Beruf & Karriere

Im Beamtenrecht sind die Vorgaben in der Regel strenger als in der freien Wirtschaft. (Foto: dpa/Strobel)

28.10.2021

Nur was sichtbar ist, kann verboten werden

Kleidung, Tattoos, Haare, religiöse Symbole: Wann dürfen sich Arbeitgeber*innen einmischen?

Geschmäcker sind verschieden. In der Arbeitswelt kann das zum Problem werden. Spätestens wenn die Führungsetage die neue Jeans mit Löchern verbietet, das Piercing oder die Gelnägel, taucht die Frage auf: Dürfen die das überhaupt?
„Dazu gibt es keine gesetzliche Regelung“, sagt Nathalie Oberthür, Fachanwältin für Arbeitsrecht. „Stattdessen wird bei jedem Konflikt einzeln geprüft, ob in diesem Fall eine Vorschrift berechtigt ist oder nicht.“

Somit muss jedes Mal aufs Neue abgewogen werden, ob das unternehmerische Interesse so stark ist, dass die Persönlichkeitsrechte eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin dafür eingeschränkt werden dürfen. „Und dafür muss es eine gute Begründung geben“, sagt Oberthür.

Es kann zum Beispiel Vorschriften geben, die mit der Arbeitssicherheit und der Hygiene am Arbeitsplatz zusammenhängen. So müssen etwa Fachkräfte im OP oder im Sägewerk bestimmte Kleidung tragen. Schmuck, Schminke, Nagellack oder Gelnägel können etwa in der Pflege oder Gastronomie unter Umständen verboten werden.

Geht es hingegen ausschließlich um das Firmenimage, müssen Arbeitgeber gute Gründe liefern, um sich in das Auftreten ihrer Angestellten einmischen zu dürfen. Erstens müssen die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Unternehmen tatsächlich repräsentieren. „Jemandem in der hausinternen IT-Abteilung, der keinen direkten Kontakt zu Kunden hat, kann man nur schwerlich vorschreiben, was er zu tragen hat“, stellt Oberthür klar.

Zweitens können nur sichtbare Teile des Erscheinungsbilds Gegenstand der Vorschrift sein. Ein stets verdecktes Tattoo oder eine unter dem Hemd versteckte Kette können nicht kritisiert werden. Ein sichtbares Piercing dagegen ist bei der Arbeit abzulegen, wenn der Arbeitgeber das will. Der Arbeitgeber kann das Piercing aber nicht komplett verbieten.

Nicht zuletzt muss es ein legitimes Interesse des Arbeitgebers geben, auf ein bestimmtes Erscheinungsbild zu bestehen. „Zum Beispiel muss nachgewiesen werden, dass Kunden in einem Geschäft ohne einheitliche Kleidung nicht erkennen, wer zu den Mitarbeitern gehört. Oder dass ein gepflegtes Erscheinungsbild wichtig ist, wenn man als repräsentativer Vertreter des Arbeitgebers auftritt“, sagt Patrizia Chwalisz, Fachanwältin für Arbeitsrecht.

Sollten bei Konflikten religiöse Symbole wie eine Kreuzkette, ein Kopftuch oder eine Kippa betroffen seien, greifen aber nicht nur die Persönlichkeitsrechte, sondern auch die Religionsfreiheit. Hier müssen Unternehmen noch stärkere Argumente liefern, um in die Rechte ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingreifen zu dürfen.

„Arbeitgeber können sich darauf berufen, politisch und religiös komplett neutral zu sein. Sie müssen jedoch dann beweisen, dass ihnen konkrete negative Konsequenzen drohen, wenn sie religiöse Symbole dulden“, erklärt Chwalisz. Zum Beispiel ein befürchteter Kundenverlust, der sich bereits durch mehrere Beschwerdebriefe abzeichnet.

Bei Problemen mit dem Betriebsrat sprechen

Bevor es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommt, sollten Beschäftigte zunächst andere Wege der Konfliktlösung ausloten. „Ich würde erst einmal empfehlen, mit dem Betriebsrat zu sprechen, wenn es zu Problemen kommt“, rät Oberthür. Oft ließen sich Kompromisse finden.

Eine vertragliche Vereinbarung über das passende Erscheinungsbild von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern muss es in keinem Fall geben. „Natürlich können Betriebe aber auch schon im Bewerbungsprozess Kandidaten aussieben, die nicht zum Erscheinungsbild des Unternehmens passen“, sagt Chwalisz.

Die Vorstellungen von gesellschaftlich akzeptiertem Auftreten seien ohnehin ständig dem Wandel unterworfen, so die Anwältin. „Noch in den 1960er-Jahren urteilte ein Gericht, dass eine Beatles-Frisur nicht gehe, die Haare seien viel zu lang.“ Mittlerweile dürfte eine solche Frisur wohl kein Grund mehr für einen Gerichtsprozess sein.

Mitunter kann der Wandel sehr schnell gehen. „Noch Anfang der 2000er-Jahre hat ein Gericht entschieden, dass ein Polizist mit Männerdutt unzumutbar sei. Allerdings muss man auch dazusagen, dass das Beamtenrecht noch mal strengere Vorgaben rechtfertigen kann“, sagt Chwalisz. Heutzutage ist der Männerdutt so etabliert, dass er in den meisten Berufen kein Problem mehr darstellen sollte. (dpa)

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