Bauen

Haus P in Oberreute bei Oberstaufen. (Foto: Yonder, Katja Knaus)

29.11.2019

"Mama, ist das geil!"

Wie die Stuttgarter Architekten Katja Knaus und Benedikt Bosch die Voralpen verschönern

Schon der Einstieg auf der Website beeindruckt: „Durch die Erforschung von Raum, Material, Konstruktion und deren Zusammenspiel“, heißt es schon auf der Seite 2 des Stuttgarter Büros für Architektur und Design, „schafft Yonder“, so ihr selbstgewählter englischer Name aus feinsten Shakespeare-Zeiten, „Lebensräume, die nicht nur unsere Wahrnehmung von Raum, sondern auch das soziale Miteinander prägen.“

Quod erat demonstrandum. Es zeigt sich sehr schnell, dass sich offensichtlich zwei junge Gestaltungstalente im Jahr 2011 gesucht und gefunden haben müssen. Sie, Katja Knaus, ein „Gewächs“ aus dem Hause Behnisch in Stuttgart, unter anderem in Barcelona Architektur und Design studiert, seit einigen Jahren auch aktive Professorin an der Münchner Akademie der Bildenden Künste, Fachbereich Darstellung und Entwurf. Er, Benedikt Bosch, in Stuttgart und Oregon/USA Architektur und Stadtplanung studiert, mittlerweile an der Hochschule für Technik in Stuttgart mit einer Vertretungsprofessur für Baukonstruktion im Fachgebiet Massivbau betraut. Zwei Spitzenvertreter ihres Fachs mit viel „Biss“.

Schon ein Jahr vor der Gründung ihres gemeinsamen Architekturbüros Yonder (bedeutet auf Deutsch: darüber hinaus) machte Benedikt Bosch auf sich als Projektbeteiligter eines Wochenendhauses (für bis zu acht Personen) auf sich aufmerksam. Es steht auf grüner Wiese oberhalb Krumbachs im österreichischen Vorarlberg. Der Volksmund taufte das Gebäude „Bienenhaus“ und, wie der Name schon suggeriert, es ist nicht nur klar strukturiert wie ein Bienenhaus, sondern lässt auch viel „action“ zu.

Modernes Haus mit traditionellem Charme

Das Untergeschoss ist aus Beton, die darüberliegenden Etagen sind in Holzrahmen-Konstruktion mit Massivholzdecken ausgeführt, um nur ein paar Merkmale zu nennen. Und natürlich, so der Erbauer, wurde auch auf die Nachhaltigkeit und Ehrlichkeit des Konzepts Wert gelegt.

Für den Durchbruch in Sachen Renommee und Anerkennung sorgte dann das Haus P in Oberreute bei Oberstaufen, das bereits 2014 fertiggestellt wurde und nur 25 Autominuten von Lindau entfernt ist. Als Ferienhaus geplant, für eine siebenköpfige Familie aus Hamburg, die ein modernes Haus mit traditionellem Charme haben wollte, wurden hier zwei Jungarchitekten gleich doppelt auf den Prüfstand gestellt: Die Voralpenlandschaft „herein holen“, die Anmutung des Traditionellen bewahren, und dennoch neueste Bautechniken nicht außen vor lassen – an einem Standort mitten im Allgäu, da, wo die Welt noch in Ordnung sein soll und noch glückliche Kühe ihre Milch geben. War das überhaupt zu schaffen?

Architektur situativ nutzbar machen

Beim Bezug des Hauses brachte es dann, dem Vernehmen nach, eines der Kinder, das zum ersten Mal dort war und von der Empore aus in das Hausinnere und dann weiter hinaus ins Gebirge schaute, der Mutter gegenüber auf den Punkt: „Mama, ist das geil!“ Kindermund tut Wahrheit kund, sagt man ja.
Hätte man Lyonel Feininger in den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts danach gefragt, warum sein berühmtes Bild Dom in Halle bis in die Gegenwart hinein so berühmt ist, oder warum der Chinese Ai Weiwei im Jahr 2010 mit seiner Installation aus 9000 Rucksäcken am Haus der Kunst so einzigartig war, hätten die Befragten selber – wie schon der griechische Philosoph Aristoteles – wohl nur bruchstückhaft antworten können: Das Ganze ist immer mehr als die Summe der Einzelteile.

Als geübte Hochschullehrer im Nebenberuf verstanden es Knaus und Bosch jedoch sehr souverän, das Wesentliche ihrer Philosophie zu vermitteln. Ein großes Problem sei, dass – ganz anders als in Holland oder Dänemark – deutsche Architekten meist nur als „Dekorateure“ eingesetzt werden, statt Architektur gesellschaftlich auszudiskutieren. Eine Treppe könne eben auch als Sitzbank benutzt werden, sie sei, so Bosch, „aneignungsoffen“. Ziel sei, generell gesagt, Architektur situativ benutzbar zu machen. Ziel sei auch, so Knaus, über die verwendeten Materialien den Gebäuden eine gewisse „Poesie“ mitzugeben.

„Gemein“, wie Fragesteller manchmal sein können oder auch sein müssen, konnte die Frage nach der Entstehung innovativer Ideen natürlich nicht ausgespart bleiben. Dem Auftraggeber gut zuhören zu können, sich über Architekturmodelle der finalen Umsetzung Schritt für Schritt anzunähern und dem Nutzer/Bauherrn gute Ideenangebote zu machen, sei ein wesentlicher Faktor ihres Erfolgs.

Nach all den vielen bereits gelungenen Projekten (wozu mittlerweile auch Sporthallen in Tuttlingen oder Modernisierungsumbauten der Familie Behnisch in Stuttgart gehören) stellt sich natürlich auch die Frage: Was kommt danach? Da die Zeiten des Klimaschutzes und der CO2-Einsparungen auch nicht an der Industrie vorbeigegangen sind, und das Thema Energieeinsparung hochaktuell ist, ergeben sich auch für Architekten, so Knaus und Bosch einstimmig, ganz neue Betätigungsfelder.

Modernisierungen zum Beispiel, wie die bereits vorhandene „graue“ Energie, die vorwiegend im Betonbestand steckt, nutzen können oder energetische Sanierungen, die auch die Nutzung der Geothermie mit einbeziehen, gingen Hand in Hand und seien – denkt man nur mal an die vielen vernachlässigten Schulen und anderen öffentlichen Bauten – dringender denn je. Sie, vom Architekturbüro Yonder in Stuttgart, fühlten sich dafür gut vorbereitet: „from yonder house“, von dem „Haus dort drüben“, womit nicht nur das Haus B in Stuttgart, das Haus P in Oberreute, sondern auch andere erfolgreich abgeschlossene Bauprojekte gemeint sind.
(Ulrich Probst)

(Katja Knaus und Benedikt Bosch sowie das Haus P, das für die beiden Architekten in Sachen Renommee den Durchbruch brachte - Fotos: Yonder, Katja Knaus)

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