Freizeit und Reise

Der horizontale Wasserfall. (Foto: Uschi von Grudzinski)

15.05.2019

Unterwegs in Westaustralien

Wo Urlauber Abenteuer und ganz viel Natur erleben können

Zugegeben, der Begriff Abenteuer ist dehnbar. Aber eine Reise auf die andere Seite der Erde, dahin, wo der Winter Temperaturen um 18 Grad bietet und der Sommer sechs wunderbare Monate lang ist, wo Kängurus über weiße Strände hüpfen, man mit Vierrad-Antrieb durch rote Erde brettern und beim Glamping seine Toleranzgrenzen austesten kann, ist schon eine gewisse Herausforderung. „Soft-Adventure, Abenteuer für Feiglinge“, nannte es meine Freundin grinsend. „Klingt gefährlich, fühlt sich aufregend an, ist aber eigentlich total sicher.“ Auf den Punkt.

Eli und ich wagen es. Zwei Frauen, die sich jünger fühlen, als sie sind. Fit. Neugierig. Unternehmungslustig. Von Zeit zu Zeit fernwehgeplagt. Also auf nach Westaustralien. Zwei Wochen. Von Perth nach Broome, von dort zum Cape Leveque und zurück nach Perth. Auf der Landkarte fix erledigt. In Natura staunen wir über die Dimensionen. Westaustralien ist der größte Bundesstaat des fünften Kontinents, 2 646 000 Quadratkilometer groß. Da passt Deutschland locker 7,5 mal rein. Hier steigt man öfter in den Flieger als ins Taxi. Und mitunter bringt einen sogar ein Inlandsflug in eine andere Klimazone.

In Perth hatten wir gerade noch bei angenehmen Frühlingstemperaturen um 23 Grad eisschleckend am Elizabeth-Kai gesessen. 2,5 Stunden und 1700 Kilometer Luftlinie später treten wir bei glühenden 33 Grad in Broome aus dem Flughafengebäude. Die 14 000-Seelen-Stadt am Indischen Ozean ist Ausgangspunkt für unser Self-Drive-Abenteuer durch die Kimberley-Region zum Cape Le-veque. Doch als erste Hürde erweist sich die Übernahme des reservierten 4WD-Fahrzeugs. Mein Führerschein ist ein alter „Lappen“ mit einem Foto, das mich mit schüchternen 17 zeigt, und meinem Mädchennamen. Es braucht viel Überredungskunst und etliche Telefonate, den Herrn am Budget-Schalter davon zu überzeugen, dass der Führerschein, mein Reisepass und ich zusammengehören. Ich schwöre, mir endlich einen neuen Führerschein zu besorgen.
Ein Füllhorn an Naturwundern

Am Abend sitzen wir bei Sonnenuntergang auf der Restaurant-Terrasse des Cable Beach Hotels. Kinder spielen auf dem Rasen, Palmen heben sich wie Schattenrisse vom Horizont ab, und als der glutrote Sonnenball im Meer versunken ist, zieht vor glühend rotem Himmel eine Kamelkarawane vorbei. Romantik total. Die Natur zeigt, was sie so drauf hat.

Und das ab jetzt täglich. Oft 24 Stunden lang. In Westaustralien hat der Herrgott sein Füllhorn an Naturwundern, geologischen Besonderheiten und magischen Orten offensichtlich kopfüber geleert. Wir kommen auf dieser Reise aus dem Staunen kaum noch heraus. Zum Beispiel bei einem Flug mit einer Cessna über die Inseln der Kimberleys, die wie Edelsteine im türkisblauen Meer liegen.

Und dazwischen plötzlich ein Wasserfall mitten im Meer. Nicht von oben nach unten, sondern horizontal. Ein Wunder? Nicht ganz. Ein Natur-Phänomen. In dieser Region Westaustraliens gibt es die weltweit höchste Tide. Bis zu 14 Meter. Zwischen Ebbe und Flut herrscht deshalb eine enorm starke Strömung. Und hier, direkt unter uns, müssen sich die Wassermassen ihren Weg durch zwei gegenüberliegende Felsschluchten im Meer suchen. Durch den gewaltigen Wasserdruck, der so entsteht, staut sich das Wasser vor den beiden schmalen Felsentoren (20 und zwölf Meter breit), wird durchgepresst, entlädt sich mit Wucht und lässt den Eindruck entstehen, es handele sich hier um einen horizontalen Wasserfall.

Später fahren wir mit einem Motorboot zu dem Naturereignis. Die Gischt lässt die Luft rundum glitzern, der Lärm des Wassers dröhnt in den Ohren. Gewaltig. So auf Augenhöhe ist das „Wunder“ beinahe noch spektakulärer.

