Freizeit und Reise

Hinter dem furchterregenden Auftreten des Gorilla-Clananführers versteckt sich ein friedlicher Charakter. (Foto: Gabriela Grees)

14.10.2020

Eine unvergessliche Stunde unter Menschenaffen

Gorilla-Trekking in Ruanda – ein Abenteuer fürs Leben

Ruanda ist ein neuer Hoffnungsstern für Afrika. Aus dem begehrten Gorilla-Trekking machte das kleine aufstrebende Land einen Joker für seinen vorbildlichen Natur- und Artenschutz. Wer im Volcanoes Nationalpark eine unvergessliche Stunde mit Menschenaffen verbringt, hilft zudem der armen Landbevölkerung.

Es ist früh am Morgen und der Weg zu den Berggorillas führt über glitschige und teils sehr steile Pfade. Wer einen Träger engagiert, freut sich über dessen stützende Hand. Wir sind auf 2700 Metern Höhe unterwegs im Norden von Ruanda. Im Revier der Menschenaffen lauschen wir gebannt dem leise zirpenden Sound des Regenwalds. Während dichter Dschungel unsere Stimmen wie von Geisterhand verschluckt, wächst mit jedem Höhenmeter die Spannung. Wo bleiben die Berggorillas?

Im Länderdreieck mit der Demokratischen Republik Kongo und Uganda liegt ihr weltweit einmaliges Habitat. Rund 1000 Berggorillas leben hier als Letzte ihrer Art. Weniger als 100 Touristen pro Tag bekommen die Lizenz, ihren geschützten Lebensraum – den Volcanoes Nationalpark – unter Einhaltung strenger Regeln in kleinen geführten Gruppen zu besuchen.

Hoch oben im Bergwald ist man kräftig am Schnaufen, aber es gibt keine Stechmücken. Nach gut einer Stunde anstrengendem Marsch stoßen wir auf erste Spuren von Berggorillas. Unser Guide Fidel Nsengiyumva präsentiert überraschende Zahlen: „Hier im Virunga Massiv sind jetzt 604 Gorillas heimisch; fast doppelt so viele, wie unsere Ranger im Jahr 2003 zählten: Dank einer Naturschutz-Philosophie, die Anwohner des Waldes zu Wächtern der Menschenaffen macht.“

Archaische Laute
aus tiefster Tierkehle

Der Biologe erzählt von seinem Bruder, der mit der legendären Gorilla-Forscherin Dian Fossey (1932 bis 1985) zusammenarbeitete; und er demonstriert gleich die Sprache der Menschenaffen mit 15 erstaunlichen Tonfolgen. Wir erfahren, dass die friedlichen Primaten lange trainiert werden, um tolerant auf Menschen zu reagieren. Aber wollen sie tatsächlich mit uns kommunizieren?

„Die Laune eines Gorillas kann ich an seinen Lauten ablesen“, sagt Fidel: „Nur kleine tollpatschige Racker, die stupsen mal spontan – das ist Spiel.“ Als wir einen Bambushain erreichen, bemerkt er verschmitzt: „Menschenaffen lieben Bambustriebe. Die sprießen derzeit nicht – also weiter geht’s.“

Dann das Kommando: „Deponiert das Gepäck, die Fährtensucher sind auf der Spur des Isimbi-Gorilla-Clans.“ Jetzt geht es in die Wildnis, ein Ranger schlägt mit der Machete einen Pfad. Da hören wir auch schon archaische Laute aus tiefster Tierkehle und das Ritsch-Ratsch niedergewalzten Gestrüpps. Vorbei ist es mit der morgendlichen Stille im Nebelwald. Plötzlich scheint der Urwaldboden unter uns zu beben. Die Berggorillas rücken an.

Als Vorhut präsentiert sich ein Silberrücken. Der Anblick des gut 200 Kilo schweren Clanführers Muturengere ist atemberaubend. Er mustert uns mit bernsteinfarbenen Augen und kaut dann konzentriert weiter an einem dicken Halm. Rund 15 Kilo Pflanzen verzehren die in Familienverbänden lebenden Menschenaffen pro Tag, wenn sie auf Nahrungssuche bis zu 3200 Meter hoch im Nebelwald unterwegs sind. Der sorgt für reichlich Niederschlag, den Gorillas mit ihrem 17-Liter-Wasserkonsum am Tag zum Überleben brauchen.

