Beruf & Karriere

2006 wurden die deutschen Ingenieure René Bräunlich und Thomas Nitzschke im Irak entführt. Erst nach 99 Tagen kamen sie frei. (Foto: dpa)

13.04.2017

"Immer einen Plan B in der Tasche haben"

Sicherheitsexperte Markus Weidenauer (42) über Entführungen auf der Dienstreise, erfolgreiche Lösegeldverhandlungen und das fehlende Risikobewusstsein vieler Unternehmen

In einer globalen Welt schicken immer mehr Unternehmen ihre Mitarbeiter zur Arbeit ins Ausland. Dadurch steigt in Krisenländern das Risiko, Opfer der boomenden Entführungsindustrie zu werden. Markus Weidenauer, Chef der SecCon Group in München, mahnt mittelständische Betriebe daher, ihre Angestellten besser vorzubereiten und für den Ernstfall abzusichern. BSZ: Herr Weidenauer, mangelt es mittelständischen Unternehmen an Sicherheitsbewusstsein für ihre Mitarbeiter?
Markus Weidenauer: Natürlich kann man hierzu keine seriöse Pauschalaussage treffen. Jedoch stellen wir nach wie vor fest: In mittelständischen Unternehmen fehlt es häufig an Sicherheitsstrukturen und Risikobewusstsein. Das zieht sich wie ein roter Faden von der obersten Führungsetage über das mittlere Management bis hin zum Mitarbeiter durch alle Ebenen. Ich selbst habe es bereits erlebt, dass Arbeitnehmer in Krisenregionen ausgesandt wurden mit nichts an der Hand als einem Erste-Hilfe-Päckchen. Dabei haben Unternehmer per Gesetz eine Fürsorgepflicht für ihre Mitarbeiter. Diese wird verletzt, sobald sie Angestellte ohne entsprechende Vorbereitung oder Absicherung in Krisenländer entsenden.

BSZ: Wie viele Arbeitnehmer werden auf Dienstreise Opfer von Entführungen?
Weidenauer: Die sogenannte Entführungsindustrie boomt weltweit. Allerdings kommt es auch immer auf das Zielland an. Prinzipiell kann ich sagen, je mehr ein Land von Kriminalität, Unruhen und Terrorismus geprägt ist, umso größer ist das Risiko, Opfer von einer Entführung zu werden.

BSZ: Wie enden solche Schreckensszenarien in der Regel?
Weidenauer: In den meisten Fällen kommen die Opfer durch Lösegeldzahlungen frei. Haben Entführungen allerdings einen religiösen Hintergrund, enden sie leider meist tödlich.

BSZ: Durch das fehlende Risikobewusstsein werden nicht nur Menschenleben aufs Spiel gesetzt. Mitunter verursacht das auch existenzbedrohende Kosten, sagen Sie. Was meinen Sie damit?
Weidenauer: Entführungen kosten immer sehr viel Geld. Neben den Lösegeldzahlungen müssen auch Nebenkosten, unter anderem für die Verhandlungsführer, Flüge und Hotels, einkalkuliert werden. Ganz zu schweigen von den Kosten für die Krisenkommunikation, die notwendig ist, um den Imageschaden für das Unternehmen bei den Kunden und in der Öffentlichkeit möglichst abzuwenden.

"Haben Entführungen einen religiösen Hintergrund, enden sie leider meist tödlich"

BSZ: Aber übernimmt im Entführungsfall nicht die Bundesregierung die Verhandlungen und das Lösegeld?
Weidenauer: Das ist richtig, die Verhandlungen bei Auslandsentführungen werden in der Regel vom Auswärtigen Amt koordiniert. Jedoch müssen Unternehmen den Betrag sowie die angefallenen Kosten für Rückholung und Krisenstab anteilig übernehmen beziehungsweise an die Bundesrepublik Deutschland zurückzahlen, da sie der Fürsorgepflicht nicht nachgekommen sind. Deshalb gibt es Kidnap & Ransom- Versicherungen. Diese Art von Versicherung sollte obligatorisch für Unternehmen sein, die Mitarbeiter in Risikoländer entsenden.

BSZ: Und was ist mit der Polizei des jeweiligen Landes?
Weidenauer: Die polizeilichen Strukturen zur Gefahrenabwehr in anderen Ländern dieser Welt sind mit denen in der Bundesrepublik Deutschland nicht vergleichbar. Nachweislich werden beispielsweise viele Entführungen in Südamerika von Polizisten sogar unterstützt. Korruption auf der Ebene der staatlichen Sicherheitsorgane ist in vielen Ländern immanent.

BSZ: Große Konzerne haben bereits seit Jahren Sicherheitsstrukturen implementiert. Wie sehen diese aus?
Weidenauer: In diesen Unternehmen gibt es zum Beispiel Mitarbeiter oder sogar ganze Abteilungen, die sich explizit mit dem Thema Reisesicherheit auseinandersetzen. Im Rahmen ihrer Tätigkeit werden etwa Länderanalysen erstellt, Mitarbeiter in Bezug auf Risiken des Ziellandes sensibilisiert und gegebenenfalls Datenbanken gepflegt. Darüber hinaus werden die Reiserouten von Mitarbeiter überwacht, Notrufnummern medizinischer Dienstleister weitergegeben und Sicherheitsdienstleister des Ziellandes bevorratet.

BSZ: Wie können kleinere Arbeitgeber ihre Fürsorgepflicht nachkommen, bevor sie Mitarbeiter in Krisenländer entsenden?

Weidenauer: Im Rahmen des Krisenmanagements sollte unbedingt eine Kidnap & Ransom-Versicherung abgeschlossen werden. Diese beinhaltet je nach Police bereits Leistungen wie zum Beispiel Sensibilisierungstrainings und Notrufnummern. Außerdem empfehle ich Aufklärung in Form von professioneller Beratung und im Anschluss eine erste Umsetzung zumindest kleiner Schritte. Hierzu zählen etwa die Einholung von Reisehinweisen über das Zielland und die Aufbau und Implementierung eines firmeninternen Krisenmanagements.

"Firmen müssen unbedingt eine Kidnap & Ransom-Versicherung abgeschließen"

BSZ: Wie hilfreich sind Versicherungen und entsprechende Trainings?
Weidenauer: In der heutigen Zeit sollte jedes global agierende Unternehmen, unabhängig von der Unternehmensgröße, über ein Krisenmanagementsystem verfügen, das eine entsprechende Versicherung inklusive Trainings enthält. Das wäre der erste Schritt, um Strukturen für Notfälle zu schaffen.

BSZ: Waren Sie selber einmal in einer brenzligen Situation?
Weidenauer: Ja, durchaus. Wir äußern uns jedoch grundsätzlich nicht zu Mandanten oder konkreten Vorfällen. Selbst bei einer guten Planung passieren immer unvorhersehbare Dinge. Wichtig ist immer, einen Plan B in der Tasche zu haben. In fast jeder großen Stadt gibt es No-go-Areas. Eine Ausfahrt zu früh oder zu spät von der Autobahn und man ist mittendrin. In solchen Situationen muss man einen kühlen Kopf bewahren. Das kann man nur, wenn man vorbereitet ist. (Interview: David Lohmann)

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