Freizeit und Reise

Villen entlang des Corso degli Inglesi. (Foto: Irgens-Defregger)

10.10.2014

Auf den Spuren von Kaiserin Sisi

Im mondänen San Remo ist auch der normale Tourist willkommen

m noch jungen Zeitalter der Mobilität und des aufblühenden Tourismus war die reiselustige und ihren Drang nach Freiheit auslebende österreichische Kaiserin Elisabeth unterwegs kreuz und quer durch ganz Europa in ihrem eigenen Eisenbahnwaggon. Wenn sie in See stach mit Kurs auf jene Sehnsuchtsorte weit entfernt der Kaiserstadt Wien und des von ihr gehassten Hoflebens, wählte sie einen ihrer drei privaten Raddampfer, die allesamt Staatsschiffe der K&K Kriegsmarine waren.
Die Schönheit von San Remo an der sonnenverwöhnten Küste Liguriens blieb dem weltläufigen Wandervogel dabei nicht verborgen. Hier verbrachte sie längere Zeit als in anderen Fernzielen. In Marseille startend, gelangte sie zu Jahresbeginn 1898 mit ihrer Yacht „Miramare“ nach San Remo: „Eingeschifft, blieben wir drei Tage im Hafen liegen. Ihre Majestät fühlte sich abermals schlechter und wagte sich nicht in die unruhige See. Endlich beruhigten sich die Wogen, am vierten Tage lichteten wir die Anker und erreichten glücklich San Remo. Die längst ersehnten warmen, lachenden Sonnenstrahlen empfingen uns am italienischen Ufer“, schreibt die ungarische Gräfin Irma Sztáry in ihren Erinnerungen an die letzten Jahre der österreichischen Kaiserin.
Dank der akribischen Berichterstattung der mitreisenden Gräfin erfahren wir, dass die Kaiserin in den Wintermonaten Januar und Februar hier ihre „partielle Nervenentzündung“ auskurierte, Spaziergänge bis in den Nachbarort San Bartolomeo unternahm und sogar in San Remo eine Villa kaufen wollte: „Ich hätte gerne die Villa Rosa angekauft, aber diese Irma erlaubt es nicht“, scherzt die Kaiserin gegenüber der Gräfin Trani.
Gelegentlich stärkte sich die Kaiserin mit Cognacbonbons. Oder Hirten reichten ihr frische Ziegenmilch, „die Ihre Majestät mit Hochgenuß zu sich nahm“ – aus ihrem eigenen silbernem Becher, versteht sich, den sie stets dabei hatte.
An Sisis Aufenthalt in San Remo erinnert heute noch das berühmte Royal Hotel, vormals Grand Hotel Royal genannt. In einem handschriftlichen Dokument vom 18. Februar 1898 ordnete die Gräfin an, dass vor dem bevorstehenden Besuch der Kaiserin die Villa Ormond gut gelüftet werden sollte. Es belegt aber auch die Präsens der Kaiserin im damaligen Hotel Royal.
In der Oase des Luxus übernachtet man auch heute noch herrschaftlich. Bereits in fünfter Generation wird das Hotel von den Nachkommen seines Gründers Lorenzo Bertolini geführt, einem sehr weitsichtigen Hotelier, dessen erstes Hotel sich am Fuße des Mont Blancs in Courmayeur, der heimlichen Hauptstadt der Alpinisten, befand. Der englischen Königin Margaret zuliebe, hatte er bereits Mitte des 19. Jahrhunderts seine Zimmer mit dem Novum Bad und Elektrizität ausgestattet.
Kurz nachdem die neue Bahnlinie von Genua über San Remo nach Ventimiglia 1872 eröffnet wurde, war er Eigentümer eines Luxushotels an der neu gebauten Küstenpromenade an der ligurischen Küste geworden. Sein Haus gilt als eine Institution, die ihren Charme und ihre Einzigartigkeit bewahrt hat in einer gelungenen Kombination von Tradition, Komfort und moderne Technik.
Im Restaurant Fiori di Murano kann seit 1947 florale Glaskunst an der Decke bewundert werden. 1948 entwarf der mailändische Architekt Giò Ponti eine Swimming-Pool-Landschaft, die erste europaweit, als Naturbecken gestaltet, mit Meerwasser gespeist und harmonisch eingebettet in die historische, subtropische Parkanlage.
Stars wie Maria Callas, Clark Gable, Roger Moore, Sofia Loren, José Carreras, Paul Mc Cartney, Andy Garcia und viele andere Berühmtheiten aus der Politik- und Finanzwelt haben sich hier eingefunden.
Der Aufenthalt in der frisch renovierten 111 Quadratmeter großen Sisi-Suite, ausgestattet mit Stilmöbeln, die an die Ära der Belle-Epoque erinnern, und vorgelagerter Terrasse, wie in einem der anderen 125 Zimmer und Suiten mit fulminantem Ausblick auf Park und Meer wird jedem Gast unvergesslich bleiben. Nicht umsonst gehört das traditionsreiche Nobelhotel mit fünf Sternen zur Gruppe „The Leading Hotels Of The World“. Der Elite-Tourismus in San Remo ist bis heute nicht abgerissen, wenngleich auch der normale Tourist hier willkommen ist.
Im Zentrum einer weitläufigen Bucht zwischen Kap Nero im Westen und Kap Verde im Osten hat sich die Stadt der Extreme ihr ganz eigenes Gesicht bewahrt. Im ältesten Stadtteil, dem Stadthügel der „Pigna“ („Tannenzapfen“), einem orientalisch anmutenden Gassengewirr mit Häusern die zur gegenseitigen Verteidigung eins auf dem anderen gebaut wurden und bis ins Mittelalter zurückreichen, herrscht der pittoreske Charme des Verfalls. Die Touristen nehmen hier jedes Bildmotiv dankend auf. Jedweder Hauch von Luxus bleibt den Einheimischen, die hinter dem bröckelnden Mauerwerk ihre Bleibe haben, unbekannt.

