Freizeit und Reise

„Das Wolfsbrunn“ ist heute das Fünfsternehotel Schloss Wolfsbrunn. Das Haus verfügt über 24 Zimmer und Suiten. (Foto: Cornelia Oelwein)

08.05.2023

Wechselhafte Geschichte eines Anwesens

Münchner Kunst im Erzgebirge, das Schloss Wolfsbrunn

Das Erzgebirge bietet mehr als Nussknacker und Schaubergwerke: Jenseits der ausgetretenen Räuchermännchen- und Schwibbogen-Touristenpfade kann man jede Menge Entdeckungen machen. Südlich von Zwickau (das mit seinem hervorragenden August Horch Museum selbst einen Abstecher wert ist), an den Ufern der Zwickauer Mulde etwa, reihen sich mittelalterliche Burgen: Wildenfels, das zum Schloss ausgebaut wurde und in dem noch heute einzigartige Seidentapeten aus dem 18. Jahrhundert zu besichtigen sind, die Ruine Hartenstein oder Burg Stein am Flussübergang mit einem kleinen Burgenmuseum.

In Stein saß einst auch der berühmt-berüchtigte Junker Kunz von Kaufungen, der in die Geschichte als Initiator des „Sächsischen Prinzenraubs“ einging. 1455 ließ er die Prinzen Ernst und Albrecht entführen. Sie sollten später als die Begründer der Länder Thüringen und Sachsen gelten. Doch zunächst wurde Prinz Ernst vorübergehend in einem alten Bergbaustollen gefangen gehalten, bevor er wie Albrecht, der auf anderem Weg versteckt werden sollte, befreit werden konnte. Die „Prinzenhöhle“ nahe Hartenstein kann man noch heute auf einem kurzen, romantischen Weg erwandern. Kunz von Kaufungen und seine Helfer wurden – um dies noch zu ergänzen – wenig romantisch auf dem Freiberger Obermarkt enthauptet.

Doch nicht alle herrschaftlichen Anwesen sind mittelalterlich-düster und deren Geschichten blutrünstig. Nur einen Steinwurf von Burg Stein entfernt steht ein Schloss ganz anderer Art, erbaut allein zum Vergnügen. Eigentlich war es das Wochenend- und Feriendomizil eines schwerreichen Bergbauunternehmers, das dort zu Beginn des 20. Jahrhunderts in einem weitläufigen Park entstanden ist. Das Überraschende daran ist: Es mutet aus bayerischer Sicht ziemlich vertraut an. Und das hat seinen Grund. Sowohl der Architekt als auch die beteiligten Künstler reisten aus München an. Zusammen schufen sie Schloss Wolfsbrunn, ein typisches Bauwerk ihrer Zeit, das irgendwo zwischen Heimatschutz- und Jugendstil anzusiedeln ist, mit einer Prise süddeutschem Barock.

Die Pläne stammen
von Emanuel von Seidl

Karl Georg Wolf (1863 bis 1934), Grubenvorstandsvorsitzender der Gewerkschaft Deutschland zu Oelsnitz im Erzgebirge und Bergbauunternehmer im Zwickauer und Lugau-Oelsnitzer Steinkohlerevier, hatte die Pläne von Emanuel von Seidl (1856 bis 1919) entwerfen lassen. Der Architekt, der wie sein Bruder Gabriel von Seidl der traditionsreichen Münchner Bäckerfamilie entstammte, steht heute zwar etwas im Schatten seines älteren Bruders, doch zu seinen Lebzeiten war Emanuel mindestens so berühmt wie dieser.

Emanuel war der Liebling der feinen Gesellschaft, schuf Paläste und Villen für Großbürger, Industrielle und Adelige, für den Komponisten Richard Strauss in Garmisch oder für die reiche Spaten-Brauerei-Erbin Franziska Lautenbacher in Schwabing (die heutige Seidlvilla) und viele andere mehr. In München kennt man vor allem das Elefantenhaus im Tierpark Hellabrunn oder den „Augustiner“ in der Neuhauser Straße mit seinem Muschelsaal.
Auch Karl Georg Wolf im fernen Sachsen beauftragte den Münchner Architekten, ließ zunächst gewissermaßen als Kostprobe das heute nicht mehr existierende „Huthaus“, ein Verwaltungsgebäude des Bergwerkbetriebs in Oelsnitz errichten und danach das „kleine Haus“ in Stein, als Vorläufer für das stets „großes Haus“ genannte Schloss Wolfsbrunn. Zwischen 1911 und 1912 wurde es errichtet; die Innenausstattung dauerte jedoch ein paar Jahre länger.

