Bauen

Die Predigtstuhlbahn in Bad Reichenhall. (Foto: Predigtstuhl GmbH)

18.09.2020

Herausragende Ingenieurleistungen

Sechs Baudenkmäler sind im Rahmen des Bayerischen Denkmalpflegepreises 2020 ausgezeichnet worden

Sechs bayerische Baudenkmäler und ihre Bauherren haben Bayerns Bauministerin Kerstin Schreyer (CSU) und der Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, Norbert Gebbeken, gestern Abend, mit dem Bayerischen Denkmalpflegepreis 2020 ausgezeichnet. Fünf Gewinner kommen aus Schwaben, einer aus Oberbayern.

Die Bayerische Ingenieurekammer-Bau vergibt den Preis bereits zum siebten Mal gemeinsam mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. 45 Bauwerke aus ganz Bayern wurden der Jury unter dem Vorsitz von Klaus-Jürgen Edelhäuser, Vorstandsmitglied der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, zur Prüfung vorgelegt. In den beiden Kategorien öffentliche und private Bauwerke wurde je einmal Gold, Silber und Bronze vergeben.

Ein besonderes Augenmerk bei der Vergabe des Preises gilt den herausragenden Leistungen der Ingenieure, die maßgeblich zum Erfolg der Instandsetzungen beigetragen haben. Bauministerin Schreyer sagte: „Bayern ist reich an kulturellem Erbe. Unsere Aufgabe ist es, dieses Erbe zu erhalten und zu pflegen. Mit dem Bayerischen Denkmalpflegepreis leistet die Bayerische Ingenieurkammer-Bau in Partnerschaft mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege einen bedeutenden Beitrag dazu!“

Hohe Beteiligung

Auch Gebbeken freute sich und erklärte: „Obwohl der Bewerbungsschluss für den Bayerischen Denkmalpflegepreis 2020 mitten in der Corona-Krise lag, hatten wir eine hohe Beteiligung. In diesen schwierigen Zeiten ist die Baubranche eine wichtige Stütze der deutschen Wirtschaft. Identitätsstiftende Kulturgüter und deren historische Bausubstanz durch ausgefeilte Ingenieurtechnik zu erhalten, ist gerade jetzt ein sehr wichtiger Beitrag, um den Menschen ein Stück Normalität zu geben“.

Für die Gewinner der Kategorie „Private Bauwerke“ stellt die Bayerische Ingenieurekammer-Bau zusätzlich zur Auszeichnung ein Preisgeld von insgesamt 10 000 Euro bereit. „Für private Bauherren ist es eine besondere Herausforderung, ein Denkmal zu sanieren. Diesen Einsatz möchten wir mit dem Preisgeld ausdrücklich würdigen“, betonte Gebbeken. Und Mathias Pfeil, Generalkonservator des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege ergänzte: „Mit Unterstützung durch qualifizierte Ingenieure und Architekten, mit dem fachlichen Rat der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege und den Genehmigungsbehörden ist im Dialog zwischen allen Beteiligten diese Herausforderung zu meistern.“

Die Gewinner im Überblick:

Öffentliche Bauwerke: Gold ging an die Burgkirche Oberwittelsbach, Aichach (Schwaben). In der Jurybegründung heißt es dazu: Die Burgkirche Oberwittelsbach liegt auf dem Gelände der ehemaligen Stammburg der Wittelsbacher und erhebt sich auf Fundamenten und Mauerresten der 1209 geschleiften Burganlage. Im Gewölbe der Burgkirche wurden gravierende Schäden festgestellt. Das Gewölbe hatte sich abgesenkt und das Mauerwerk war stark beschädigt. Da die Standsicherheit nicht mehr gegeben war, musste das Gewölbe vollständig instand gesetzt werden.

