Bauen

Oliver Fischer.

23.11.2012

"Jetzt handeln"

Kolumne der Ingenieurekammer-Bau: Oliver Fischer, Vorstandsmitglied der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, über ganzheitliches Planen und Bauen.

Nicht nur im Bereich des Bauwesens werden heute ja nahezu selbstverständlich „ganzheitliche“ (oder auch „nachhaltige“) Lösungen erwartet. Beide Begriffe werden vor allem in jüngerer Zeit schon fast inflationär verwendet. Im Gegensatz dazu zeigt jedoch die aktuelle Projektpraxis, dass ein ganzheitlicher Ansatz tatsächlich kaum stattfindet, dieser durch rechtliche, terminliche oder vergabetechnische Randbedingungen oft erschwert wird und man sich der Bedeutung einer ganzheitlichen Optimierung auch selten bewusst ist.
Grundsätzlich ist unter „ganzheitlichem Planen und Bauen“ zu verstehen, dass projektspezifisch eine optimale Gesamtlösung unter Berücksichtigung aller relevanten Gesichtspunkte angestrebt wird, dass also das betrachtete Szenario möglichst umfassend („ganzheitlich“) gewählt wird.

Berücksichtigung des gesamten Lebenszykluses


Das bedeutet, dass neben den unmittelbaren Herstellkosten auch die (direkten und indirekten) Kosten im gesamten Lebenszyklus berücksichtigt werden, dass darüber hinaus weitergehende Aspekte wie Ökologie, Energieeffizienz oder der volkswirtschaftliche Nutzen einbezogen werden, und dass dabei auch Planungs- und Bauprozesse sowie ihre Schnittstellen in die Optimierung eingehen. Derzeit unterliegt die Vergabe von Planungs- und Bauleistungen jedoch im Regelfall nicht einem ganzheitlichen Innovations- und Qualitätswettbewerb, sondern vielmehr einem reinen Preiskampf; die Entscheidungsträger versuchen dabei meist, sich rechtlich abzusichern – getrieben von der Vorstellung, dass sich auch bei der Wahl der „billigsten“ Bieter die Qualität der zu erbringenden Leistung durch umfassende juristische Regelungen und gegebenenfalls eine Zertifizierung der Nachhaltigkeit sicherstellen ließe. Aber dies kann nicht gelingen.
Durch die permanent steigende Komplexität und Zunahme des Regelungsumfangs und der Anzahl technischer Vorschriften bei gleichzeitig immer kürzeren Zeiträumen für Planung und Bau, verschärft sich die Problematik vor allem bei Großprojekten. Die Folge dieser Entwicklung lässt sich an vielen negativen Beispielen beobachten. Diese sind häufig geprägt durch kleinteilige Auftragspakete, deren Schnittstellen sich nicht an sinnvollen Abläufen, sondern an einer Minimierung der Vergabesumme orientieren.
Aufgrund des allgemeinen Zeit- und Kostendrucks leidet zudem die inhaltliche Abstimmung, und die Arbeit der Ingenieure ist mehr durch rechtliche Aspekte und Nachtragsthemen geprägt, statt durch eine fachlich-technische Optimierung. Dies führt vielfach zu deutlich gestiegenen Gesamtkosten, unter anderem aus gestörten Abläufen und verlängerten Bauzeiten, schlechterer Planungs- und Bauqualität, höherem Ressourceneinsatz und letztendlich noch zu zusätzlichen Kosten im Lebenszyklus.
Besonders kritisch wirkt es sich dabei aus, wenn – wie immer häufiger festzustellen – bereits der Entwurf nicht durchdacht und erst später im Zuge der Ausführung unter terminlichen und vertraglichen Zwängen eine realisierbare Lösung zu erarbeiten ist. Von einer ganzheitlichen Optimierung sind wir also vielfach weit entfernt. Neben fatalen Folgen für die einzelnen Projekte gefährden wir dadurch auch unseren Ruf als Ingenieure und es ist mittelfristig mit gravierenden Nachteilen für den Standort Deutschland zu rechnen.
Um tatsächlich zu einem ganzheitlichen Planen und Bauen zu gelangen, muss auf verschiedenen Ebenen ein radikales Umdenken stattfinden; Wir müssen einerseits auf eine neue Form des Miteinander setzen mit konsequent gemeinsamer (= ganzheitlicher) Orientierung am Gesamtprojekterfolg, gegebenenfalls befördert durch neue Anreiz- und Vergütungsmodelle.

Brauchen einen neuen rechtlichen Rahmen


Zudem ist bei allen Beteiligten wieder das erforderliche Gewicht auf die Fachkompetenz zu legen und diese sind frühzeitig in die unterschiedlichen Projektphasen einzubeziehen; vor allem bei komplexen Maßnahmen ist dabei auch die rechtzeitige Einbindung von Ausführungskompetenz wesentlich. Andererseits brauchen wir einen neuen rechtlichen Rahmen, geeignete Bewertungs- und Vergabekriterien sowie klare und zielorientierte Prozesse mit durchgängiger Verantwortung.
Letztendlich erfordert all dies auch einen gesellschaftlichen Wandel – weg von einer kurzfristigen an Einzelinteressen ausgerichteten Orientierung hin zu einem konstruktiven, langfristigen und umfassenden Denken im Sinne der Volkwirtschaft. Nur so sind wir aber in der Lage, unseren Wohlstand dauerhaft zu sichern und die Basis zu schaffen für einen langfristigen Erhalt unserer Lebensgrundlage.

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