Hier lebte bis zu seinem
Tod auch Alfred Nobel


Anders verhält es sich bei den Besitzern jener prachtvollen Villen, die ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Neustadt, vor allem entlang dem sich den Hügel hinauf mäandernden Corso degli Inglesi entstanden sind. Nicht nur englische und russische Adelige suchten hier in den Wintermonaten Wärme und Erholung. Auch Alfred Nobel zog es in seinen letzten Lebensjahren an die Blumenriviera. Bis zu seinem Tod 1896 residierte er in seiner eigenen, stattlichen Villa, die heute ein Museum ist.
Die Stadt der Zitrusfrüchte wurde um 1900 zur Stadt der Blumenzüchter. Noch heute erreichen Blumen aus San Remo traditionell Stockholm, anlässlich der Feierlichkeiten zur Verleihung des Nobelpreises. Ebenso verschönert die Blumenpracht aus San Remo das Neujahrskonzert in Wien.
In wenigen Jahren wandelte sich das einstige Fischerdorf in ein mondänes Touristenzentrum, dessen Aushängeschild noch immer das 1905 erbaute Spielkasino ist. Allerdings verdrängen einarmige Banditen mehr und mehr die grünen Tische des Roulette-Spiels. Eine feste Größe im Veranstaltungskalender seit 1951 ist auch das weltberühmte Schlagerfestival „Festival della Canzone Italiana“ im Teatro Ariston. Wer auch immer Domenico Modugnos berühmtes Lied von 1958 „Nel blu dipinto di blu“ im Ohr hat, verspürt zwangsläufig eine Sehnsucht nach Italien.
Wer es sportlicher haben will, der radelt, ungestört vom Autolärm, entlang der stillgelegten Küsten-Bahntrassen. Immer wieder führt der 18 Kilometer lange Radelweg zwischen San Remo und San Lorenzo al Mare durch angenehm kühle Tropfsteintunnel. Einer davon wurde jüngst zum Ausstellungsraum umfunktioniert und rekapituliert die Geschichte des weltberühmten Radrennens Mailand – San Remo als kulturelle Entdeckungstour.
(Angelika Irgens-Defregger) (Sissi-Suite im Royal Hotel; im verwinkelten Altstadtviertel Pigna und das Grand Royal Hotel sowie der Strand - Fotos: Irgens-Defregger)

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