Bauen

Der Neubau der Montessorischule in Neuötting. (Foto: Antje Hanebeck)

13.01.2017

Viel Holz, Licht und Natur

Ein neues Zuhause für die Montessorischule Neuötting

Nicht die Kinder sollen sich der Umgebung anpassen, sondern wir sollen die Umgebung den Kindern anpassen!“ Bemerkenswert an dieser Forderung der Ärztin und Pädagogin Maria Montessori (1870 bis 1952) ist, dass sie als Erste erkannte, welch großen Einfluss die Gestaltung von Räumen und Oberflächen auf die positive Entwicklung von Kindern hat. Ihre bahnbrechenden Errungenschaften im Bereich der Pädagogik machten sie zu einer herausragenden Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts, deren Lehre bis heute Bildungssysteme in der ganzen Welt prägt. Übertragen auf Architektur und Gestaltung kann man die Leistung dieser Zeitgenossin von Le Corbusier und Ludwig Mies van der Rohe wahrscheinlich mit dem Einfluss des Bauhauses auf die Moderne vergleichen. Der ästhetische Ansatz einer kindgerechten, natürlichen und harmonisch gestalteten Umgebung ist auch heute noch eine tragende Säule der Montessori-Pädagogik – ein Ansatz, den sich die Architekten und Innenarchitekten der „Arbeitsgemeinschaft studio lot und MW-Architekten“ sehr zu Herzen genommen und bis ins Detail umgesetzt haben. Vorteil war für die beiden ortsansässigen Büros einerseits die bereits bestehende Ausgewogenheit zwischen Architekten und Innenarchitekten, andererseits die persönliche Bindung zu dieser Unterrichtsform als Eltern von Montessori-Schulkindern. So konnte in enger Zusammenarbeit mit den Lehrern und Mitarbeitern der Schule ein maßgeschneidertes Konzept für das zukünftige Gebäude entwickelt werden. Demokratisch, ökologisch, funktional – an diesem Leitgedanken orientiert sich das neue Zuhause der Montessorischule Neuötting. Der eingeschossige Ring schirmt einen großen Innenhof von der Straße und den umliegenden Wohnhäusern ab. Neben der kindgerechten Maßstäblichkeit ermöglicht der ebenerdige Holzbau vor allem einen gleichberechtigen Zugang aller Klassenzimmer zum großzügigen Innenhof, dem Zentrum und Herzstück der Anlage. Vom privaten Klassenraum gelangt man über den halbprivaten Naturraum des eigenen Klassengartens in den öffentlichen Pausenhof – individuell und doch gemeinschaftsstiftend. Der zugehörige Montessori-Kindergarten grenzt als funktional autarker Baukörper einen eigenen Grünraum im Osten der Schule ab. Das Gebäude besticht sowohl architektonisch mit seinem schlichten und eleganten Baukörper, als auch innenarchitektonisch durch die ausgewogene Material- und Farbgestaltung, das klare Beleuchtungskonzept sowie die liebevoll durchgeplante Möblierung.
Schon beim Betreten der Schule durch die helle und einladende Aula wird man von der warmen Farbigkeit des Holzbaus empfangen und von der klaren Ordnung und dem starken Naturbezug der Anlage begrüßt. Geradeaus gibt die große Glasfront den Blick in den zentralen Innenhof frei, rechter Hand kann man dem Treiben in der tiefer gelegenen Turnhalle folgen, während einem linker Hand vielleicht schon der Essensduft aus dem Schul-Bistro in die Nase steigt. Viel Holz, viel Licht, viel Natur und gekonnt gesetzte Farbakzente bestimmen den ersten Raumeindruck. Die massiven Holzwände aus weiß gekalkter Fichte wechseln sich mit glatten, weißen Wänden aus Gipsfaserplatten, der ökologischen Variante der Gipskartonplatte, ab; als Bodenbelag findet sich neben den großformatigen, hellen Terrazzo-Fliesen überwiegend hellgraues Linoleum und geöltes Industrieparkett. Bei der Auswahl der Materialien und Oberflächen wurde streng darauf geachtet, heimische und ökologische Produkte zu verwenden, die alle Sinne ansprechen. So waren stets auch Geruch und Haptik wichtige Faktoren bei der Zusammenstellung. An den Decken verleihen die schlanken Fichtenbalken dem Gebäude Rhythmus und Eleganz, die dazwischen hängenden Lochdecken sorgen für eine angenehme Akustik. Schlichte, frei angeordnete Langfeldleuchten unterstreichen die Dynamik der Holzbalkendecken sowie langen Flure und nehmen sich doch bewusst zurück. Lediglich in der Aula wurde eigens ein indirekt leuchtendes Raster aus schwarzen Alu-Profilen entworfen an dem schwarz-weiß emaillierte Arbeitsleuchten abhängen und dem Raum damit eine zweite Ebene verleihen.

