit Denkmalpflegern führte. Trotzdem schrieb er Architekturgeschichte mit dem Umbau eines barocken Domherrnhofs zur Universitätsbibliothek, wo er mehrere historische Raumfassungen als ironischen Kommentar auf eine Wand projizierte, weil sich die Denkmalschützer auf keine Fassung einigen konnten.
Wenn der für die Sanierung in Birkenfeld zuständige Denkmalpfleger Thomas Wenderoth in einem Artikel schreibt, dass diese Instandsetzungen „in vielerlei Hinsicht [...] zu den wichtigsten und erfolgreichsten Denkmalinstandsetzungen der letzten Jahrzehnte in Bayern zählen“, wünschte man sich, dass generell Bewegung in die oftmals verhärteten Fronten kommt, obwohl das Landesamt für Denkmalpflege sich beeilt, zu betonen, dass das Vorgehen in Birkenfeld „keinen Paradigmenwechsel“ darstellt.  (Rudolf Maria Bergmann) (Bei der Unterkirche verzichtete man auf aufwändige Technik - Foto: Bergmann)

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