Beruf & Karriere

In Unternehmen wird nur selten über das Gefühl der Einsamkeit als Führungskraft gesprochen. (Foto: dpa/Guido Kirchner)

29.11.2019

Verloren in der Verantwortung

Mitarbeitern werden oft unvorbereitet neue Aufgaben zugewiesen. Warum es fahrlässig ist, junge Nachwuchsführungskräfte dabei nicht stärker zu unterstützen

Beförderung, das klingt erst mal toll. Doch junge Führungskräfte sind mit ihrem Rollenwechsel und den neuen Aufgaben oft überfordert. Keiner hat ihnen erklärt, wie man führt. Deshalb werden viele einfach nur zur Kopie ihres eigenen Chefs. So werden Firmen nicht zukunftsfähig.

Der Anspruch ist enorm: Junge Menschen sollen in Rekordzeit ihre Ausbildung beenden. Sie sollen Praktika und Semester im Ausland absolviert haben, sich sozial engagieren und ihre Freizeit nach den Vorlagen der sozialen Medien gestalten. Zeitgleich zum guten Abschluss sollen sie die nötige Lebenserfahrung für einen Berufseinstieg erlangt haben. Zwischen Abschluss und dem ersten Job bleibt kaum Luft um zu verschnaufen. Danach warten zwei Wochen Onboarding, ein eigener Rechner, Homeoffice, ein Buddy, der mit Insiderwissen hilft und die eine oder andere Abkürzung verrät. Der Obstkorb für zwischendurch, die Profikaffeemaschine, um einen in all den Meetings bei Laune zu halten, das gemeinsame Feierabendbier mit Kollegen oder die kostenfreie Mitgliedschaft im Fitnessstudio.

So lebt man sich langsam ein, sammelt Erfahrung, lernt wie es läuft. Und dann? Kommt plötzlich die Beförderung. Die, bei der es nicht um mehr Geld geht. Sondern um eine Führungsposition. Plötzlich gibt es ein eigenes Projekt, ein eigenes Thema oder ein eigenes Team. Die Kollegen werden zu den Mitarbeitern. Sie erwarten auf einmal Antworten, Entscheidungen, wollen sehen, warum jetzt ausgerechnet der zum eigenen Chef auserwählt wurde. Für die neue Führungskraft schwindet die Zeit für die früheren Aufgaben – langsam, aber stetig. Oft geht es mehr um „die da oben“ als um diejenigen, die an Projekten, Aufträgen und Kundenbeziehungen an der Front arbeiten.

Entscheidungen sind oft politisch, manchmal menschlich. Und meistens weiß man gar nicht mehr genau für wen man gerade spricht. Für das Unternehmen, das Team, die Sache, für sich selbst? Es ist alles ein sehr großes Durcheinander und nicht verwunderlich, dass man den eigenen Fokus verliert. Erschöpft schaut man nach rechts und links, wie es die anderen so machen.

Es gibt zum Beispiel den „Micromanager“. Dieser sitzt am Abend noch zwei, drei Stunden länger. Er kontrolliert die Arbeit des Teams. Qualitätsmanagement soll das sein. Danach noch eine kurze Mail an alle, um die Aufgabenverteilung für den kommenden Tag zu organisieren. Das Dokument des neuen Mitarbeiters querlesen und schon mal das Feedback dazu notieren. So kann man das ja nicht rausschicken.

Dann gibt es den „Best Friend“. Dieser lädt gern auf ein Mittagessen ein, spricht über seine Frau und Kinder, animiert zum „Fünfe gerade sein lassen“ und bestellt dabei für beide ein Helles. Dabei verkündet er das eine oder andere Lob. Der einzige Moment, der Außenstehende erahnen lässt, dass es sich um ein Geschäftsessen handeln mag. Aber egal, wer kann schon solche Wertschätzung wirklich ernst nehmen. Ein Versuch, Vertrauen und Nähe zum Mitarbeiter aufzubauen – manchmal funktioniert’s.

Und dann gibt’s noch den, der einen befördert hat – der „Klassiker“. Der, mit dem man das jährliche Zielvereinbarungsgespräch hat. Mit dem man sein Gehalt verhandelt und der über die weitere Karriere oder den beruflichen Werdegang entscheidet. Er sitzt meistens am Rechner und schrubbt Tabellen, hängt in Telefonkonferenzen und kommt erst Mittags ins Büro. So viele Kundentermine am Morgen. Er hält den Eindruck aufrecht, dass Führungskräfte viel beschäftigt und schwer erreichbar sind und ihr Wissen und was sie tun ein Geheimnis ist, dass von niemanden unter seiner Hierarchie verstanden oder durchdrungen werden kann. Willst du gelten, mach dich selten.

Wer ein guter Chef sein will, macht sich ersetzbar

Selten gibt es etwas abzuschauen oder jemanden, den man als Vorbild bezeichnen könnte. Und oft ist es leichter zu beobachten, wie man es nicht machen will, als einen guten Weg zu sehen. Man könnte sich sogar fragen, wozu man einen solchen Job eigentlich überhaupt machen sollte?

