Bauen

Der Preis für Qualität im Wohnungsbau 2019 ging an das Münchner Büro Goetz Castorph Architekten und Stadtplaner GmbH für das Projekt Neue Gerberau in München-Allach. (Foto: Michael Heinrich)

13.03.2020

Schick und gemütlich

Der „Preis für Qualität im Wohnungsbau 2019“ geht an das Projekt Neue Gerberau in München-Allach

Wohnen ist mehr als ein Dach über dem Kopf. Oder, um es mit den Worten des Philosophen Martin Heidegger zu formulieren: Wohnen erschöpft sich nicht nur im „Innehaben einer Unterkunft“, sondern hat existenzialen Charakter. Die Menschen sollten sich in ihrer Wohnung zu Hause und in ihrem Umfeld „aufgehoben“ fühlen. Das erweckt auf den ersten Blick den Anschein, als sei der Wohnungsbau allein auf individuelle Bedürfnisse ausgerichtet und daher reine Privatsache. Doch das stimmt so nicht, sagt Christine Degenhart, Präsidentin der Bayerischen Architektenkammer: „Architektur ist nämlich immer öffentlich und somit auch der Öffentlichkeit verpflichtet.“ Schließlich prägen Gebäude auch die unmittelbare Nachbarschaft, das Quartier, den ganzen Ort. Sie sieht daher Architekten wie Bauherren in der Pflicht, immer beide Aspekte im Blick zu behalten: zum einen dem Bewohner ein persönliches Heim zu geben, zum anderen den öffentlichen Raum zu gestalten.

„Das erfordert viel Denken, manchmal Mut und stets Kreativität“, sagte sie anlässlich der Verleihung des Preises für Qualität im Wohnungsbau 2019. Mut und Kreativität waren dann auch die ausschlaggebenden Kriterien für die Vergabe des Preises, den die Bayerische Architektenkammer erstmals in Kooperation mit dem Landesverband Bayern des Bundesverbands freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) ausgelobt hatte – für innovative, überwiegend frei finanzierte Wohnungsbauprojekte in Bayern, die in den Jahren 2016 bis 2019 realisiert worden sind.

Mahnende Worte

Bevor jedoch das Geheimnis um die Preisträger gelüftet wurde, richtete sich Degenhart mit einem mahnenden Appell an die versammelten Architekten und Bauherren. Es reiche nicht, dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Ballungsräumen mit Quantität gegenzusteuern. Auch die Qualität dürfe nicht außer Acht gelassen werden. Schließlich würden die Gebäude ihre Umgebung über Jahrzehnte prägen und müssten den vielfältigen Bedürfnissen ihrer Bewohner – Stichwort Barrierefreiheit und Inklusion – entsprechen. Gebäude sollen, so Degenhart, außerdem Antworten auf die sozialen Aspekte des Zusammenlebens geben, darüber hinaus wirtschaftlich, energieeffizient und nachhaltig sein.

Guter Wohnungsbau werde durch Qualität in all diesen Bereichen gekennzeichnet – was mit dem Preis für Qualität im Wohnungsbau honoriert werden soll. Auch Andreas Eisele, Präsident des BFW Bayern, betonte den ganzheitlichen Anspruch des Preises: Die Prämierung impliziere neben der Fassade ebenso die „inneren Werte“, die Wohnqualität. Hohe Kosten und steigende Anforderungen machten es allerdings nicht leicht, allen Ansprüchen gerecht zu werden, so Eisele, der die Politik in der Pflicht sieht: Es seien Maßnahmen erforderlich, die das Bauen beschleunigen und begünstigen, ebenso neue Ansätze in der Baulandausweisung sowie eine verständliche und nachvollziehbare Zukunftsvision zur Schaffung neuen Wohn- und Gewerberaums. Kurz: Eine Politik sei nötig, „die sich klar für Investitionen an richtiger Stelle ausspricht“.

Bauministerin Kerstin Schreyer (CSU) griff in ihrer Rede im Haus der Architektur den Ball auf: „Die soziale Frage der Zukunft wird das Thema Wohnen sein.“ Vor allem in Bezug auf das teure und volle München meinte sie, jeder, der hier wohnen will, solle auch hier wohnen können, unabhängig von Beruf oder Alter. Daher müsse man „bauen, bauen, bauen“, um preisgünstigen Wohnraum zu schaffen. Wie Degenhart und Eisele pochte aber auch sie auf Qualität: „Bauen alleine reicht nicht, wir wollen auch gute Qualität abliefern. Denn Wohnungsbauten prägen das Bild unserer Städte und Dörfer.“

Bauen, bauen, bauen

Da Schreyer nicht nur Chefin des Bauministeriums, sondern im „Nebenberuf“ auch Sozialpädagogin ist, sieht sie nach eigenem Bekunden nicht nur durch die „Baubrille“, sondern auch durch die „sozialpädagogische Brille“ und plädiert dafür, das Wohnen „vom Menschen her“ zu denken. Erste Erfolge seien schon erreicht worden, etwa mit rund 11 000 Wohnungen im Jahr 2019, doch es könnten noch mehr sein, räumte die Ministerin ein. Stellschrauben sieht auch sie bei der Novellierung der Bauordnung und bekannte die Notwendigkeit, Bauanreize zu schaffen – wozu sie unter anderem auch den Preis für Qualität im Wohnungsbau zählt.

Bauen ist aber nicht gleich Bauen. Der Traum der meisten Menschen sei das frei stehende Einfamilienhaus, der aber eher schwer zu realisieren sei, meinte Much Untertrifaller (Dietrich/Untertrifaller Architekten), der die Festrede hielt und zugleich Vorsitzender der siebenköpfigen Jury war. Er breitete die Palette des zukunftsfähigen Wohnungsbaus aus. Nachverdichtung, Umnutzung und Aufwertung seien wichtig. Er forderte aber auch ein Maximum an Flexibilität und vor allem experimentellere Formen des Wohnungsbaus, beispielsweise mit Kommunikations- und Begegnungszonen als Ausgleich für immer kleiner werdende Wohnungen. Auch das ökologische Bauen rücke immer mehr in den Fokus, wobei der derzeitige ökologische Fußabdruck durchaus noch verstärkt werden könne, so der Architekt aus Österreich.

Diesen vielschichtigen Anspruch an den modernen Wohnungsbau hatte auch die Jury bei der Bewertung der eingereichten Projekte zu berücksichtigen. Leicht ist es ihr nach eigenen Angaben nicht gefallen, aus den über 60 Einreichungen, die großteils aus München, aber auch aus Ober- und Niederbayern, der Oberpfalz, Schwaben und Oberfranken kamen, 13 Projekte in die engere Wahl zu nehmen. Sieben Ehrungen, fünf Auszeichnungen (je 1500 Euro Preisgeld) und der mit 7500 Euro dotierte Siegerpreis konnten schließlich unter Tusch und viel Applaus von Schreyer, Degenhart und Eisele vergeben werden.

Der erste Preis für Qualität im Wohnungsbau 2019 ging an das Münchner Büro Goetz Castorph Architekten und Stadtplaner GmbH sowie die Bauherren Demos Wohnbau GmbH und Induwo Wohnbau GmbH. Prämiert wurde damit eine neue Wohnanlage mit rund 150 Eigentumswohnungen auf einem Parkplatz nebst öffentlichem Quartierspark: die Neue Gerberau in München-Allach. (Monika Judä)

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