Um die ursprüngliche Bausubstanz soweit wie möglich zu erhalten, wurde das in einem in dieser Form in Deutschland einzigartigen Verfahren, der punktuellen stufenweisen Rückverformung entwickelt. Mithilfe des Einbaus von drei Zugankern, die sich gestalterisch dezent in den Raum einfügen, konnte so das Gewölbe schonend zurückverformt und die ursprüngliche Tragwirkung wiederhergestellt werden. Durch die perfekte Koordination der unterschiedlichen Fachdisziplinen und ein umfangreiches Überwachungskonzept ermöglichte diese behutsame Vorgehensweise den größtmöglichen Erhalt des Originalzustands.

Mit Silber prämiert wurde die Evangelisch-Lutherische Kirche St. Martin in Memmingen (Schwaben). Die Kirche wurde seit dem Jahr 1350 immer wieder umgebaut und erweitert. Die dabei erfolgten Eingriffe in das Tragwerk, wie der Einbau schwerer Mauerwerksgewölbe in den Seitenschiffen und einer deutlich schwereren Konstruktion des Gewölbes, führten laut Jury zu massiven Verformungen und Schäden, sodass das Bauwerk grundlegend statisch instand gesetzt werden musste.

Maßnahmen kaum sichtbar

Die Schadensursachen konnten im Zuge der Voruntersuchungen nur durch einen interdisziplinären Ansatz unter besonderer Berücksichtigung der baugeschichtlichen Umbauten festgestellt werden. Die durchgeführten statischen Maßnahmen zur Sicherung der Gewölbe des Kircheninnenraums sind nicht sichtbar und lassen auch den Dachraum nahezu unbeeinträchtigt. Die gesamtheitliche Betrachtung von der umfangreichen Voranalyse über die statische Betrachtung als Gesamtmodell mündete in ein besonders wirtschaftliches und denkmalverträgliches Instandsetzungskonzept, so die Jurybegründung.  

Die historische König-Ludwig-Brücke in Kempten (Schwaben) wurde mit Bronze ausgezeichnet. Die zwischen 1847 und 1852 errichtete König-Ludwig-Brücke ist nach dem Urteil des Preisgerichts ein historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst und zeichnet sich durch eine besonders hohe bautechnische Qualität aus. 2015 entschied die Stadt Kempten, die Brücke grundlegend für Fußgänger und Radfahrer zu sanieren. Dazu wurde die Brücke in drei Teilen mit Kränen ausgehoben, behutsam instand gesetzt und anschließend wieder eingesetzt.

Die außerordentlich geschickte Anordnung der neuen Verkleidung aus Lamellen reduziert die einwirkenden Windlasten, heißt es in der Begründung der Jury. Dies wirkt sich nicht nur positiv auf den Witterungsschutz der Brücke aus, sondern macht auch die imposante historische Fachwerk-Tragkonstruktion erkennbar und erlebbar. Durch die Wiederherstellung des baulich-konstruktiven Holzschutzes ergibt sich außerdem eine besonders hohe Dauerhaftigkeit der Konstruktion.

Gold bei den privaten Bauwerken ging an die Predigtstuhlbahn in Bad Reichenhall (Oberbayern). Die 1928 erbaute Predigtstuhlbahn ist die älteste im Original erhaltene Großkabinenseilschwebebahn der Welt. Die steile Seilstrecke von 2400 Metern Länge besteht aus drei Seilbahnstützen mit Höhen zwischen neun und 32 Metern und einer maximalen Seil-Spannweite von fast 1000 Metern.

Betonoberflächen erhalten

Nachdem sich an den drei Stützen massive Schäden abzeichneten, wurde das herausragende Ingenieurbauwerk unter schwierigsten Bedingungen aufgrund seiner geografischen Lage und der Witterung optimal instand gesetzt, hebt das Preisgericht besonders hervor. Da die Sanierungsarbeiten während des laufenden Betriebs durchgeführt werden mussten, erfolgte der Materialtransport ausschließlich über Helikoptertransporte. Die weitestgehende Erhaltung der originalen Betonoberflächen zeichnet die Instandsetzung besonders aus. Durch den Verzicht auf Standardlösungen wurde ein Ergebnis erzielt, das nicht nur als vorbildlich denkmalverträglich bezeichnet werden kann, sondern sogar neue Maßstäbe setzt, heißt es in der Jurybegründung.

