Bauen

Kammerpräsident Heinrich Schroeter. (Foto: Birgit Gleixner)

14.03.2014

"Wer macht was?"

Ingenieurekammer-Bau Kolumne: Heinrich Schroeter, Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, über den Unterschied zwischen Architekten- und Ingenieursarbeit

Neulich im Restaurant: Die Bedienung serviert ab und baut einen beeindruckenden Turm aus Geschirr, Besteck und Gläsern. Als sie ihn davon trägt, sagt sie: „In meinem nächsten Leben werde ich Architekt; Statik kann ich schon.“ Auf meine Bemerkung, dass Statik eher eine Aufgabe der Ingenieure sei, bemerkt sie: „Dann werde ich eben Ingenieur.“
Was macht also nun ein Architekt und was ein Ingenieur?
In der Bayerischen Bauordnung wird die Person, die federführend im Auftrag des Bauherren sozusagen als Generalmanager für den Bau verantwortlich ist, schlicht „Entwurfsverfasser“ genannt. Seine wichtigste Eigenschaft: Er besitzt die Bauvorlageberechtigung. Und die haben zuerst einmal alle Architekten. Diesen Titel darf nur führen, wer Mitglied der Architektenkammer ist und über die nötigen fachlichen Voraussetzungen für die Bauvorlageberechtigung verfügt. Aber auch ein Ingenieur kann diese Voraussetzungen erfüllen. Es können also sowohl Architekten als auch Ingenieure bauvorlageberechtigt sein.
Noch eine weitere Gemeinsamkeit gibt es: Der Standsicherheitsnachweis, im Volksmund „Statik“ genannt, darf für kleinere Gebäude bis maximal sieben Metern Höhe und viele Bauvorhaben, die keine Gebäude sind, nur von so genannten Nachweisberechtigten für Standsicherheit erstellt werden. Bei diesen Bauvorhaben erfolgt in vielen Fällen keine statische Prüfung nach dem Vier-Augen-Prinzip. Der Aufsteller des Nachweises ist also ganz allein verantwortlich, ohne Absicherung durch einen Prüfingenieur oder Prüfsachverständigen. Auch diese Nachweisberechtigung können sowohl Ingenieure wie Architekten erwerben.
Stellen nun alle Architekten tatsächlich Standsicherheitsnachweise auf? Wohl kaum. Genauso wie Ingenieure mit Bauvorlageberechtigung eher selten als Entwurfsverfasser tätig werden.
Sind Architekten und Ingenieure also schlicht austauschbar?

Unterschiede liegen in
der Ausbildung und Praxis


Das wohl doch eher nicht. Die Unterschiede liegen nicht in den gesetzlichen Regelungen der Tätigkeit, sondern in der Ausbildung und der Praxis. Architekten lernen im Studium das Entwerfen und das Darstellen der Arbeitsergebnisse. Entwerfen bedeutet für den Architekten, aus den Anforderungen des Bauherrn und den verfügbaren Mitteln ein ästhetisch ansprechendes Bauwerk zu machen. Dabei steht die gestalterische Qualität des Entwurfs oft im Vordergrund. Damit darunter nicht die Funktionalität leidet, holt sich der Architekt im allgemeinen Ingenieure verschiedener Fachrichtungen dazu, die dann die Standsicherheit für Bauwerke berechnen oder die haustechnischen Einrichtungen und Anlagen planen.
Ingenieure sind also die Fachleute, was die Umsetzung der architektonischen Wünsche betrifft. Sie lernen im Studium ein Tragwerk nach rationalen Kriterien zu beurteilen: Sinnvoller Kraftverlauf, einfache Baubarkeit, Optimierung von Gewicht und Kosten. Doch Ingenieure tun weit mehr, als nur die Wünsche von Architekten praktisch umzusetzen. Wenn Ingenieure Bauwerke entwerfen, geht es oft um große Ingenieurbauwerke und Infrastrukturprojekte, also zum Beispiel um Straßen, Brücken, Tunnel oder Fabrikgebäude. Hier steht vor allem die Funktionalität und Rationalität im Vordergrund. Damit darunter nicht die Gestaltung leidet, holen sich kluge Ingenieure dann einen Architekten, der den notwendigen Schuss Ästhetik dazu gibt. Aber es gibt natürlich auch viele Ingenieure, die das selbst beherrschen – genau so wie es Architekten gibt, die etwas von Statik verstehen.
Heute bewundern wir die alten Baumeister, von Michelangelo über Balthasar Neumann bis Leo von Klenze. In der heutigen Zeit ist es jedoch nur noch in Ausnahmefällen möglich, dass eine Person all das notwendige Wissen in sich selbst vereinigt, das zu einem zeitgemäßen Bauen notwendig ist. Deswegen ist der beste Entwurf für ein Gebäude immer noch ein Werk, das von Anfang an in der Zusammenarbeit von Architektur, Tragwerksplanung und Gebäudetechnik entstanden ist.
Türme sind übrigens klassische Ingenieurbauwerke. Meiner Bedienung habe ich daher ein Ingenieurstudium empfohlen.

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