Bauen

Das Musée de la Romanité, entworfen von Elizabeth de Portzamparc. (Foto: Wiegand)

17.08.2018

Neue Bauten für die alten Römer

Architekturspaziergang durch Narbonne und Nîmes

Kaum in Narbonne angekommen gilt der Blick dem Canal de la Robine, haben den doch die Römer, den Fluss Aude nutzend, angelegt. Die Hausboote, die dort ankern, befinden sich also auf einer antiken Wasserstraße und neuerdings auch auf einem UNESCO Welterbe.

Auf der Westseite des Kanals fällt die mehr als hundertjährige Markthalle auf, errichtet mit einer Stahlguss-Tragekonstruktion, die damals europaweit Verwendung fand. Noch immer geht es drinnen lebendig zu, vor allem am Stand Chez Bébelle, wo das Fleisch den Gästen über die Köpfe fliegt. Kaum haben sie gewählt, ruft der Chef per „Flüstertüte“ das Bestellte dem Metzger gegenüber zu. Der wickelt es in Papier und wirft es mit Schwung genau in dessen hoch ausgestreckte Hand. Und nun rauf auf den Grill.

Das 2500 Jahre alte Stadtzentrum erstreckt sich östlich des Kanals. Auf dem Rathausplatz ist man bei Baumaßnahmen in gut ein Meter Tiefe auf die mehr als 2000-jährige Via Domitia gestoßen, die erste Straße, die die Römer durchs damalige Gallien bis zur spanischen Mittelmeerküste bauten. Narbonne, von den Römern 118 v. Chr. gegründet, wurde ihre erste Kolonie außerhalb Italiens. Ein paar Meter gehen nun die eigenen Füße über die klobigen Originalsteine bis zur Wand, auf der der Verlauf der Via Domitia abgebildet ist.

Weitere wenige Schritte sind es von hier zur romanisch-gotischen Kathedrale Saint Just et Saint Pasteur, errichtet von 1272 bis 1340. Das gesamte Bauwerk, errichtet auf engem Raum, ist nur von fern beim Blick über die Dächer zu sehen. Drinnen beeindruckt der 41 Meter hohe gotische Chor, einer der höchsten in Frankreich. Genau genommen ist diese Kathedrale unfertig geblieben, da man für ihre Vollendung ein Stück der Stadtmauer hätte abtragen müssen. Deren Schutz wollte Narbonne jedoch nicht missen.

In einem Gässchen in der Nähe versteckt sich das Horreum, ein im 1. Jahrhundert v. Chr. von den Römern angelegtes labyrinthartiges Lager, bestückt mit einigen Exponaten. Trotz des Plans in der Hand kommt Furcht auf, sich in den unterirdischen Gängen und Nischen zu verirren. Die zahlreichen echt wertvollen Funde aus jener Zeit sind im früheren Erzbischofspalast (Palais des Archevêques) untergebracht und bieten einen Parcours von der Antike bis in christliche Zeiten. Bodenmosaike, farbiges Wanddecor, lebensechte Figuren und Gesichter sind zu sehen.

Alle diese Schätze werden ins „Narbo Via“ umziehen. Anders als der moderne Justizpalast von 2005, geplant von Frédéric Borel, wird dieser Neubau für die alten Römer am Stadteingang errichtet. Das Star-Architektenteam Foster + Partners (die Firma von Norman Foster) baut quasi auf der grünen Wiese. Zwischen Ausfallstraßen und dem Kanal entsteht ein relativ schlichtes, rund 8000 Quadratmeter großes, einstöckiges Gebäude mit einem Beton-Flachdach, passend für 15 000 Exponate. Die Eröffnung ist für 2020 geplant.

Drinnen geht es vor allem um die Präsentation von mehr als 1000 römischen Grabsteinen, die im 19. Jahrhundert in Narbonnes Stadtmauer entdeckt und geborgen wurden. Die einfache und geradlinige Architektur des Gebäudes trägt diesem 2000-jährigen Erbe Rechnung. Ein Bild im Internet zeigt drinnen eine lange Galerie ähnlich einer Regalwand, unterteilt in Boxen, eine für jeden Grabstein. Diese Wand trennt auch den Publikumsbereich von den für die Forschung vorgesehenen Flächen. Selbst die Außenwände des Museums sollen einen Bezug zu den Exponaten herstellen.

Nîmes hat die Nase vorn

Noch steht das im Bau befindliche „Narbo Via“ einsam da, doch das soll sich ändern. Das Umfeld wird in eine Grünanlage verwandelt, inspiriert von den strengen französischen Gärten und römischen Höfen. „Narbo Via“ soll ein kultureller Meilenstein am Stadteingang werden. Außerdem ist ein Amphitheater für Open Air Veranstaltungen geplant. Vor allem soll eine Verbindung zum Kanal geschaffen werden, sodass die Besucher am Wasser entlang in rund 20 Minuten vom Stadtzentrum zum „Narbo Via“ spazieren können.