Mit Silber wurde die Alte Spinnerei in Kempten ausgezeichnet. Die Begründung des Preisgerichts dazu lautet: Die Alte Spinnerei wurde um 1825 als Lagerhalle errichtet und seither mehrfach umgenutzt, erweitert und instand gesetzt. Um das über viele Jahre brach liegende Industriedenkmal vor dem fortschreitenden Verfall zu retten, wurde es unter Erhalt der einzigartigen Originalsubstanz zu modernen Büro-, Schul- und Arbeitsplätzen umgebaut.

Bei den durch die früheren Nutzungen überbeanspruchten und durch Fäulnis geschädigten Deckentragwerken hatten sich die Stützen um bis zu 30 Zentimeter gesenkt. Durch ein innovatives Rückverformungskonzept wurden diese wieder in die ursprüngliche Lage gebracht und die Nutzlast der Decken erhöht. So konnte nicht nur die Nutzbarkeit des Baudenkmals wiederhergestellt werden, sondern auch rund 4000 Quadratmeter Holzbalkendecken, der Dachstuhl und das Treppenhaus erhalten werden. Durch diese situations- und schadensorientierte Instandsetzung unter Einbeziehung der vorangegangenen älteren Reparaturansätze ist eine äußerst denkmalverträgliche, wirtschaftliche und praxistaugliche Lösung entstanden.

Bronze ging an ein Gebäude in der Lindauer Rainhausgasse. Das Gebäude, kurz Rainhaus genannt, wurde 1586 von Hans Furttenbach errichtet. Der denkmalgeschützte Renaissancebau war in einem bedenklichen statischen Zustand. Die Dach- und Deckenkonstruktionen zeigten erhebliche Fäulnisschäden, die Fußböden waren durch Hausschwamm belastet und das Gebäude hatte sich aufgrund des unzureichenden Fundaments um 20 bis 30 Zentimeter ungleich gesetzt. Da sich die Wände nach außen neigten, kam es zu Rissbildungen.

Für die Instandsetzung wurde nach Ansicht des Preisgerichts ein besonders mutiger Ansatz auf Basis der genauen Kenntnis der Geologie gewählt. Bei den allgemein schwierigen Untergrundverhältnissen mit Seetonschichten wurden teure und risikoreiche Eingriffe in den Baugrund vermieden. Unter dem Gebäude wurde eine 30 Zentimeter dicke, elastisch gebettete Bodenplatte eingezogen und die Fundamentflächen der Außenwände vergrößert, wodurch keine Eingriffe in das tieferliegende Altfundament notwendig wurden. Es handelt sich damit um eine besonders denkmalverträgliche und wirtschaftliche Lösung. (Friedrich H. Hettler)

(Die Burgkirche Oberwittelsbach - Foto: Wolfrum & Roemer GmbH; die Evangelisch-Lutherische Kirche St. Martin in Memmingen und die König-Ludwig-Brücke in Kempten - Fotos: Marx Studios/Eva Bartussek; die Alte Spinnerei in Kempten und das Gebäude Rainhausgasse 20 in Lindau, kurz Rainhaus genannt -  Fotos: Dr. Schuetz Ingenieure)

Kommentare (1)

  1. kinderreich am 18.09.2020
    Ein informativer Artikel. Leider ist auf dem Bild aus Kempten gerade nicht die König-Ludwig-Brücke zu sehen, sondern die alte Spinnerei mit dem modernen Wasserkraftwerk, die sich rund hundert Meter nördlich der besagten Brücke befindet.
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