Freizeit und Reise

Bockbier. "Flüssiges bricht Fasten nicht!" (Foto: Bayerischer Brauerbund)

15.02.2018

Auf zur "fünften Jahreszeit"

Fastenstarkbier: Vom Klosterbrauch zur "fünften Jahreszeit"

„G´standne Mannsbilder“ schätzen seinen vollmundigen Geschmack, weibliche Biergenießer seine dezente Malzsüße: Von Aschermittwoch bis zur Karwoche wird in Bayern endlich wieder die „flüssige Fastenspeise“ ausgeschenkt, das Fastenstarkbier. Die Saison der vor Jahrhunderten in Klosterbrauereien entwickelten, stark eingebrauten Biere begeht man im Land der Biervielfalt als „fünfte Jahreszeit“. Dass die Doppelbockbiere etwas ganz Besonderes sind, verraten schon ihre klangvollen Namen. Das Erkennungszeichen der Fastenstarkbiere ist ihre Endung „-ator“: Salvator, Animator, Operator, Delicator, Maximator, Optimator, Triumphator, Curator ... Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen. Wenn allerdings in den Klöstern die Quadragesima begann, die strenge vorösterliche Fastenzeit, durften sich einst die Ordensleute nur mit flüssiger Nahrung für Gebet und Arbeit stärken. Leichter gesagt als getan! Doch klösterliche Braumeister - deren Vorgänger in Bayern bereits seit dem 11. Jahrhundert die Wirkung der Bierzutaten erforschten, Rezepturen erprobten und die Braukunst zur Blüte entwickelten - fanden heraus, dass auch Bier sättigte ..., wenn sie es nur stark genug einbrauten! „Flüssiges Brot“ nannten sie den kräftigen, untergärigen Trunk, von dem jedem Klosterbewohner mehrere Liter täglich zugemessen wurden (diese Zumessung stand später Pate für die Maß). Auch die Reisenden, die in den Klöstern um Obdach und Verpflegung baten, bekamen von der flüssigen Fastenspeise. Und sie waren sich mit den Mönchen und Nonnen einig: Der starke Klostertrunk schmeckte vorzüglich. Heute nennen wir die Biere, die in Bayern von Aschermittwoch bis zur Karwoche ausgeschenkt werden, Fastenstarkbiere. Sie gehören zu den Doppelbockbieren, für die mindestens 18 Prozent Stammwürzegehalt vorgeschrieben sind. Als „Stammwürze“ bezeichnet man die Stoffe, die vor der Vergärung in der Würze gelöst sind: vor allem Malzzucker, aber auch Eiweiß, Mineralien und Vitamine. Bei der Vergärung wandelt die Hefe den gelösten Malzzucker in Alkohol und Gärungskohlensäure. Mit dem Stammwürzeanteil steigt also auch der Alkoholgehalt eines Bieres. Als Faustregel gilt: Der Alkoholgehalt entspricht etwa einem Drittel des Stammwürzegehalts. Bei normalem Vollbier liegt er zwischen 4,5 und fünf Prozent. Bockbier hat mehr als sechs, Doppelbock über sieben Prozent Alkoholgehalt. Untergärige Doppelbockbiere sind ausgeprägt „malzblumig“ - das Malzaroma tritt also im Duft deutlich hervor. Auch der Geschmack des vollmundigen Bieres ist malzbetont, abgerundet durch eine leichte Karamellnote. Es gibt dunklen und hellen Doppelbock, der sich, anders als häufig angenommen, nicht grundsätzlich in Stammwürze- und Alkoholgehalt unterscheidet. Die Farbe des Bieres hängt allein vom verwendeten Malz ab. Dunkle Malze geben dem Bier einen anderen Geschmack als helle, müssen jedoch keinen höheren Stammwürzegehalt haben. Natürlich stammen die meisten Doppelbockbiere heute nicht mehr aus Klöstern, sondern aus weltlichen Brauereien. Die Säkularisation, die Industrialisierung und die Konkurrenz durch die Brauerzünfte setzten im 19. Jahrhundert vielerorts der häufig lukrativen klösterlichen Brauwirtschaft ein Ende. Gerade hochprozentige Biere laden Braumeister förmlich dazu ein, ihrer Braukunst freien Lauf zu lassen und mit neuen Malzmischungen und fruchtig-blumigen Hopfensorten kreativ zu sein. Dies beflügelt sowohl innovative Craft-Brauer als auch gestandene Traditionalisten und bereichert stetig das Sortiment der „fünften Jahreszeit“. Zeitgemäß entwickelt sich übrigens nicht nur die Braukunst, sondern auch der Biergenuss. Statt sich während der Fastenzeit wie einst mit fünf bis zehn Litern Starkbier täglich zu nähren, genießt man heute maßvoller - und gönnt sich stattdessen zum Starkbier ausgewählte und passende Köstlichkeiten. Beim passenden Bier zum Essen hat auch der Steinkrug ausgedient und Gourmetgläser mit 0,1 oder 0,2 Ltr. haben ihn ersetzt. Zum Schluss des feinen Menüs setzt ein malzbetonter Doppelbock zum Schokomousse beispielsweise einen ganz besonderen kulinarischen Akzent. Viele Brauereien zelebrieren den Anstich ihres Fastenstarkbieres mit einer „Starkbierprobe“. Die bekannteste und sicher auch eine der ältesten „Starkbierproben“ findet traditionell mit der Fastenpredigt und dem darauf folgenden Singspiel auf dem Nockherberg in München statt. (BSZ)

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