Früher war der Mehrwert eindeutig. Mit Führungspositionen gingen Gehaltserhöhungen, mehr Urlaub, ein höherer Bonus und ein gestiegener Komfort einher. Sichtbare Statussymbole wie Firmenwägen, Einzelbüros mit eigenem Meetingbereich und hochwertigem Mobiliar. Nur schade, dass zumindest Letzteres wegen der vielen Meetings und Geschäftsreisen kaum genutzt wurde. Dazu bekam man ein Team, das mit Arbeit versorgt werden wollte, und deren Erwartung nach klaren Ansagen. Der Führungsjob dabei: Alles zu kontrollieren und unentwegt den Überblick behalten. Damit war man oft so beschäftigt, dass die eigene Arbeit liegen blieb, Überstunden zum Führungsalltag und Urlaub auf den letzten Drücker genommen wurde – oder gleich ganz entfiel. Im Gegenzug war der Anspruch an die Person klar und eindeutig: Führungskräfte brauchen mehr Erfahrung als ihr Team und sind daher älter. Sie wissen mehr als die eigenen Mitarbeiter. Sie sind unnahbar und dabei unfehlbar. Gut zu führen hat allerdings in der Regel keiner von ihnen richtig gelernt. Und nur wenige werden aufgrund ihrer Fähigkeit, Mitarbeiter zu fördern und sie bei der Entwicklung zu unterstützen, in eine solche Position gehoben. Auch wenn dieses Bild veraltet sein mag, in vielen Unternehmen hält es sich starr.

Heute ist das alles etwas anders und das Führungsverständnis entwickelt sich kontinuierlich weiter. Aufgaben, Kompetenzen und Haltungen der Führungskräfte werden an die sich so schnell wandelnde (Arbeits-)Welt angepasst. Es geht weniger um das managen als darum, Mitarbeiter in ihrem selbstständigen Arbeiten anzuleiten und zu unterstützen. Führungskräfte sollen den Rücken stärken, dass Arbeit gut gemacht werden kann. Sie rücken mehr in den Hintergrund und tauchen nur im unlösbar scheinenden Konfliktfall auf. Sie sind Mentor und Coach, sorgen für ihre Nachfolge und sind auf der Suche nach jemandem, der am Ende besser ist als sie selbst. Heute macht sich eine gute Führungskraft ersetzbar. Manche meinen sogar, dass es Führung eigentlich gar nicht mehr braucht. In der praktischen Umsetzung heißt das meistens das Aufteilen der Führungsaufgaben auf viele Personen. Warum soll nur eine davon Verantwortung übernehmen, Entscheidungen treffen, Zusammenarbeit organisieren, für Wirtschaftlichkeit sorgen und die Entwicklung des Unternehmens gewährleisten? Denn unabhängig davon, ob es zukünftig noch Führungskräfte geben wird, oder nicht: Diese Aufgaben werden bleiben und sind somit zu verteilen. Auf einen Kopf oder eben auf viele. Und so werden letztendlich alle zur Führungskraft – oder sogar zum Unternehmer.

Dass sich junge Nachwuchsführungskräfte mit der Varianz und dem sich ständig verändernden Anspruch an Führung schwertun, ist offensichtlich. Einige Unternehmen unterstützen mit Coachings, Mentorenprogrammen und Trainingsangeboten für den zur Unternehmenskultur passenden Führungsstil. Viele schwören auf learning by doing. Selten wird über das Gefühl der Einsamkeit als Führungskraft gesprochen. Schließlich könnte man als schwach oder nicht geeignet bezeichnet werden. Entsprechend selten werden angebotene Führungsrollen abgelehnt, obwohl man die Position und die damit verbundene Aufgaben gar nicht haben will.

Junge Menschen brauchen dringend die Chance, ihren eigenen und für sie passenden Führungsstil zu entdecken und zu entwickeln. Einen, der Authentizität und die eigene Persönlichkeit zulässt. Nicht einer, der aus der Hierarchie heraus vorgegeben wird. Sie brauchen ein „sicheres“ Umfeld, um ehrlich über Herausforderungen im Führungsalltag zu sprechen. Eine Hilfestellung, wie sie mit Entscheidungen, die zu treffen sind, umgehen können. Eine persönliche Stärkung um auch „schwierigen“ Kollegen mit festem Stand gegenübertreten zu können. Ein Verständnis vom eigenen Team, deren Rollen und wie sie dieses führen können. Und junge Menschen benötigen alternative Herangehensweisen, Methoden und Tools zur Team- und Projektführung im Arbeitsalltag. Denn sie sind die Unternehmensgestalter von morgen und entscheiden mit, wie zukünftig gearbeitet wird. (Annika Korthals)

Terminhinsweis: #youngleadership-Training
Vom 29. bis 31. Januar 2020 findet in den Circle Rooms München das
#youngleadership-Training statt, um junge Nachwuchsführungskräfte in ihren Aufgaben zu unterstützen. Kosten 980 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer. Mehr Informationen und Anmeldung unter go-your-own-way.org

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