Quadratische Klassenräume


Folgt man dem Flur links an der Turnhalle vorbei, gelangt man im Osten in den Klassentrakt der Grund- und Abschlussstufe. Alle 14 beinahe quadratischen Klassenzimmer mit je 74 Quadratmetern Grundfläche bieten die von Maria Montessori geforderte schlichte und ästhetische Hülle, in dem die für diese Pädagogik sehr wichtige „vorbereitete Umgebung“ individuell von den Lehrern und Schülern geschaffen werden kann. Der lange Flur entlang der Klassenräume, wird von den farbigen Intensivierungs-Nischen aufgelockert, die mit ihrem Farbkanon von fein aufeinander abgestimmten Rot-, Blau- oder Grün-Tönen, die Flure in eine ganz spezielle Farbstimmung tauchen. Maßgerechte Einbaumöbel aus Fichten-Dreischichtholz und farbigem Schichtstoff wurden in Abstimmung mit den Pädagogen eigens für diese Nischen entwickelt und schaffen mit ihrer geschickten Anordnung zusätzlichen Raum, in dem sich die Kinder frei entfalten können. Im Norden führt der Flur, licht und weit, am Innenhof entlang; in großzügig verglasten Sitznischen finden die Schüler Aufenthaltsbereiche, die sie auch in den Pausen nützen können. Nordöstlich liegen die Klassenräume der Montessori-Oberschule (Gestaltungs-FOS) sowie die Fachräume für Kunst, Werken, Musik und Naturwissenschaften – alles Räume, die vom gleichmäßigen Nordlicht profitieren.
Spiegelbildlich zu den Klassenräumen im Osten finden sich im Westen die Räume der Mittel- und Oberstufe. Auch hier geben die teilüberdachten Klassengärten den Auftakt zur gemeinsamen Pausenhoffläche. Neben der raumbildenden Außenmöblierung fassen graue, transluzente Außenvorhänge aus Monofilament, den erweiterbaren Klassenraum und verleihen dem Innenhof eine wohnliche Note. Der Ringschluss erfolgt im Süden durch den Verwaltungstrakt, von dem aus man wiederum in die Aula gelangt. Neben dem Sekretariat, das als Anlaufpunkt für die Eltern dient, findet man die Schulleitung der drei Schultypen und das großzügige Lehrerzimmer. Auch diese Räume wurden konsequent mit individuell gefertigten Möbeln und der fein abgestimmten Farb- und Materialsprache ausgestattet.
Der zweigruppige Kindergarten als abschließender Baukörper erhält seinen eigenen Außenbereich im Osten des Grundstücks, abgeschirmt von der Straße. Beide Gruppenräume orientieren sich nach Nordosten zum Spielgarten. Sie werden durch einen großzügigen Spielflur, der von einem markanten Einbauschrank mit Spielnischen bestimmt wird, erschlossen und durch die Küche nochmals intern verbunden. Ergänzt um einen Mehrzweck- und einen Werkraum sowie die nötigen Nebenräume, bietet der Kindergarten zukünftig 50 Kindern Platz. Um die 450 Kinder werden also in Zukunft vom Kindergarten bis zum Fachabitur die Möglichkeit haben, ein ganzheitliches Bildungserlebnis im Sinne Maria Montessoris zu durchschreiten, begleitet von einer Umgebung, die ihnen Raum gibt, ihren Weg zu finden. (BSZ) (Blick in den Innenhof; die rote Nische und der Turnhallenflur; ein Klassenzimmer - Fotos: Antje Hanebeck)

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