Bauen

Das sanierte und erweiterte Sebastianspital in Nürnberg. (Foto: Andrew Phelps)

14.12.2017

Neuer städtebaulicher Akzent

Sanierung und Erweiterung des ehemaligen Sebastianspitals zur Hochschule für Musik Nürnberg

Bett reihte sich an Bett, insgesamt 420 Betten. Aufgestellt in 17 Sälen und 21 Zimmern, oft 20 Betten in einem Raum. Was heute als Zumutung gilt, war vor 100 Jahren eine der größten Errungenschaften des 20. Jahrhunderts: Kommunen übernahmen zunehmend die Aufgaben der Krankenversorgung, Pflege wurde als eine ernstzunehmende Bürgerpflicht verstanden.
In den Jahren 1910 bis 1914 errichtete die Stadt Nürnberg im östlich gelegenen Stadtteil Wöhrd, der damals noch unmittelbar an der Flussaue der Pegnitz lag, eine Reihe von Gebäuden, deren Hauptbau die vierflügelige Anlage des „Neuen“ Sebastianspitals war. Dem damaligen Zeitgeist folgend, gestaltete der Architekt Heinrich Wallraff den Bau im Stil der Neorenaissance – Ausdruck der souveränen Stadtverwaltung. Die Zeit ist über das „Wastl“, wie Nürnberger das Gebäude liebevoll nennen, hinweggegangen. Der Status eines modernen Spitalbaus war auf Dauer nicht zu halten, die Säle wurden zurückgebaut, Teile des Gebäudes von der Stadtverwaltung verwendet. Jetzt steht dem Haus eine vollkommen neue Ära bevor: In Kürze wird die jüngste Musikhochschule Deutschlands, die „Hochschule für Musik Nürnberg“, dort die Räume beziehen. Vom Hochbauamt der Stadt Nürnberg wurde seit 2014 der denkmalgeschützte Komplex saniert, umgebaut und um einen Orchesterprobensaal, der in den Innenhof der vierflügeligen Anlage situiert wurde, erweitert. Das Hochbauamt lenkte die entscheidende Phase des zehnjährigen Planungsprozesses, der 2008 mit der Gründung der Hochschule seinen Anfang nahm. Den neuen Raumplan und das Gestaltungskonzept entwickelte Robert Rechenauer Architekten mit Unterstützung der beauftragten Fachplaner anhand verschiedener Entwurfsszenarien. Das Bauleitungsteam Christopher Bloß koordinierte die rund 85 Gewerke, welche die komplexe Planung in den letzten drei Jahren realisierten.

Musterräume errichtet

Belange des Denkmalschutzes waren dabei ebenso zu berücksichtigen wie die vielen künstlerischen und technischen Anforderungen, welche der moderne Ausbildungsbetrieb an die angehenden Musiker stellt. Der Gestaltung der Raumakustik und Probestätten kam dabei ein besonderer Stellenwert zu. So wurden zu Beginn der Maßnahme eigens Musterräume errichtet, in denen die Künstler die Akustik erproben konnten. 105 Unterrichts- und Übungsräume werden der Hochschule zur Verfügung stehen, die teils in den ehemaligen Bettensälen integriert, teils als Neubauten im Erweiterungsbau im Innenhof realisiert wurden. Eine zentrale Befeuchtungsanlage trägt Sorge, dass die wertvollen Instrumente ein ausgeglichenes Raumklima vorfinden, variable Absorber ermöglichen gewisse Spielräume bei der Akustik. Mit dem Umbau bekam das Gebäude eine neue städtebauliche Ausrichtung. Das Haus wird nicht mehr von Norden, seinem angestammten Eingang an der Veilhofstraße, sondern von Osten, aus der historischen Mitte des Stiftgeländes heraus erschlossen. Dort wurde im Zuge des Umbaus ein neues zweigeschossiges Foyer geschaffen, das die Stadtebene der Veilhofstraße mit der Hofebene des NürnbergStifts verbindet. Zentrale Funktionen wie die ehemalige Stiftskapelle – jetzt Kammermusiksaal, die EMP (Elementare Musikpädagogik), Hochschulbibliothek, Hörsaal oder Cafeteria sind dem Foyer zugeordnet. Dieses ermöglicht Nutzern wie Gästen eine gute Orientierung. In direktem räumlichen Zusammenhang zum Foyer steht der neue Orchesterprobensaal, der dem alteingesessenen Haus einen neuen angemessenen Auftritt als Musikhochschule verleiht. Der Saal stuft sich vom Foyer nach unten – zur Bühne hin – ab, was den Zuschauern einen freien Blick über den Raum und den Studenten ein konzentriertes Arbeiten auf der Bühne ermöglicht. Vorgespannte Träger aus Stahlbeton bestimmen mit den Wänden, die ebenfalls in Sichtbetonbauweise errichtet wurden, die Gestaltung des Raums. Die offene Bauweise der Deckensegel und Bühnentechnik betont den „Werkstattcharakter“ der Nutzung als Orchesterprobensaal. Verstellbare Scherenpodeste und flexible Züge ermöglichen dem Hochschulorchester neben Proben und Auftritten auch Inszenierungen von Musiktheater und Opern.

Freistaat als Eigentümer

Oberlichtgaden begleiten den Blick des Besuchers zur Bühne und lassen ihn beim Betreten die Struktur des alten Denkmals erleben. Das Dach des Saals ist als Terrasse ausgebildet, auf der die Hochschule Open-Air-Konzerte veranstalten wird. Gäste erschließen die Fläche vom Foyer über eine Galerie, die Künstler über eine Treppe aus dem Hof. Bei Veranstaltungen bilden die Flure der angrenzenden Gebäudeteile Zuschauerränge, von denen Kommilitonen und weitere Gäste die Konzerte erleben können.
Wenn im neuen Jahr die Hochschule für Musik aus ihrem Provisorium, dem nahe gelegenen Fritz-Hintermayer-Haus, ins „neue“ Haus zieht, werden dort nicht nur die Lehrenden und Studierenden, sondern auch das Präsidium mit der gesamten Hochschulverwaltung ihre neue, dauerhafte Bleibe finden. Mit dem Umzug beginnt für das ehemalige Sebastianspital nicht nur eine neue Ära in der Nutzung, sondern es geht damit auch ein Wechsel seines Eigentümers einher: Die Stadt Nürnberg investierte rund 40 Millionen Euro und wird nach Fertigstellung das Gebäude dem Freistaat überlassen. Die Kostenbeteiligung des Freistaats Bayern liegt hierbei im Bereich von bis zu drei Millionen Euro, der Zuschuss der Zukunftsstiftung der Sparkasse in Höhe von 1 562 500 Euro. Der Freistaat wird nach der Übernahme nicht nur für den Hochschulbetrieb, sondern auch für den Bauunterhalt die Kosten tragen. Von dem Wechsel können die Nürnberger Bürger nur profitieren: Stehen ihnen doch dann das „Wastl“ für die zukünftigen Veranstaltungen der Hochschule offen. (Robert Rechenauer) (Der Orchesterprobensaal und Blicke ins Innere des Sebastianspitals - Fotos: Andrew Phelps)

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