Emanuel von Seidl war dafür bekannt, dass er ein besonderes Geschick entwickelt hatte, herrschaftliche Villen und Landhäuser samt Interieur und Park gewissermaßen schlüsselfertig zu konzipieren. Dazu bediente er sich Münchner Künstler, mit denen er vielfach und äußerst erfolgreich zusammenarbeitete. So auch in Wolfsbrunn. Den Namengebenden Brunnen vor dem Eingang, der – wenig überraschend – das immer wiederkehrenden Tier des Familienwappens zeigt, schuf der Bildhauer Fritz Behn (1878 bis 1970).

Den Löwenanteil der Bauplastik allerdings übernahm Julius Seidler (1867 bis 1936), der sich hier nach Herzenslust, offensichtlich nach eigenem Geschmack und manchmal durchaus mit einem Augenzwinkern austoben durfte. Hauszeichen, Brunnen, Portale, Möbel, Decken und Gartenplastiken entstanden nach seinen Entwürfen im typischen „Münchner Stil“.

Überraschend viel davon ist bis heute erhalten geblieben, trotz der wechselhaften Geschichte, die das Anwesen noch erfahren sollte. Und so kann man hier, im Tal der Zwickauer Mulde, fast mehr seiner Werke finden als in München, wo viele seiner zahlreichen Fassaden- und Bauplastiken den Bomben des Zweiten Weltkriegs zum Opfer gefallen sind, andere sind einzeln über die Stadt verteilt. Man kennt ihn dank des Fassadenschmucks am Ruffinihaus, am Oberpollinger oder am ehemaligen Hertie am Bahnhof, des Portalschmucks am Dallmayr-Haus und einigen anderen Werken etwa in der Münchner Universität oder am Kurtheater in Bad Kissingen.
Aber wohl an beziehungsweise in keinem Gebäude sind so viele Seidler’sche plastische Schmuckstücke vereint wie in Wolfsbrunn, wo zudem im Garten rund um ein Brunnenparterre acht übergroße Schildkröten Blumenkörbe und musizierende Putten tragen.

Für die keramischen Zierelemente an Öfen, Kaminen, Brunnen sogar an Türrahmungen zeichnete in Wolfsbrunn der aus Partenkirchen gebürtige Bildhauer Joseph Wackerle (1880 bis 1959) verantwortlich. Wo die Majolika-Arbeiten entstanden sind, ist nicht überliefert, möglicherweise jedoch in der Keramischen Manufaktur Karlsruhe, mit der Wackerle mehrfach zusammenarbeitete.

Leider haben sich so gut wie keine Bauunterlagen erhalten. Die meisten Informationen verdanken wir einem zweiteiligen Aufsatz von Georg Jacob Wolf, einem der bekanntesten und meistbeschäftigten Münchner Kunstschriftsteller jener Jahre, der nicht nur mit all den in Wolfsbrunn beschäftigten Künstlern befreundet war, sondern auch über die meisten eigene Aufsätze verfasst hat. Und wie der Architekt Emanuel von Seidl beendete er sein Leben in Murnau.

Georg Jacob Wolf (nicht verwandt mit dem Bauherrn Karl Georg Wolf) scheint auch in Wolfsbrunn mitgefeiert zu haben. Auf jeden Fall war sein Aufsatz in der Zeitschrift Innen-Dekoration von 1921 reich bebildert, sodass man das damalige Aussehen der Räume gut erkennen und mit heute vergleichen kann. So wurde etwa aus dem ehemaligen Frühstückszimmer die Präsidentensuite, und der wuchtige Schrank mit Seidlers Schnitzereien steht noch immer auf dem Gang davor.

