Bauen

Prototyp eines Turbinenblatts. (Foto: Joe Subirana, Whalepower Corporation)

25.07.2016

"Zügige und sichere Umsetzung in die Praxis"

OBB-Kolumne: Helmut Schütz, Leiter der Obersten Baubehörde (OBB), über „Baufortschritte durch Bionik – Die Oberste Baubehörde prüft und genehmigt Innovationen“

Was haben eine Bambuspflanze und die Brustflosse eines Buckelwals gemeinsam? Und warum interessieren sich Ingenieure dafür? Die Natur bietet ein unerschöpfliches Reservoir an genialen, oft sehr einfachen Ideen. Was liegt also näher, als sich diese zum Vorbild zu nehmen? Genau dies tut die Bionik. Bionik heißt: Lernen von der Natur für eine innovative Technik. Vor allem die optimale Energie- und Materialausnutzung machen die Bionik im Zeitalter schwindender Ressourcen interessanter denn je. Gelingt es, Vorbilder aus der Natur in die Technik zu übertragen, kann dies einen Effizienzgewinn und Wettbewerbsvorteile bringen. Das wohl bekannteste und vielleicht auch augenfälligste Beispiel für Bionik ist Leonardo da Vincis Idee, den Vogelflug auf Flugmaschinen zu übertragen. Manchmal können auch ganz alltägliche Begebenheiten zu Innovationen führen: Nach einem Waldspaziergang fand der Schweizer Ingenieur de Mestral Kletten im Fell seines Hunds. Und schon war sie geboren, die Idee des Klettverschlusses.
Flugmaschinen und Klettverschlüsse sind Beispiele dafür, dass die Umsetzung von Ideen aus der Natur gar nicht so leicht ist. Eine direkte Kopie führt in der Regel nicht zum Ziel. Vielmehr muss das in der Natur Beobachtete auf vergleichbare Situationen in der Technik übertragen werden. Diese Transferleistung erfolgt in mindestens drei Stufen: erforschen, abstrahieren und umsetzen.

Beitrag zum sicheren
und innovativen Bauen


Die Bionik kommt auch im Bereich des Bauens zum Einsatz. Die Natur kann zur Gestaltung von neuartigen und gleichzeitig nachhaltigen Bauwerken anregen. Die Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr prüft neue Bauprodukte und Bauweisen, genehmigt diese im Rahmen von sogenannten Zustimmungen im Einzelfall und trägt somit maßgeblich zum sicheren und innovativen Bauen bei. Bei der Bionik geht es zunächst darum, die Grundidee in der Natur zu erkennen. Ein Vorbild für viele Anwendungsbereiche in der Bautechnik ist der Knochen eines Wirbeltiers. Betrachtet man den Längsschnitt eines Oberschenkelknochens, sieht man das Geheimnis des knöchernen Leichtbaudesigns. Die Knochen sind weder komplett hohl, noch ganz massiv. Vielmehr wird ihr Inneres aus einem feinen Fachwerk aus knöchernen Streben gebildet. Dem scheinbaren Durcheinander liegt eine Ordnung zugrunde: Dort, wo Kräfte auf den Knochen einwirken, sind Knochenstreben vorhanden. Dort, wo keine Kräfte einwirken, ist der Knochen hohl. Das bedeutet: maximale Stabilität bei minimalem Gewicht. Diese Idee auf die Bautechnik zu übertragen heißt, Tragstrukturen so zu entwerfen, dass mit einem Minimum an geeignetem Material möglichst hohe Belastungen aufgenommen werden können. Umgesetzt wurde diese Grundidee beispielsweise beim Eiffelturm in Paris, wo Stahlträger nach dem gleichen Prinzip angeordnet sind. Der Eiffelturm ist ein Ultra-Leichtbau, der in der damaligen Zeit sicher High-End-Technologie war. Würde man den rund 320 Meter hohen Eiffelturm zu einer massiven Struktur verdichten, wäre er nur wenige Meter hoch. Einem ähnlichen Konstruktionsprinzip folgen Stahlfachwerkbrücken wie die Eisenbahnbrücke über den schottischen Firth of Forth. Statt massiven Steinen tragen hier verstrebte Eisenträger das Gewicht. Ein Beispiel für dieses Prinzip ist auch die etwa 50 Meter hohe Skulptur „Mae West“ in München, für deren Stabelemente innovative carbonfaserverstärkte Kunststoffrohre verwendet wurden. Die Prüfung und Genehmigung dieser Konstruktion erfolgte durch die Oberste Baubehörde.
Zurück zur Bambuspflanze und zur Brustflosse des Buckelwals. Was haben beide gemeinsam? Beide tragen Eigenschaften in sich, aus der sich die innovative Technik von Windturbinen entwickeln lässt.

Unterschiede und Gemeinsamkeiten finden


Beim Ideentransfer von der Natur in die Technik lohnt es sich, die betrachtete Grundidee, zum Beispiel die Leichtbau-Tragstrukturen, an verschiedenen „Naturanwendungen“ zu studieren, sie zu vergleichen und sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten zu finden. So ist der Halm der Bambuspflanze bis zu einem gewissen Grad elastisch, aber gleichzeitig auch stabil, tragfähig und ästhetisch – all dies sind Eigenschaften, die auch für Bautechnik und Architektur wichtig sind.
Vom Buckelwal lernten Ingenieure, Rotorblätter von Windturbinen gegen den Strömungsabriss zu wappnen. Die Brustflossen des Buckelwals sind an den Vorderkanten wellenartig geformt und haben dadurch einen geringen Strömungswiderstand. An diesem Prinzip orientieren sich die Windenergieanlagen. Hier tragen kleine Ausbuchtungen an den Vorderkanten der Rotorblätter zu einer optimalen Energieausnutzung bei. Windenergieanlagen mit ihrer materialeffizienten Leichtbau-Tragstruktur und den strömungsoptimierten Rotorblättern zählen zu den spektakulären Bauwerken mit innovativer bionischer Technik. Vergleichbar innovativ ist die Überdachung der Kaltenberg Arena, die die Besucher des Ritterturniers vor Sonne und Regen schützt. Moderne Kunststoffe machen es heute möglich, durch ihre hervorragenden Materialeigenschaften wie Formbarkeit, Elastizität und Bruchfestigkeit dem Vorbild Natur sehr nahe zu kommen. Die Membrankonstruktion der Kaltenberg Arena wurde einem Kelchblatt beziehungsweise einem Spinnennetz nachempfunden. Die Oberste Baubehörde prüft sowohl Windenergieanlagen als auch architektonische Konstruktionen wie die Überdachung der Kaltenberg Arena.
Mit den „Zustimmungen im Einzelfall“ der Obersten Baubehörde steht allen am Bau Beteiligten ein idealer Nachweisweg zur Verfügung, um innovative architektonische und bautechnische Ideen zügig und sicher in die Praxis umzusetzen.  (Helmut Schütz, Leiter der Obersten Baubehörde (OBB) - Foto. B. Gleixner)

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