Bauen

Die Baukosten für die neue Werkhalle beliefen sich auf 10,6 Millionen Euro. (Foto: Ralf Dieter Bischoff, Nürnberg)

05.01.2023

Spezieller Schallschutz fördert Konzentration

Bezirk Mittelfranken: Neue Werkhalle im BBW Hören – Sprache – Lernen in Nürnberg bietet optimale Ausbildung für junge Menschen mit Förderbedarfen

Die klassischen Hobelbänke mit ihren unvermeidbaren Gebrauchsspuren stehen in unmittelbarer Nachbarschaft zu Fräsen, Sägen und anderen Holzbearbeitungsmaschinen. Auf den ersten Blick wirkt die Werkstatt für Holzbe- und -verarbeitung der neuen Werkhalle des Berufsbildungswerks Bezirk Mittelfranken Hören – Sprache – Lernen (BBW HSL) in Nürnberg wie eine klassische Schreinerwerkstatt. Tatsächlich wurde sie mit einigen Besonderheiten auf die speziellen Bedürfnisse von Menschen mit Hörschädigung ausgerichtet. Zusätzlich sind in der Halle Fach- und Förderräume für die Berufsrichtung Farbe/Raum und Reha-Maßnahmen untergebracht.

Die Baukosten für die Werkhalle beliefen sich auf 10,6 Millionen Euro, der Freistaat Bayern beteiligte sich mit einem Zuschuss in Höhe von 926 000 Euro. Davon kamen rund 550 000 Euro aus dem Kommunalen Investitionsprogramm (KIP) für Maßnahmen zur energetischen Sanierung. Die Bauzeit betrug wegen Corona und Lieferengpässen rund zweieinhalb Jahre. Seit Beginn des neuen Schuljahrs können in der rund 2000 Quadratmeter großen Halle bis zu 30 Auszubildende und durchschnittlich 60 Teilnehmende der Berufsvorbereitung ihrer Arbeit nachgehen.

Die bisherigen Räumlichkeiten aus dem Jahr 1979 waren energetisch und anlagentechnisch für einen modernen Ausbildungsbetrieb nicht mehr ausreichend. Die rund 40 Jahre alte Werkstatt entsprach zudem im Schall- und Wärmeschutz nicht mehr den Anforderungen, auch gab es wegen der gestiegenen Zahl von Maschinen Kapazitätsprobleme.

Das Bestandsgebäude wird durch einen langen Mittelflur geteilt, auf der Südseite war die Metalltechnik, auf der Nordseite die Holztechnik untergebracht. Im Zuge der Generalsanierung des BBW HSL erfolgt der Gesamtumbau der Werkhalle abschnittsweise, wobei die Flächen der Funktionsbereiche getauscht wurden. Anstelle eines Ersatzneubaus stand der Nachhaltigkeitsgedanke im Vordergrund. Derzeit sind Abbrucharbeiten im Bereich der alten Metallwerkstatt im Gang. Während der Umbauzeit steht für die Ausbildung Metalltechnik ein Ausweichgebäude als Interimslösung zur Verfügung. 

Nach den Plänen des ausführenden Architekturbüros baum-kappler architekten gmbh wurde die ursprüngliche Tragkonstruktion des Werkstattgebäudes beibehalten. Die Außenfassade wurde vor die Außenwandstützen versetzt und diese so in den „warmen“ Bereich einbezogen. Das führte gleichzeitig zu einer Vergrößerung der nutzbaren Hallenfläche. Die Shed-Oberlichter wurden entfernt, die Dachfläche erhielt eine Trapezblech-Tragschale, außerdem wurde die Gebäudehöhe an den Längsseiten abgesenkt.

Einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz leistet eine extensive Dachbegrünung des Gebäudes. In den höheren Innenzonen entlang des Hauptflurs befinden sich die lärmintensiveren Werkstattbereiche. An den Außenseiten liegen die Unterrichts- und Büroräume sowie Bereiche, in denen mit Kleinmaschinen gearbeitet wird.