Auch das Phänomen der „Staircase to the moon“ hängt mit der Kraft der Tide zusammen, die bei Ebbe einen wellenförmigen Schlammboden zurücklässt. Die „Treppe zum Mond“ ist in Broome von März bis November zu bewundern, wenn erstens Vollmond, zweitens sternenklarer Himmel und drittens totale Ebbe zusammenkommen. Auf der Terrasse des Mangrove Resort Hotels warten wir auf das Ereignis, die Augen aufmerksam gen Himmel gerichtet. Doch es ist einfach nur dunkel. Kein Mond weit und breit. Dann beginnt ein Aborigine auf seinem Didgeridoo zu spielen, die Gäste um uns herum werden unruhig, jemand zeigt zum Horizont, und dann sehe ich ihn auch, den riesigen kugelrunden Mond, der langsam aus dem Meer aufsteigt, während sein orangefarbenes Licht Streifen auf den Boden zeichnet, die wie die Stufen aussehen. Eine Treppe, die direkt zum Mond zu führen scheint. Was für eine großartige Illusion.

Glamping,
Camping mit Komfort

Am nächsten Morgen starten wir – nachdem wir am Gantheaume Point rund 130 Millionen Jahre alte, versteinerte Dinosaurierfußabdrücke bestaunt haben – in Richtung Cape Leveque. 201 Kilometer nördlich, 80 Kilometer der Strecke unbefestigt. Roter Sand, vereinzelt grüne Bäume, blitzblauer Himmel. 34 Grad Außentemperatur und Einsamkeit total. Kein Mensch, kein Auto weit und breit. Das fühlt sich schon sehr nach Abenteuer an. Wie gut, dass wir ein Sixpack Wasser und ein paar Sandwiches dabei haben. Für den Notfall.
Die Landschaft ist unwirklich schön. Deshalb: Fotostopp. Genau in diesem Moment kommt uns ein Auto entgegen, hält an und die Fahrerin fragt, ob wir Hilfe brauchen. Eigentlich nicht, aber .... sie macht ein Foto von uns beiden. Irgendwie beruhigend, dass wir doch nicht so ganz allein auf weiter Flur sind. Großstadtpflanzen wie wir müssen sich erst langsam an diese unendlichen, größtenteils unbewohnten Weiten Westaustraliens gewöhnen.

In der Kimberley Region hat theoretisch jeder Einwohner ungefähr 10 Quadratkilometer Platz. Und Entfernungen werden irgendwie anders bewertet. Gleich da vorne rechts und dann ein paar Meter – das kann gut und gern noch anderthalb Kilometer heißen. Wie von der Rezeption der Cygnet Bay Pearl Farm bis zu unseren Safari-Zelten.

Mein letztes Zeltabenteuer habe ich bei der Camel-Trophy vor gut 20 Jahren in Südafrika bestanden und erkannt, dass ich nicht unbedingt der Iso-Matten-Typ bin. Aber jetzt ist Glamping angesagt, also Camping mit Komfort. Der Zeltplatz gehört zu einer Perlenfarm, in der die größten Perlen der Welt gezüchtet werden. Die allergrößte, mit einem Durchmesser von 2,24 Zentimetern, liegt im Museum in Broome und ist unverkäuflich. James Brown, Eigentümer der Cygnet Bay Pearl Farm, wurde auch beim 800 000-Dollar-Angebot eines deutschen Juweliers nicht schwach.

Doch zurück zum Glamping. Die Zelte sind groß, auf Stelzen gebaut, haben einen Holzfußboden, nette Einrichtung und eine möblierte Terrasse mit Blick aufs Meer. Sogar ein Bad mit funktionierender Dusche. Herrlich.

Aber dann kommt die Nacht. Und die beginnt um 20 Uhr – nach dem Abendessen im kleinem Restaurant der Anlage mit Jamie und Jessy, dem sympathischen Ehepaar, das seit sechs Jahren das Camp leitet. „Hier geht man ins Bett, wenn es dunkel wird und der Tag beginnt mit dem Sonnenaufgang früh um fünf“, erklären sie uns. Selbstverständlich wollen wir uns anpassen. Also ab ins Bett. Einschlafen geht schnell, trotz eines recht großen Grashüpfers auf meinem Nachttisch. Aber an Durchschlafen ist nicht zu denken. Die Geräusche der Natur sind zu ungewohnt. Es zirpt, piept, raschelt, brummt. Ich glaube, ich will gar nicht wissen, woher das alles kommt. Am unheimlichsten aber ist es, als ich Wasser am, um und unter meinem Zelt rauschen höre. Ist wohl die Flut. Kein Grund zur Panik, rede ich mir ein und schlafe tatsächlich weiter.

Am nächsten Morgen ist wieder eitel Sonnenschein. Hell. Freundlich. Vertrauenerweckend. Das Meer in beruhigender Entfernung. Ich sitze schon um kurz nach fünf auf meiner Terrasse und schaue aufs Meer. Die Welt ist still, friedlich, wunderschön. Und als uns auf dem Weg zum Frühstück noch drei Mangos vom Baum direkt vor die Füße fallen, fühlen wir uns wie im Garten Eden.