Muturengere gibt plötzlich kuriose Laute von sich und macht eine Drehung. Jetzt ist der schrankbreite Rücken des gewaltigen Primaten in seiner ganzen Wuchtigkeit zu sehen. Etwas Godzilla-Grusel stellt sich ein. In der achtköpfigen Gruppe hört man jetzt auch keine Kameras mehr Klicken. Ein Selfie mit Gorilla hat bereits jeder im Kasten. Die Anspannung ist greifbar und mit nervösem Blick schauen einige Teilnehmer zum Ranger, der eine schwere Waffe geschultert hat. Dank dem sorgfältigen Briefing kehrt schnell wieder Ruhe ein. Von den Gorillas droht keine Gefahr, die einfachen Sicherheitsregeln haben alle Teilnehmer verinnerlicht.

„Wild umherstreunende Büffel, die könnten ein Risiko sein“, informierte Fidel vor der Tour und klärt uns auf, dass Muturengere wie jeder Silberrücken mehrere Weibchen hat: „Die Chefin im Harem ist die Affendame, die am längsten an seiner Seite war.“ Da hört man auch schon ein schweres Hopsen aus dem Gebüsch.

Mother Ruhuka mit
Baby im Huckepack

Welch ein Glück, Mother Ruhuka taucht mit Baby im Huckepack auf. Sie brummelt uns freundlich zu und schon sind wir mittendrin in einem garantiert gitterfreien Gorilla-Talk. Nach einer Stunde voller nervenkitzelnder Emotionen sind sich alle einig: Im Reich der Berggorillas fühlt man sich wie im Zwiegespräch mit archaischen Vorfahren. In deren offenem Blick liegt ein Stück neugieriges Menschsein.

Zur Mittagszeit öffnet das nahe gelegene Gorilla Guardian Village seine Tore für all die Abenteurer, die etwas verwildert und verschwitzt von ihrer spektakulären Bergtour zurückkommen. Gorilla-Trekking mit seinen begehrten „goldenen Devisen“ ist in Ruanda der Joker eines nachhaltigen Tourismus. Der hat sich nicht nur dem Schutz der bedrohten Spezies und Regenwälder verpflichtet, sondern auch einer verantwortungsbewussten Community Work. Als erklärtes Leitziel wird die benachbarte Bevölkerung der Naturschutzgebiete in die touristischen Projekte miteinbezogen.

Ruander, die früher im Volcanoes Nationalpark wilderten, haben im Gorilla Guardian Village Arbeit gefunden. Sie fertigen Kunsthandwerk – wie originelle Gorilla-Holzschnitzereien – und demonstrieren, wie man Bananenbier nach alter Tradition des Landes braut. Wer will, kann sich im rituellen Bogenschießen üben. Vor dem imposanten Panorama des 4705 Meter hohen Vulkans Karisimbi tanzen Einheimische zu ekstatischen Trommelklängen. Wir schauen nochmals sehnsüchtig hoch zum Virunga-Massiv, wo uns die Berggorillas eine unvergessliche spannende Stunde fürs Leben bescherten.

Obwohl von deutscher Seite immer noch eine Reisewarnung für Ruanda gilt, hat das Land seine Grenzen für Touristen wieder geöffnet – und lockt mit einem Angebot für das bislang exklusiv teure Gorilla-Trekking. Kostete bislang ein einstündiger Besuch bei den bedrohten Berggorillas 1500 US-Dollar, sind es bis zum 31. Dezember 2020 umgerechnet nur 445 Euro. Wer einreist, muss einen maximal 72 Stunden alten negativen Corona-Test vorweisen. Ein weiterer Test wird im Land fällig, bevor die Touristenattraktionen besucht werden können. (Gabriela Greess)

(Im Gorilla Guardian Village haben viele Ruander, die früher wilderten, Arbeit gefunden. Mother Ruhuka mit ihrem Baby - Fotos: Gabriela Greess)

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