Musiksalon als Außenstelle des Standesamts

Im „Blauen Salon“, der seinen Namen dem Deckengemälde von Julius Diez (1870 bis 1957) mit der Darstellung der Göttin Diana umgeben von den zwölf Sternzeichen verdankt, kann man heute nicht nur Konzerten lauschen, sondern auch stilvoll heiraten – der ehemalige Musiksalon ist eine Außenstelle des Standesamts von Hartenstein. Im ehemaligen Speisezimmer, heute ein Besprechungsraum für Tagungen, dominieren düstere Gemälde aus der Zeit des Ersten Weltkriegs die Wände. Sie wurden 1918 von Fritz Erler (1868 bis 1940) vollendet. Sie stehen in starkem Kontrast zu den farbigen Medaillons darüber mit Porträts von Bach, Mozart, Beethoven und Wagner sowie Goethe, Schiller und Heine, die der Bauherr, ein großer Musikfreund, hier von Ludwig Herterich (1856 bis 1932) aufmalen ließ. Von ihm stammten möglicherweise auch weitere Wandmalereien, die heute jedoch nur noch äußerst fragmentarisch erhalten sind.

Auch einige Gemälde sind den Zeitläufen zum Opfer gefallen oder zumindest nicht mehr vor Ort erhalten, wie das Porträt des Hausherrn hoch zu Ross, gefertigt von Angelo Jank, ein Werk von Leo Putz oder eine Karikatur von Olaf Gulbransson, die Karl Georg Wolf als Schellenkönig zeigt. Nicht zuletzt diese Karikatur beweist: In Wolfsbrunn ging es feuchtfröhlich zu. Der Bauherr galt als großer Weinkenner, lud zu Weinproben ins Schloss – sein Weinkeller war Legende. Hier gaben sich Künstler die Klinke in die Hand beziehungsweise sie feierten zusammen rauschende Feste.

Umgebaut zum Fünfsternehotel

Noch 1918 kam es zu einem heiteren Künstlerfest, zu dem Julius Diez die Einladungskarte entwarf. Und als Musikliebhaber veranstaltete Karl Georg Wolf im Musiksalon exklusive Hauskonzerte, zu denen nicht selten Kräfte von der Dresdner Staatsoper anreisten, etwa Elisabeth Rethberg, die zu ihrer Zeit als beste „Aida“ galt.

1934 verstarb Karl Georg Wolf und mit ihm endete das glanzvolle Leben in Schloss Wolfsbrunn. Das riesige Vermögen war längst aufgebraucht. Der Sohn Hans Georg Wolf konnte das Anwesen nicht halten. Ab 1941 diente es unterschiedlichen Einrichtungen der NSDAP. Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden zunächst Umsiedler Unterschlupf im Schloss, 1945/46, nach der Gründung der FDJ (Freie Deutsche Jugend) wurde es an die Jugendorganisation übergeben. 1976 erfolgte die Umfunktionierung zur Pionierleiterschule – bis zum Ende der DDR.

Von 1990 bis 1997 stand das Haus leer, bevor es von den Gebrüdern Leonhardt vor dem gänzlichen Verfall gerettet wurde. Mit einer Summe von mehr als 10 Millionen Mark wurde es zu einem Schlosshotel umgestaltet. 1999 eröffnete das Fünfsternehotel Schloß Wolfsbrunn. 2010 kam es zur Neuorientierung und einigen Veränderungen. Heute verfügt „Das Wolfsbrunn“ über 24 Zimmer und Suiten, liebevoll und mit vielen Details im Stil der Erbauungszeit renoviert und einfühlsam modernen Hotelbedürfnissen angepasst, mit Spa-Bereich im Kellergewölbe.

Im ehemaligen Wintergarten entstand das Feinschmecker-Restaurant „Artischocke“; die Vinothek knüpft an alte Weintraditionen an. Im Sommer lädt nicht nur das Salettl nahe dem kleinen Weiher im Park zum Sitzen ein, sondern auch die überdachte beheizbare Terrasse anstelle der ehemaligen Pergola, von der lediglich die steinernen Säulen erhalten sind. Die (Whisky-)Bar „The Amber Room“ in eher schottisch anmutendem Ambiente ist eine moderne Ergänzung im Untergeschoss.

„Das Wolfsbrunn“ kann aber auch Ausgangspunkt für Wanderungen und Radtouren sein, wobei sich für die bergige Landschaft eher ein E-Bike eignet, das im Haus verliehen wird. Das Hotel in Hartenstein, Ortsteil Stein, liegt rund 10 Kilometer südlich der Autobahn A 72 von Hof nach Chemnitz/Dresden (Ausfahrt Zwickau-Ost). (Cornelia Oelwein)
 

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