Zelte auf Stelzen
mit Holzfußboden

Wir fahren mit einem Amphibien-Fahrzeug hinaus aufs Meer, steigen in ein Motorboot um und schippern damit zu einem Riff, über das sich, ebenfalls fast horizontal, ein kaskadenartiger Wasserfall ergießt. Wo die Natur solche Wunder vollbringt, braucht man keinen Fernseher. Den Abend verbringen wir im „benachbarten“, etwa eine halbe Fahrstunde entfernten Camp Kooljaman. Die Traumkulisse aus feinem weißem Sandstrand, tiefblauem Meer und roten Felsformationen lassen jedes Fotografenherz höher schlagen. Und in Raugi’s (alkoholfreiem) Restaurant werden wir mit einheimischer Spezialitätenküche aus regionalen Zutaten verwöhnt, bis wir kurz vorm Platzen sind. Die nächste Nacht schlafe ich schon etwas ruhiger. Glamping ist echt cool. Ich freue mich auf unsere nächste Open-Air-Unterkunft.

Zunächst aber brettern wir durch die rote Erde zurück nach Broome. Inzwischen fühle ich mich schon als Offroad-Profi. Für einen Zwischenstop fahren wir rechts von der Piste ab und landen nach ein paar Kilometern in Beagle Bay, einer Aboriginal Community. Das Nest wirkt wie eine Geisterstadt. Niemand da. Kein Mensch auf den Straßen, vor den Häusern, an der Benzinzapfsäule oder auf dem Schulhof. Aber wir finden die in unseren Unterlagen beschriebene Sacred Heart Kirche mit ihrem berühmten Altar aus Perlmuttmuscheln. Echt eindrucksvoll.

Dann geht’s zurück über Broome und zum südlich der Stadt gelegenen Ramada Eco Beach Resort. Ein wunderschöner langer Sandstrand, ein schickes Restaurant, einladender Pool, elegante Strandvillen und Zelte. Die Wege durch den Sand sind mit Bohlen befestigt. Später denke ich, dass der Begriff „auf dem Holzweg sein“ hier entstanden sein könnte. Aber erst einmal beziehe ich gut gelaunt mein Eco-Zelt „Green Turtle 53“, ohne zu ahnen, dass ich hier nicht die einzige bin.

Erst am Abend treffe ich nach und nach auf meine Mitbewohner: Eine Großfamilie der Spezies Grüner Baumfrosch tobt sich in meinem Bad aus, hüpft durch die Dusche, planscht in der Kloschüssel. Ich bemühe mich, nicht hysterisch zu werden, gehe ins Bett und hoffe, dass die Blase hält. In dieser Nacht schwöre ich mir, dass dies mein letztes Glamping-Abenteuer ist. Vor allem, als ich auch noch einen Frosch neben meinem Bett entdecke. Ein verwunschener Prinz? Ich werde es wohl nie erfahren.

Am nächsten Tag treten wir nach einem spaßigen Schlamm- und Sekt-Treatment am Strand die Rückreise nach Perth an – und genießen nach den aufregenden Natur-Abenteuern in der Kimberly Region zwei Nächte den absoluten Luxus des Nobelhotels COMO the Treasury. Tagsüber entdecken wir die freundliche Hauptstadt Westaustraliens weitgehend zu Fuß. Zum Beispiel mit Ryan, der die Agentur „Two feet and a heartbeat“ gegründet hat, um Besuchern all die kleinen, interessanten, liebenswerten Besonderheiten seiner Heimatstadt zu zeigen.

Wir entdecken romantisch hinter blühenden Kängurupfoten-Büschen versteckte Cafés, kunstvolle, teilweise interaktive Malereien an Hauswänden und das kleinste Kunstwerk der Stadt, zwei winzige Bronze-Mäuse neben der Rathaustür – als kuriose Erinnerung an einen bekannten Stadt-Bäcker.

Bootsfahrt mit
der River Lady

Wir fahren mit der Bahn in den Multi-Kulti-Vorort Fremantle und wir entern die River Lady für eine Bootsfahrt auf dem Swan River. Inklusive Wine tasting. Die erste Weinprobe wird um 10.23 Uhr gereicht. Weiter geht’s im Minutentakt. Holla, die Waldfee. Während draußen die stille Rebenlandschaft vorüberzieht, kosten wir unter der Leitung des gutgelaunten Sommeliers Weißen, Roten und Rosé und versuchen uns auf die berühmten 5 S zu konzentrieren, die offensichtlich jeder australische Weinverkoster beachten muss: see (die Farbe ansehen), swirl (den Wein im Glas leicht bewegen), sniff (den Duft einatmen), sip (nippen und das Aroma kosten), savor (den Testschluck möglichst lang schmecken). Gottlob geht die River Lady vor Anker, bevor wir nicht mal mehr bis drei zählen können.

Am Abend geht unser Flug zurück nach Deutschland. Müde sinken wir in die engen Flugzeugsitze und lassen die Weite Westaustraliens hinter uns. Allerdings nur sehr, sehr ungern. (Uschi von Grudzinski)

(Broome Gantheaume Point. Der Altar aus Perlmuttmuscheln der Sacred Heart Kirche in Beafle Bay. Ein versteinerter Saurierfußabdruck und ein grüner Baumfrosch - Fotos: Uschi von Grudzinski)

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