Raumhohe Fensterelemente schaffen lichtdurchflutete Arbeitsbereiche mit Bezug zu den gestalteten Außenflächen. Besonderes Augenmerk legten die Architekten auf Maßnahmen wie umfangreiche Absorptionsflächen an Wänden und Decken, welche die Raumakustik verbessern. Da eine Teilunterkellerung des Bestandsgebäudes wegen des Grundwasserpegels zu aufwendig und damit zu kostspielig gewesen wäre, ist die Gebäudetechnik im Obergeschoss zu finden. Wartungsarm und langlebig ist die Fassade, die mit teilgelochten Leichtmetallblechen verkleidet wurde. 

Die neue Werkhalle an der Einrichtung des Bezirks Mittelfranken leistet einen entscheidenden Beitrag, um Auszubildende und Teilnehmende aus der Berufsvorbereitung optimal auf die Berufswelt vorzubereiten. Und die Absolventinnen und Absolventen sind auf dem Arbeitsmarkt gefragt: Rund 75 Prozent gehen nach ihrer Abschlussprüfung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach.

„Wir schaffen Fachkräfte“, sagt Ausbildungsleiter Oliver Klaus stolz. Erleichterungen gibt es für die Teilnehmenden während ihrer dualen Ausbildung zunächst einmal nicht. Sie gehen hinaus auf Baustellen, arbeiten externe Aufträge ab, „wir versuchen möglichst betriebsnah zu agieren“, erklärt Werkstattleiter Martin Köstner. Allerdings werden die Teilnehmenden nicht nur durch die Ausbilder unterstützt, sondern zusätzlich durch einen Fachdienst, in dem unter anderem Sozialpädagogen, Psychologen und Logopäden beschäftigt sind.

Noch vor 25 Jahren absolvierten überwiegend Gehörlose ihre Erstausbildung in der Werkstatt, inzwischen weisen die Teilnehmenden verschiedene, teils multiple Einschränkungen auf, auf die Rücksicht genommen werden kann. Dass die neue Werkhalle in verschiedene Bereiche unterteilt ist und mit einem speziellen Schallschutz ausgestattet wurde, kommt allen Teilnehmenden zugute. „Je mehr Konzentration die Umgebung zulässt, desto besser“, erzählt Martin Köstner aus dem Werkstattalltag.

Von der zusätzlichen optischen Anzeige bei manchen Maschinen profitieren insbesondere die gehörlosen Teilnehmenden. Von weiteren Erleichterungen wie Bildern der enthaltenen Werkzeugarten auf dem Werkzeugschrank wiederum alle Auszubildenden. Bei Bedarf führt ein QR-Code auf den Schranktüren zum Fachgebärdenlexikon, an dem Ausbilder aus sieben Berufsbildungswerken, darunter dem in Nürnberg, mitgearbeitet haben.
Dank der optimalen Bedingungen kommt die Werkhalle als Prüfungswerkstatt für den Innungsbezirk der Schreinerinnung zum Einsatz. Auch überbetriebliche Kurse finden am Standort des BBW HSL statt, darüber hinaus wird die Halle für schulische Zwecke genutzt. Dank der räumlichen Nähe der Berufsrichtungen Holztechnik und Farbe/Raum konnten beim Bau Synergieeffekte genutzt werden, unter anderem entstand ein gemeinsamer Lackierraum. Noch fehlen einzelne Einrichtungsgegenstände etwa in einem der Unterrichtsräume. Dies liege daran, dass sie von den Auszubildenden selbst hergestellt werden, wie Martin Köstner erläutert. Der Werkzeugschrank mit seiner trendigen Holzoptik ist ein gelungenes Beispiel dafür, „wir richten uns selbst ein“.

Das BBW HSL kooperiert mit mehreren Hundert Partnerbetrieben in ganz Mittelfranken und darüber hinaus. Zudem ist es als eines von über 50 Berufsbildungswerken in Deutschland in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Berufsbildungswerke gut vernetzt. Kostenträger der berufsbildenden Angebote ist die Bundesagentur für Arbeit. Die schulischen Angebote werden vom Bezirk Mittelfranken beziehungsweise vom Freistaat Bayern getragen. Das Ausbildungsangebot des BBW HSL umfasst Tätigkeiten in Wirtschaft sowie Verwaltung, Agrar-, Gartenbau- und Hauswirtschaft sowie im Farb-, Textil-, Holz- und Metallgewerbe. (Christine Berger, Barbara-Ann Distler)
 

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