Beruf & Karriere

Die Digitalisierung der Kommunikation führt dazu, dass der persönliche Austausch zu kurz kommt. (Foto: dpa)

18.08.2017

Beziehungsarbeit im Büro

Fach- und Führungskräfte sind gefragter denn je – um sie zu gewinnen und zu halten, ist vor allem eins wichtig: miteinander reden

97 Prozent der Chefs glauben, alles richtig zu machen. Dabei erledigen viele Mitarbeiter nur noch Dienst nach Vorschrift oder haben innerlich bereits gekündigt. Damit tun sich die Unternehmen in Zeiten immer knapperer Fachkräfte keinen Gefallen. Der Ausweg? Wie so oft, relativ einfach.  Nach dem aktuellen Gallup Engagement Index, dem eine der aussagefähigsten Studien zur Arbeitsplatzqualität in Deutschland zugrunde liegt, steht es wohl hervorragend um die Qualität deutscher Führungskräfte. Zumindest, falls deren eigene Einschätzung maßgebend wäre: 97 von 100 der befragten Chefs und oberen Führungskräfte sind überzeugt davon, alles richtig zu machen. Seitens der Arbeitnehmer, die an der Studie teilgenommen haben, sieht das Bild ganz anders aus. Etwa zwei Drittel machen nur noch den berüchtigten „Dienst nach Vorschrift“ und rund 15 Prozent haben bereits innerlich gekündigt – nicht zuletzt, weil sie sich von den Führungskräften unzureichend behandelt oder im Stich gelassen fühlen. Diese Zahlen sind nichts Neues. Dass die Einschätzungen auseinandergehen, liegt zum Teil in der Natur der Sache, also vor allem an den Hierarchien und daraus resultierenden unterschiedlichen Ansprüchen und Zielen. Was nichts daran ändert, dass die Situation für die Betroffenen fatal und für die Unternehmen wirtschaftlich äußerst bedenklich ist. Geradezu grotesk wird es, wenn einerseits mit viel Aufwand an Arbeitgebermarke und Image geschraubt wird, andererseits die interne Beziehungsarbeit weitgehend auf der Strecke bleibt. In Zeiten immer knapperer Fachkräfte ist dies für die betroffenen Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen ein „Schuss ins Knie“.

Die Digitalisierung und Standardisierung der internen Prozesse und Kommunikationswege trägt manchmal noch mit dazu bei, dass der dringend notwendige Austausch zwischen den Personen und über die Ebenen hinweg zu kurz kommt. Wenn die E-Mail den Weg ins Büro des Kollegen oder den Griff zum Hörer ersetzt, sind Missverständnisse an der Tagesordnung. Statt eines konstruktiven Dialogs findet schnell ein Schlagabtausch statt, der viele in die Defensive und in den innerlichen Rückzug treibt. Arbeitsverdichtung und Druck sorgen zudem dafür, dass an die Stelle offener, regelmäßiger Gespräche schematisierte Maßnahmen nach Leitfaden treten, die sich dann mit dem Titel „Jahresgespräch“ schmücken.

Regelmäßiger Dialog spart langfristig Zeit

Der Ausweg aus dem Dilemma? Wie so oft, eigentlich relativ einfach. Er erfordert weder besonderen Aufwand noch hohe Budgets. Dafür allerdings die Bereitschaft, über den eigenen Schatten zu springen und auch mal die eine oder andere interne Maßgabe flexibel zu handhaben. Für Führungskräfte und ihre Teams kann es Gold wert sein, wenn sie es schaffen – und schaffen wollen –, sich regelmäßig einen Reflexionsraum zu schaffen. Sprich, sich aus dem Tagesgeschäft herauszunehmen und quasi aus der Vogelperspektive zu beobachten, was zwischen den Akteuren gerade abläuft.

Es bringt unglaublich viel Effizienz für die Routine-Aufgaben wie für Projekte, wenn in einer Reflexionsschleife mit Distanz analysiert werden kann, wo die Dinge „on strategy“ sind oder wo gerade etwas aus dem Ruder läuft. Aus dieser Distanz einer objektiven Beobachtung heraus kann gezielt der Dialog entstehen, der Lösungen ermöglicht und den Betroffenen Raum gibt, diese zu entwickeln, umzusetzen und daraus zu lernen.

„Dafür bleibt mir doch in der Praxis gar keine Zeit“ – die Standardansage vieler Führungskräfte ist schnell entkräftet, wenn dieses Vorgehen praktiziert wird. Zum einen wird dann deutlich, wie viel Zeit eingespart werden kann, weil Lösungen für Probleme von den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern selbst organisiert und verantwortet werden. Zum anderen lässt sich der Zeitrahmen für die Reflexionsphasen skalieren. Es geht nicht darum, tagelang über den Ereignissen zu brüten, sondern gegebenenfalls mit Hilfe entsprechender Methodik Abstand und Überblick zu bekommen. Um die Perspektive zu wechseln, reicht oft schon ein sehr kurzer Slot, den man sich regelmäßig schafft.

Wichtiger ist die Haltung, mit der man diese „Auszeiten“ angeht und nutzt. Geht man möglichst unvoreingenommen an die Beobachtung der laufenden Jobs oder wird die Bewertung präjudiziert und bestimmten Personen im Team von vornherein etwas zugeschrieben? Hinterfragt man mit dem Interesse des aufmerksamen „Neutralen“ oder sind Erklärungen vorgestanzt? In der Analyse von Problemen, die in Organisationen in der Zusammenarbeit auftreten, wird immer häufiger mit einem systemischen Ansatz gearbeitet. Zu diesem gehört es, strikt zwischen Beobachtung, Erklärung und Bewertung zu trennen. Wie viel dies in der praktischen Führungsarbeit verändern kann, wird jeder erfahren, der sich damit näher beschäftigt. Der Dialog in der Zusammenarbeit kann eine neue Qualität entwickeln, und schafft praktisch von selbst mehr Attraktivität für vorhandenes wie auch zu gewinnendes Personal. (Frank Beck)

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