Beruf & Karriere

Jeder vierte befragte Selbstständige verzichtet auf die Unterstützung durch einen Steuerberater. (Foto: dpa)

19.10.2018

Die meisten würden es wieder tun

Wenig Frauen, viel Bürokratie, aber Stundenlöhne bis zu 91 Euro: der Selbstständigen-Report 2018

Mit dem Selbstständigen-Report 2018 soll ein großer und differenzierten Überblick über die Lage der Selbstständigen, Freelancer und Gründer in Deutschland gegeben werden. Er wurde von dem Hersteller der Selbstständigen-Software invoiz in Partnerschaft mit dem Verband der Gründer und Selbststänigen Deutschland e. V. erstellt. An der Befragung nahmen über 3000 Selbstständige aus ganz Deutschland teil. 

Die Ergebnisse überraschen zum Teil stark. So ist der Anteil der Selbstständigen an der Gesamtbevölkerung in Berlin mit Abstand am höchsten. In Sachsen-Anhalt beträgt die Selbstständigen-Dichte dagegen gerade einmal ein Fünftel des Berliner Anteils. Hinter der Hauptstadt liegt mit Hamburg ein weiterer attraktiver Stadtstaat – gefolgt von Bayern und Hessen. Am unteren Ende der Selbstständigen-Dichte finden sich neben Sachsen-Anhalt mit Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Brandenburg drei weitere neue Bundesländer. Auch im Saarland und in Niedersachsen ist der Selbstständigen-Anteil auffällig gering.

Anders sieht es beim Stundensatz aus: Mit einem durchschnittlichen Stundensatz von 91 Euro liegt Rheinland-Pfalz vorne. Berlin hingegen gehört mit einem Durchschnitts-Stundensatz von 61 Euro im bundesweiten Vergleich zusammen mit ihren Kollegen in den fünf anderen ostdeutschen Bundesländern und in Schleswig-Holstein zu den Einkommens-Schlusslichtern. Mit einem durchschnittlichen Stundensatz von 44 Euro liegen Thüringens Selbstständige weit abgeschlagen am Ende der Einkommens-Tabelle. In Bayern liegt der durchschnittliche Stundenlohn bei 76 Euro.

Hauptnachteil der Selbstständigkeit ist das Bürokratieproblem. 59 Prozent haben bürokratische Hürden als Haupthindernis in ihrer Geschäftspraxis ausgemacht. Selbstständige vermissen darüber hinaus hierzulande Respekt und faire Behandlung durch Politiker und staatliche Einrichtungen: Vier von fünf Befragten fühlen sich von der Politik wenig oder gar nicht respektiert. Noch größer (82,4 Prozent) ist der Anteil der Selbstständigen, die mit Blick auf eine faire soziale Absicherung Verbesserungsbedarf oder gar erheblichen Verbesserungsbedarf sehen.

Stundensatz von Frauen rund 19 Prozent niedriger als von Männern

Nur ein Drittel der Umfrageteilnehmer ist weiblich. In den Altersgruppen der unter 30-jährigen beträgt der Anteil der selbstständigen Frauen zwischen 15 und 20 Prozent. Mit mangelnder Qualifikation hat das Geschlechter-Missverhältnis nichts zu tun: Der Anteil von Hochschul- und Fachhochschulabsolventinnen unter den weiblichen Selbstständigen liegt mit 70,6 Prozent sogar deutlich über dem ihrer männlichen Kollegen (59,2 Prozent). Trotzdem gehen Frauen, die sich selbstständig machen, offenbar vorsichtiger zu Werke: Fast jede Fünfte entscheidet sich für den Kleinunternehmer-Status und legt sich so auf einen Jahresumsatz von unter 17 500 Euro fest. Zum Vergleich: Nur 8,1 Prozent der männlichen Selbstständigen sind umsatzsteuerliche Kleinunternehmer.

In den oberen Umsatzregionen sind Frauen dementsprechend seltener vertreten: Während fast die Hälfte der männlichen Selbstständigen Umsätze zwischen 60 000 Euro und 240 000 Euro erzielt, erreicht nur rund ein Viertel der selbstständigen Frauen dieses Umsatzsegment. Unter den Selbstständigen, die mehr als 240 000 Euro umsetzen, sind Männer sogar dreimal häufiger vertreten. In Bayern liegt der Anteil der selbstständigen Frauen bei 34 Prozent.

Die befragten selbstständigen Dienstleisterinnen gaben einen durchschnittlichen Stundensatz von 63 Euro an. Ihre männlichen Kollegen berechnen demgegenüber im Schnitt einen Stundensatz von 78 Euro: Das bedeutet, dass Frauen rund 19 Prozent weniger verdienen als Männer. Rund die Hälfte der Frauen betrachtet die aktuelle Lage ihrer Unternehmung als mäßig, schlecht oder gar existenzbedrohend.

