Beruf & Karriere

Gleich öffnet sich der Vorhang, das Publikum wartet, aber die Füße sind gelähmt. Und nun? (Foto: dpa/Marcus Brandt)

01.02.2019

Schluss mit Lampenfieber

Wie sich Angst vor großen Auftritten bezwingen lässt und selbst Missgeschicke in einen Erfolg umwandeln lassen

Ihr großer Auftritt steht bevor: eine Rede, eine Präsentation, das erste Live-Video bei Facebook, eine Moderation, ein Gespräch mit dem Chef, et cetera. Aber Ihre Füße sind gelähmt und Sie kommen kaum einen Schritt vorwärts.

Sie haben sich auf Ihren großen Auftritt gut vorbereitet. Das ist die Grundvoraussetzung. Sie sind sich sicher, was Sie sagen wollen, die Technik ist gecheckt, Sie haben geübt und es ist der Moment gekommen, an dem Sie raustreten wollen. Ihre Bühne wartet. Der Termin mit Ihrem Chef ist gleich. Oder Sie sprechen gleich vor 300 Personen. Oder vor drei Millionen, denn man weiß nie, welche Wege die Social-Media-Videos gehen. Und das Internet merkt sich auch noch alles. Kollegen ebenfalls, wenn Sie eine Präsentation halten. Sprechen sie am nächsten Tag hinter meinem Rücken? Kann ich mich sehen lassen? Schauen eigentlich die Leute meine Facebook-Videos noch an, wenn mein erstes schiefgeht? Ergibt es Sinn, auf dieser Reise weiterzugehen? Was ist, wenn ich etwas vergesse? Wenn ich mich verhasple, wenn ich ein Salatblatt zwischen den Zähnen habe und es einfach nicht merke?

Als erstes möchte ich Ihnen sagen: Sie sind nicht allein. Ich kenne in meinem professionellen Künstlerumfeld Kolleginnen und Kollegen, die sich, bevor sie auf die Bühne gehen, wirklich vor Übelkeit verstecken oder noch Schlimmeres durchleben müssen. Selbst große Musikstars wie Adele oder Robbie Williams leiden unter Lampenfieber. Und auch ich bin nervös vor Auftritten. Ich habe vor Kurzem in einem Theater mein Bühnenprogramm Typisch Frau?! gespielt und war auf einmal aufgeregter als sonst. Ich tigerte nervös durch die Garderobe. Es war einfach ein tolles Theater, der Zuschauerrekord war gebrochen, und ich merkte, obwohl ich meine Texte selber schreibe und meine Bühnenstücke selbst inszeniere und die Programme somit in und auswendig kenne, dass der Druck wuchs.

Mein Pianist merkte das und sagte irgendwann zu mir: „Sonja, was rätst Du immer Deinen Coaches, wenn sie nervös sind?“ Richtig: Atmen. Und das tat ich dann auch. Ich atmete. Ruhig in den ganzen Körper hinein. Ich stellte mich in einen aufrechten Stand und beruhigte meine Atmung, indem ich in einzelne Körperteile atmete, mir Wurzeln wachsen lies und mich durch die Atmung beruhigte.
Außerdem visualisierte ich. Ich stellte mir ein begeistertes Publikum vor. Ich stellte mir vor, dass sie an den richtigen Punkten lachten, dass sie an den nachdenklichen Punkten ruhig waren und dass sie am Ende eine Zugabe wünschten. Ich sah mich, wie ich glücklich und zufrieden auf der Bühne stehe und spürte in jeder Faser meines Körpers, wie sich das anfühlte.

Was, wenn etwas schiefgeht? Weitermachen oder einbauen

Meine Klienten fragen dann oft: „Aber Sonja, was, wenn dann trotzdem etwas schiefgeht?“ Es gibt zwei Möglichkeiten: einfach weitermachen oder es einbauen. Ich hatte einmal einen Teilnehmer in einem Workshop, der unglaublich nervös war und auch Angst hatte, dass etwas schiefgeht. Er war einer von fünf Personen, die ich auf eine große Mitarbeiterveranstaltung mit 2000 Kollegen vorbereitet habe, die sie in Doppelmoderation durchführen sollten. Doppelmoderation ist die Königsklasse im Bereich der Moderation, da man sich blind auf den Kollegen verlassen muss und sehr eingespielt sein sollte. Eine wirkliche Herausforderung für ungeübte Moderatoren. Aber der Veranstalter wollte es so. Wir konnten somit keine festen Moderatorenteams machen, sondern mussten ein rollierendes System nutzen, da zwei mal drei nun mal sechs sind und wir nur fünf Moderatoren hatten.

Nun war der Moment gekommen, bei dem der sehr nervöse Teilnehmer auch noch im Radlerhosenoutfit auf die Bühne gehen musste, weil es um einen Sportteil ging und seine Kollegin von der anderen Seite auftrat. Er sagte zu ihr: „Na Saskia, hast Du Dich in der Pause auch gut erholt?“ Und sie sagte: „Ja, danke – aber ich bin nicht Saskia, ich bin Maria“. Es entstand ein Schockmoment. Wir hinter der Bühne hielten den Atem an und die 2000 Zuschauer im Publikum ebenfalls.

Er schaute kurz ins Publikum, schaute sie an und sagte: „Ach so. Na, dann fangen wir doch noch einmal an.“ Er ging zur Seite, hockte sich hinter das Rednerpult, stand wieder auf und ging auf seine Kollegin zu: „Und Maria, hast Du Dich in der Pause gut erholt?“ Man konnte förmlich sehen, wie die Luft im Raum stand, man konnte kurz eine Stecknadel fallen hören und nach zwei Sekunden entbrannte ein tosender Applaus.

Er hatte in diesem Moment die Wahl: Er hätte es einfach übergehen können und so tun, als ob nichts geschehen wäre. Es gibt Kollegen, die hätten in diesem Moment vielleicht sogar etwas beleidigt reagiert. Aber er hat sich entschieden, das ganze einzubauen. Und das wurde auch noch witzig, locker und spontan. Ich habe ihn nach einem Jahr wiedergetroffen und er erzählte mir, dass die Kollegen ihn immer noch fragten, ob das inszeniert gewesen sei.

Niemand weiß in dem Moment, in dem man mit dem Text auf der Bühne steht, ob man etwas vergisst, ob man eine Schleife dreht, ob man sich spontan entscheidet, etwas dazuzunehmen, was man vorher nicht bedacht oder sogar ausgeschlossen hat. Denn Sie sind bei Ihrem Vortrag die wichtigste Person auf der Bühne. Die Hauptperson in Ihrem Gespräch. Der Hauptakteur in Ihrer Präsentation. Der Rockstar Ihrer Bühne. (Sonja Gründemann)

Sonja Gründemann ist Trainerin, Coach, Moderatorin und seit 30 Jahren Bühnenexpertin. Ihr Motto: "Perfekt muss nicht sein. Echt ist schöner". Mehr Infos unter: www.sonja-gruendemann.de


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