Wirtschaft

Die Treue der Menschen zu ihrer Bank vor Ort lässt nach. (Foto: Schweinfurth)

08.09.2023

Drum prüfe, wer sich ewig bindet

Warum Kunden bei Neobanken genau hinschauen sollten

Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich das Herz zum Herzen findet, der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.“ Das Zitat aus Schillers Das Lied von der Glocke zählt zu den Klassikern deutscher Dichtkunst. Über lange Zeit war der Text aus dem Deutschunterricht nicht wegzudenken. Ebenfalls zum Undenkbaren zählte lange Zeit, dass die Deutschen ihre Bankverbindung wechseln. Das hat sich zwischenzeitlich geändert. Längst nicht mehr jeder bindet sich ewig an eine Bank. Die Kund*innen werden wechselfreudiger, was ihre Bankverbindung angeht, oder führen mehrere Bankverbindungen gleichzeitig. Aber findet da auch immer reuelos zusammen, was zusammenpasst? Insbesondere dann, wenn der Umzug der Bankverbindung zu einer neuen, noch weitgehend unbekannten digitalen Bank, einer sogenannte Neobank, geplant ist.

Neobanken betreiben digitales Banking. Sie werden so bezeichnet, weil „sie relativ neu sind und im Markt antreten, um die etablierte Bankenwelt mit einem rein digitalen Angebot herauszufordern“, schreibt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) auf ihrer Homepage.

Offen für digitale Alternative

Der digitalen Alternative zu etablierten Filialbanken stehen die Deutschen durchaus offen gegenüber. Kundenpotenzial ist reichlich da. Das legt eine repräsentative Studie des Branchenverbands der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche (Bitkom) aus dem letzten Sommer nahe. Danach sind 9 Prozent der Bundesbürger*innen Kunde einer Online-Bank. Ein weiteres Viertel kann sich vorstellen, dort ein Konto zu eröffnen. In der Regel allerdings eher als Ergänzung zu einer schon bestehenden Bankverbindung.

Auswahl gibt es genügend. Online-Broker und reine Kryptowährungshändler nicht mitgezählt, tummeln sich etwa 20 Neobanken im deutschen Markt. Der ist jedoch ziemlich in Bewegung. Mitunter ist es das verflixte siebte Jahr, das mancher Bank zum Verhängnis wird. Das musste 2022 auch die Smartphone-Bank Nuri erfahren. Zuerst erhielten im Frühjahr 45 von 200 Beschäftigten die Kündigung. Im Dezember hat die Berliner Digitalbank dann im siebten Geschäftsjahr den Geschäftsbetrieb ganz eingestellt. 200.000 Kundinnen und Kunden mussten sich eine neue Bankverbindung suchen.

Neben Nuri mussten mit Remagine (2022) und Ruuky (2023) in letzter Zeit zwei weitere Berliner Neobanken den Insolvenzantrag stellen. Zuvor hatten mit Moneyou, Boon, Yomo und der Netbank bereits vier Online-Anbieter ihre Server abgeschaltet. Auch andere Direktbanken sind nicht frei von Sorge. So hat die Hamburger Neobank Tomorrow im letzten Dezember angekündigt, 30 ihrer 120 Mitarbeitenden zu entlassen. Das sei der getrübten Gesamtwirtschaftslage geschuldet, erklärte Jakob Berndt, einer der Gründer des Unternehmens, gegenüber dem Magazin FONDS professionell. Gleiches gilt für die bei Investoren hoch gehandelte, aber wohl wenig profitable Berliner Fintechbank Vivid Money. Nach Branchengerüchten standen hier in letzter Zeit viele Stellen zur Disposition.

Ebenfalls im Rückwärtsgang ist der schwedische Zahlungsabwickler Klarna. Seit 2021 bietet er in Deutschland digitale Girokonten für Privatkunden an. Das skandinavische Unternehmen baute zuletzt jeden zehnten Arbeitsplatz ab. Andere deutsche Digitalbanken wie Kontist und Penta wechselten im vorigen Jahr den Besitzer. Sie gehören jetzt der digitalen französischen Qonto-Bank beziehungsweise der dänischen Agreas Group. Die N26 Bank, der Platzhirsch unter den Online-Banken in Deutschland, macht seit zwei Jahren vor allem Schlagzeilen, weil die BaFin mehrfach hart durchgegriffen hat. Mal hagelt es Geldbußen, dann gibt es Mängelfeststellungen bei der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, hinzu kommen Wachstumsbeschränkungen.

Sonderbeauftragte werden bestellt

Obendrein werden Sonderbeauftragte durch die Bankenaufsicht bestellt. Zuletzt war von der Bank zu hören, dass sie 71 Mitarbeiter*innen und damit rund 4 Prozent der Belegschaft entlässt. Ins Blickfeld der BaFin ist zudem die C24 Bank geraten. Sie ist eine Ausgründung des Vergleichsportals Check24 und seit 2020 im Markt. Laut einer Mitteilung der Aufsichtsbehörde vom Februar muss die Bank eine ordnungsgemäße Geschäftsführung sicherstellen und zusätzliche Eigenkapitalanforderungen erfüllen. Die Münchner Fidor Bank wiederum wird ganz schließen. Bis Ende 2023 soll damit eine der ältesten deutschen Direktbanken liquidiert sein. Die Verluste waren dem Besitzer BPCE, eine französische Bankengruppe, wohl dauerhaft zu hoch. Für 160.000 Kundinnen und Kunden hat das zwangsläufig den Umzug ihrer Bankverbindung zur Folge.