Unabhängig von Alter, Qualifikation, Standort und Branche gehen mehr als die Hälfte der Befragten Selbstständigen davon aus, dass allenfalls geringfügige Teile ihrer derzeitigen Arbeit in 20 Jahren automatisiert erledigt wird. Ein weiteres Viertel erwartet überhaupt keine Änderungen. Nur etwa jeder sechste Befragte geht davon aus, dass die derzeit ausgeübte Tätigkeit Ende der 2030er- Jahre ganz oder überwiegend durch Software oder Roboter erledigt wird. Auffällig sind allerdings die Bereiche Versicherung und Verwaltung: Im Verwaltungssektor halten sich optimistische und skeptische Prognosen über die Automatisierung die Waage. In der Versicherungsbranche gehen hingegen zwei von drei Befragten davon aus, dass der überwiegende Teil ihrer Arbeit in 20 Jahren automatisiert erledigt wird.

Selbstbestimmung, mehr zeitliche Flexibilität und höhere Verdienstmöglichkeiten – das sind die Hauptmotive der befragten Selbstständigen. Notgründungen, wie sie in Zeiten der „Ich-AGs“ zu beobachten waren, sind heutzutage eher die Ausnahme: Nur knapp 12 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben fehlende Erwerbsalternativen als einen Beweggrund ihrer Unternehmensgründung an.

Bemerkenswert: Die positiven Erwartungen an die Selbstständigkeit werden in der Praxis offenbar mehrheitlich erfüllt. Gut 86 Prozent würden sich wieder selbstständig machen. Einer der Garanten des geschäftlichen Erfolgs ist das überdurchschnittliche Qualifikationsniveau der Selbstständigen: Laut der Erhebung verfügen zwei von drei Selbstständigen über einen Hochschulabschluss. (Sabine Blumrich)

Hier kann der gesamte Report heruntergeladen werden.

Kommentare (1)

  1. Bruno Wilhelm am 19.10.2018
    "Die Ergebnisse überraschen zum Teil stark", heißt es im zweiten Satz des Artikels und das ist kein Wunder: Das Problem dieser (und ähnlichen) Umfrage eines Rechnungsdienstleisters in Zusammenarbeit mit einem kleinen Verein aus dem Umfeld der IT-Wirtschaft ist ihre sehr begrenzte Aussagekraft durch die fehlende Repräsentativität. Es gibt eben nicht "die Selbstständigen" ebensowenig wie es "die Angestellten" gibt. Da verbergen sich jeweils sehr unterschiedliche Lebenslagen hinter dem formalen Erwerbsstatus.
    Die zentrale Behauptung der Umfrage, die der Artikel nicht hinterfragt, ist ja, es ergäbe sich ein Bild "der Selbstständigen" und es ließen sich gesamtgesellschaftliche Schlüsse aus der Umfrage ableiten. - Klar zeigen sich einige Probleme insbesondere im Bereich der Niedrigeinkommen, daraus generelle Rückschlüsse zu ziehen und zu verallgemeinern ist aber schlicht nicht zulässig.
    Anders als etwa breite Untersuchungen des Statistischen Bundesamtes auf Grundlage des Mikrozensus werden hier Behauptungen aus einer offensichtlich nicht repräsentativen Umfrage generiert. Um genau zu sein haben sich rund 0,075% aller Selbstständigen (bzw. 0,0066% aller Erwerbstätigen) daran beteiligt. - Auch das könnte repräsentativ sein, allerdings spricht dagegen die Zusammensetzung der Befragten (siehe insbesondere Seite 57 der Umfrageauswertung) und die fehlende statistische Validierung der Daten. Es ist beispielsweise wenig aussagekräftig, Selbstständige mit einem Jahresumsatz unter 17.500 und über 1 Mio. € zusammenzuwürfeln und daraus durchschnittliche Stundensätze abzuleiten (von 63 € bei Frauen und 78 Euro bei Männern.

    Fazit: Die Umfrage fand in einem engen Ausschnitt aller Selbstständigen statt und wertet die nicht repräsentative Teilmenge auch noch sehr undifferenziert aus. Kein Wunder, dass eine solch methodisch fragwürdige Auswertung nach Angaben der Herausgeber, die die Autorin einfach mal übernommen hat, "zum Teil überraschenden Ergebnisse" bringt. - Überraschend sind die ja vor allem, weil sie von allen vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchungen der Gesamtmenge der (Solo-)Selbstständigen abweichen. Dass so eine Umfrage "bedenkenswerte Ansatzpunkte für Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft" (Seite 5) bringt, darf heftig bezweifelt werden.
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