Nîmes war jedoch deutlich schneller. Am 2. Juni 2018 wurde im Herzen der Stadt das neue „Musée de la Romanité“ eröffnet, ein lichter, fast schwebend wirkender Bau gegenüber dem gewaltigen römischen Amphitheater. Ein Neubau mitten in der Geschichte und gleichzeitig mitten im heutigen Leben, in der Nachbarschaft von Wohnhäusern und Gaststätten.

103 Architekten-Teams hatten sich im 2011 beworben. Die Jury entschied sich für den Entwurf von Elizabeth de Portzamparc und hat damit eine Wahl getroffen, die alle begeistert. Ihr schimmernder, rechteckiger Bau überbrückt in seiner Leichtigkeit gekonnt 21 Jahrhunderte. Nach den Worten der Architektin tritt ihr Museum in einen Dialog mit der antiken Arena, die sie vorher eingehend studiert hat.

Die gewellte Fassade aus transluzentem Glas, die das 10 000 Quadratmeter große „Musée de la Romanité“ mit Platz für 25 000 Ausstellungsstücke ummantelt, soll nach ihren Worten an die schwingenden Togen der Römer erinnern. Ebenso schwungvoll zeigt sich die Doppeltreppe im Eingangsbereich.

Frauen planen anders – auch das beweist das von Elizabeth de Portzamparc konzipierte Gebäude. Ihr Museum besitzt eine Dachterrasse mit Aussicht auf das Amphitheater sowie auf die neu angelegten archäologischen Gärten auf der Gegenseite. Ein weiteres Café plus Restaurant – neben dem im Parterre – fehlt oben ebenfalls nicht.

Vielleicht schauen Frauen auch anders hin. So zu beobachten beim Epitaph von Licinia Flavilla und Sextus Adgenius Macrinus. Das verewigte römische Ehepaar – sie mit Stupsnase und Zöpfen, er als Soldat mit ernster Mine und Kurzhaarschnitt – lohnt das intensive Betrachten.

Sehenswert sind auch die kunstvollen Bodenmosaike, eines davon in einem nachgestellten Zimmer, das die Vorliebe der Römer für starke Farben vermittelt. Von vorrömischen Skulpturen über Grabsteine von Star-Gladiatoren bis zur Romanik und Gotik reichen die abwechslungsreich präsentierten Exponate in diesem nteraktiven, mit modernster Technik ausgestatteten Museum. Draußen schimmert die Fassade je nach Wetter oder Tageszeit ganz unterschiedlich. In der Dunkelheit wird der beleuchtete Bau zum Zauberschloss für das kostbare Kulturerbe.

Antikes überall anzutreffen

Darüber hinaus ist Antikes jedoch in der ganzen Stadt anzutreffen. Teile des im 18. Jahrhundert umgestalteten Parks „Jardins de la Fontaine“ und vor allem der sogenannte Diana-Tempel gelten als vorrömische, noch immer rätselhafte Heiligtümer.

Das Maison Carrée auf dem ehemaligen Forum ist ein einzigartiges Zeugnis und war dem jung verstorbenen Adoptivsöhnen von Kaiser Augustus, Gaius und Lucius, gewidmet. Das 1993 hier von Norman Foster konzipierte moderne Carré d’Art, ein Museum für zeitgenössische Kunst, gleich gegenüber, erweist sich als ein ebenso dialogfähiger Partner wie ein Eiscafé. Erhalten ist auch das Castellum Divisorium, eines der seltenen Wasserschlösschen. Von hier wurde das vom Aquädukt Pont du Gard herbeigeleitete Wasser in der Stadt verteilt.

Das alles lässt sich leicht finden, führt doch eine in Nîmes entdeckte Münze – neu designed von Philippe Starck und eingelassen ins Pflaster – die Architekturfans durch die 2500-jährige Stadt. Geprägt wurde das Original 31 v. Chr. nach dem Sieg der Truppen von Kaiser Augustus über die Ägypter. Die Münze verspottet die Unterlegenen als an eine Palme gefesseltes Nilkrokodil.

Das alte Rom ist also auf Schritt und Tritt allgegenwärtig im lebendigen Nîmes. Nun, nach der Eröffnung des „Musée de la Romanité“, hofft die Stadt auf eine möglichst baldige Aufnahme ins UNESCO-Welterbe. Hoch verdient wäre das. (Ursula Wiegand)

(Die über 100 Jahre alte Markthalle von Narbonne und das im Bau befindliche Narbo Via. Die Kathedrale Saint Just et Saint Pasteur sowie das Palais de Justice - Fotos: Wiegand)


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