Bauen

Die Uni Eichstätt, ein Frühwerk Schattners in Zusammenarbeit mit Josef Elfinger. Das Betonskelett ist mit Jurabruchsteinen ausgefacht. (Foto: Bergmann)

27.04.2012

Gratwanderer in der Provinz

Zum Tod des Architekten Karljosef Schattner

Es gibt einen Spielfilm, eine dieser Nachkriegsschnulzen, gedreht in Eichstätt, als dort Karljosef Schattner im Jahr 1957 gerade den Aufbau des Diözesanbauamts begann. Die Stadt im Altmühltal bot das gewünschte heile Ambiente, weil sie den Krieg unbeschadet überstanden hatte. Gleichwohl zeigt der Film die Blessuren baulichen Niedergangs, der mit der Säkularisation begonnen hatte. Als der Architekt antrat, war die barocke Bischofsstadt zum Jurakaff verwittert. Damit stand sein Aufgabenfeld fest: Bauen im historischen Bestand. Deshalb nannte er später Hans Döllgast seinen wichtigsten Lehrer beim Studium in München und dessen Umgang mit demolierter Bausubstanz sein „Grundgesetz“.
Die Gründung der kirchlichen Hochschule in Eichstätt nutzte er, um historische Gebäude durch Umwidmung zu retten, die – sogar seitens der Denkmalpflege – zum Abbruch freigegeben waren. Es war diese Auseinandersetzung mit historischer Bausubstanz, in der er seine Handschrift fand und zur Hochform auflief. Carlo Scarpa war ihm dabei der zweite wichtige Impulsgeber.
Karljosef Schattner präparierte Jahresringe und Stilschichten heraus und baute den Bestand modern in seiner Sprache weiter. Akribisch dabei seine Trennung der Zeiten, penibel ablesbar die Umstände, die zur Veränderung führten, deutlich erkennbar der Wandel in der Nutzung. Das Alte als alt und das Neue als neu darzustellen, bedeutete einen unerhörten Bruch mit den Sehgewohnheiten für naive Historisten, für Denkmalpfleger und mehr noch für gläubige Modernisten.
Was damals blankes Entsetzen hervorrief, ist heute selbstverständlich. Der Ausbau eines alten Stadtpalais zum Fachbereichsgebäude mit dem Bibliothekslesesaal im ursprünglich offenen Innenhof, das zum Universitätsinstitut verwandelte barocke Waisenhaus sind heute Klassiker. Aus dem beeindruckenden Werkverzeichnis muss man aber ein Hauptwerk schon wieder streichen, mit dem er international bekannt wurde: Sein Umbau von Räumen der maroden Willibaldsburg über der Stadt zum Juramuseum, ausgezeichnet 1977 mit einem BDA-Preis, fiel jüngst einer Umgestaltung zum Opfer. Das traf einen nochmals schwer, der während seiner Tätigkeit, die immer auf Eichstätt beschränkt blieb, ohnehin viel einstecken musste.
Als der protestantische Magdeburger in die erzkatholische Kleinstadt wechselte, verfolgte ihn jahrelang Kollegenspott, bis er international Anerkennung fand und renommierte Preise gewann. Obwohl er Eichstätt in die Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts einschrieb, wurde er dort vom wütend attackierten Stadterneuerer zum beklatschten Everybody’s Darling erst im hohen Alter. Als sich der Stadtrat endlich zur Verleihung der Ehrenbürgerwürde durchringen konnte, hatte er die Achtzig bereits überschritten. Darüber hinaus nimmt man seine Bauten nur so weit zur Kenntnis, als sich daraus touristisches Kapital schlagen lässt.
Doch bequem ist seine Architektur nicht geworden; sie hat nichts von ihrer provokanten Modernität verloren, von der verstörenden Klarheit, die nur bedeutende Werke auszeichnet. Zum Kern solcher Kunsterfahrung gehört ja, dass wir uns danach mehr vorstellen können als vorher. Das muss freilich nicht zwingend der Fall sein: Eichstätt führt seit geraumer Zeit vor, dass es sich auch bauen lässt, wenn man Schattners Kunst nicht einmal ansatzweise versteht. Dabei hatte er seiner Stadt nicht allein die Verwirklichung einer städtebaulichen Vision geliefert. Die räumliche Integration der Universität in die Stadt verstand er auch als intellektuelle Herausforderung an sie. Damit ist er gescheitert, denn das Niveau einer Universitätsstadt will sich bis heute nicht einstellen und Entwicklungschancen wurden vertan. Im Vergleich mit Bamberg, Regensburg, Amberg oder Weiden wird das überdeutlich.
Um so bedeutender ist Karljosef Schattners Leistung, weil es ihm gegen alle Hemmnisse provinzieller Engstirnigkeit gelang, ein Bauen zu verwirklichen, das modern und nicht modisch, identitätsstiftend und nicht beliebig ist. Nur das bleibt. Am 10. April ist Karljosef Schattner im Alter von 87 Jahren gestorben.
(Rudolf Maria Bergmann)

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