Gemeinsam ist nahezu allen Neobanken, dass sie viel Geld verbrennen. Kaum eine ist profitabel. Das zeigt das Global Neobanking Radar der Unternehmensberatung Simon-Kucher. Danach erreichen gerade mal 5 Prozent der weltweit 400 Neobanken die Gewinnschwelle. Die Studie ist zwar mittlerweile ein Jahr alt. Brancheninsider bestätigen freilich, dass sich am Befund nichts geändert hat. Auch nicht für die in Deutschland tätigen Smartphone-Banken. Im Gegenteil. Die Umfeldbedingungen für Neobanken werden eher rauer. Längst können nicht mehr alle Neobanken kostenlose Konten anbieten. In der Vergangenheit oftmals ein zentrales Werbeargument bei Neukund*innen. In Zeiten steigender Zinsen sind zudem Kundeneinlagen für Banken wirtschaftlich wieder interessant. Davon haben digitale Banken meist nicht so viel. Damit fehlt ihnen eine wichtige Grundlage, um Zinsgewinne zu generieren. Ohne stabilisierende Erträge stellt sich jedoch irgendwann die Existenzfrage. Wenn Online-Banken bis zum sechsten oder siebten Betriebsjahr die Gewinnschwelle nicht erreicht haben, steige zu diesem Zeitpunkt das Risiko des Scheiterns „exponentiell“ an, wie Experte Christoph Stegmeier von Simon-Kucher die Veröffentlichung der Neobanken-Analyse begleitend kommentierte. Das Beispiel Nuri Bank unterstreicht die Aussage.

Deshalb sollten Kunden bei der Entscheidung für eine digitale Bank genau hinschauen. Eine gute Recherche im Vorfeld schützt vor unangenehmen Überraschungen. Hilfreich ist es, das eigene Anforderungsprofil an den Finanzdienstleister exakt zu definieren. Ist mitunter Beratung notwendig, dann sind Neobanken in der Regel nicht die idealen Partner. Wer eine Smartphone-Bank wählt, sollte nicht allzu hohe Erwartungen an telefonischen Service haben. Welche Art der Bankkarten wird gebraucht, und wo sollen sie zum Einsatz kommen? Wer seine Karten vorrangig im Inland einsetzt, braucht weniger Funktionalitäten fürs Ausland. Wer dagegen in erster Linie eine Bank sucht, um Geschäfte mit Kryptowährungen abzuwickeln, ist womöglich bei einer Neobank gut aufgehoben. Wie andere Kunden eine Online-Bank im Internet bewerten, kann hilfreiche Informationen für die eigene Entscheidung liefern. Ist eine Direktbank öfter im Visier der Bankenaufsicht, dann weist das meist auf organisatorische Mängel hin. Authentifizierungsverfahren bei der Kontoeröffnung sind ein gutes Indiz, was die Leistungsfähigkeit der Bank angeht. Nicht Schnelligkeit allein ist entscheidend, sondern auch die Qualität.

Erhöhte Professionalität unterstellen

Neobanken, die hier sorglos unterwegs sind oder gar ganz auf Post- oder Videoidentifikation verzichten, sind anfällig für Betrügereien. Wer aber will sein Konto einem Kreditinstitut anvertrauen, das es potenziell auch zwielichtiger Kundschaft einfach macht, eine Bankverbindung zu erhalten? Kommt es bei einer noch jungen Digitalbank zu Entlassungen, kann das ebenfalls ein Grund sein, genauer hinzuschauen. Mitunter gibt der Blick auf die Eigentümerverhältnisse Aufschluss über die potenzielle Stabilität einer Fintech-Bank. Handelt es sich um ein reines Start-up, das erst frisch am Markt ist, hat die Bank womöglich noch Lernbedarf. Ist die Neobank dagegen die Ausgründung einer etablierten Bank, weil die zum Beispiel eine Mehrmarkenstrategie aufsetzt, dann kann man erhöhte Professionalität unterstellen. Eine Garantie für Langlebigkeit im Markt ist jedoch auch das nicht immer. Wie wichtig einem als Kunde eine deutsche Banklizenz des digitalen Instituts ist, muss jeder selbst entscheiden. Aber den Punkt zu recherchieren lohnt – auch mit Blick auf die Einlagensicherung.

Zu guter Letzt muss jeder für sich entscheiden, ob er die eigenen Finanzen von einer Bank verwalten und mehren lassen will, die selbst dauerhaft Verluste macht. Wer darauf Wert legt, eine Bank zum Partner zu haben, die das verflixte siebte Jahr überstanden hat, ist am Ende vielleicht doch am besten bei einer der traditionellen Sparkassen und Banken aufgehoben. Sie haben zwischenzeitlich zumeist die Herausforderung der Neobanken angenommen und bieten oft Gutes aus beiden Welten. Passables digitales Banking, erreichbare Ansprechpartner und langjährige profitable Stabilität – oder um auf Schillers Glocke zurückzukommen: „das Spröde mit dem Weichen sich vereint zum guten Zeichen“.
(Jürgen Gros)

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