Kommunales

Bürgermeisterin Gudrun Donaubauer (parteilos). (Foto: H. Denk)

09.08.2019

Tote Mäuse gegen Windräder

Die jüngsten Drohungen gegen eine ostbayerische Rathauschefin machen bundesweit Schlagzeilen – leider ist das kein Einzelfall

Die Bürgermeisterin der niederbayerischen Gemeinde Hauzenberg, Gudrun Donaubauer, hat mehrfach Drohpost erhalten. Der Zusammenhang mit geplanten Windrädern ist offensichtlich. Die Absender schickten der 54-Jährigen sogar tote Mäuse. Dabei ist sie nicht einmal eine große Befürworterin von Windkraftanlagen.

Bürgermeisterin Gudrun Donaubauer hat nicht allzu viel Zeit, um über die ekeligen Drohbriefe nachzudenken. Schreibtischarbeit im Rathaus, Besprechungstermin im Landratsamt, Vereinbarung zum Abendessen. Für den versprochenen Rückruf nutzte sie die Zeit einer Autofahrt, ein Gespräch über die Freisprechanlage mit Funklöchern und Wahlwiederholungen. Hauzenberg liegt, von den Netzbetreibern offenbar schlecht erschlossen, in einer hügeligen Berglandschaft im unteren Bayerischen Wald, im südöstlichsten Zipfel der Republik. Es fehlt an Mobilfunkmasten.

Die Polizei entdeckte ein weißes Pulver – Rattengift?

Doch in dieser Geschichte soll es nicht um Handymasten gehen – sondern um weit größere Riesen. „Auf dem Berge, da geht der Wind“, weiß der Mensch nicht erst durch alte Volkslieder. Im benachbarten Oberösterreich machen sie sich das seit Jahrzehnten zunutze. 1996 wurde im Innviertel die erste Windkraftanlage gebaut, 2016 die bisher letzte im Grenzgebiet zu Tschechien. 30 Windräder drehen sich in Oberösterreich und versorgen dort viele Haushalte mit CO2-neutralem Strom. Die Anlagen erzielen die Leistung eines kleinen Flusskraftwerks.

Die oberösterreichischen Windräder sind vergleichbar mit denen, die im Hauzenberger Raum zur Debatte stehen: Windräder auf relativ hohen Türmen mitten im Wald, die wenig Fläche brauchen. Die beiden nächstgelegenen sind jeweils rund 40 Kilometer Luftlinie entfernt, im Süden und im Osten. Der Umgang mit dieser Technik scheint entspannt zu sein. Das einsame Windrad, Nabenhöhe 100 Meter, das wie ein Zwilling zum Aussichtsturm mit Gaststätte am Steiglberg im Kobernaußerwald steht, ist beispielsweise als „Sehenswürdigkeit“ ausgewiesen. Es versorgt 1140 Haushalte mit Strom.

In Hauzenberg, 12 000 Einwohner, Heimat der Granithauer, fürchten sich einige wenige Bewohner vor der Windenergie und wehren sich dagegen. Und das nicht erst seit gestern. Als im August 2006 der erste Antrag eines Investors im Stadtrat auf den Tisch kam, wurde er abgelehnt. „Verschandeln Windräder den Woid?“, war drei Jahre später ein Beitrag in der Heimatzeitung überschrieben. Zu diesem Zeitpunkt war klar: Die Windkraft kann nicht aufgehalten werden, aber die Kommunen können verhindern, dass es zu Wildwuchs kommt, und sogenannte Konzentrationszonen ausweisen. „Wir wollen keine Verspargelung“, sagt die parteilose Bürgermeisterin Gudrun Donaubauer. Diese Kernzonen für Windkraft sind mit Mehrheitsbeschluss 2014 ausgewiesen worden. Doch der Protest, so scheint es, geht jetzt erst richtig los. 


Der Verein „Gegenwind am Ruhmannsberg“, gegründet diesen Januar, zählt nach eigenen Angaben 200 Mitglieder. In Informationsveranstaltungen zeigen die Initiatoren auf, wie gefährlich die Windkraft für Mensch und Umwelt sei – die tiefen Verankerungen, die langen Schallwellen, die für Vögel tödlichen Rotorblätter. Der Gegenwindverein hat seine Wurzeln allerdings nicht in Hauzenberg, sondern im 20 Kilometer entfernten Wegscheid. Er ist Anlaufstelle für Windkraftgegner aus der gesamten Region.

In Hauzenberg sorgen sich bestimmte Pensionsinhaber um ihre Einkünfte. Gäste könnten ausbleiben, wenn sie vom Balkon aus nicht mehr auf unberührte Waldhügel blicken, sondern auf deren Kammlinie Bauwerke aus den Wipfeln ragen, die wie weiße Standventilatoren anmuten. Könnte Windenergie nicht ein Hingucker sein? Ein Aushängeschild für vorbildliche Ökologie? Ein Werbeschild, das Gäste beim Frühstück darauf hinweist, dass Kaffee und Ei mit klimaschonendem Windstrom gekocht sind? Es könnte vielleicht neue Touristen anziehen.


Der Investor, eine Tochter des Baywa-Konzerns mit Sitz in München, Baywa r.e., der sich auf regenerative Energien konzentriert, berichtet auf seiner Internetseite von dem geplanten Hauzenberger Windpark. Er soll demnach in der Zone entstehen, welche der Hauzenberger Stadtrat 2014 ausgewiesen hat, am Ruhmannsberg. Die bewaldete Anhöhe befinde sich in Privatbesitz; die benötigten Flächen würden für 20 Jahre von den Eigentümern gepachtet. 

„Beschlossen ist noch nichts“, betont Bürgermeisterin Donaubauer. Doch sie sagt auch: Der Landkreis habe Nachholbedarf bei der regenerativen Energie, denn bisher sei bei den Prozentzahlen übertrieben worden. „Man hat die Wasserkraftwerke mit einbezogen, die in österreichischer Hand sind und deren Strom in Wirklichkeit nach Österreich fließt“, sagt sie.

Windkraftgegner arbeiten mit Fake-Fotomontage


Sie ist keine bedingungslose Windkraftverfechterin – aber sie sieht den Realitäten wie dem in Zeiten der Elektromobilität wohl wachsenden Stromverbrauch ins Auge. Nun also bekommt sie Drohbriefe. Doch sie hat keine Ahnung, wer hinter den widerlichen Pamphleten stecken könnte. „Ich schlafe nicht schlecht, aber ein Unwohlsein hat sich eingestellt“, antwortet sie auf die Frage nach ihrem Befinden.

Der erste Drohbrief war bei ihrem Vater eingegangen, der zweite, eine Woche später, adressiert an das Bürgermeisteramt. Im braunen Kuvert steckte die Titelseite eines Anzeigenblatts von Ende Juni: „Gegen den Wind“. Der Artikel zeigt aus bedrohlicher Perspektive Rotorblätter und bietet den Windkraftgegnern eine Plattform. „Die Maus war schon in Verwesung übergegangen“, beschreibt Donaubauer die unappetitliche Beigabe dieser Sendung.


Die nächsten beiden Briefe trafen in den folgenden Wochen ein. Einer ging an ihre Privatadresse und ein anderer erneut ans Bürgermeisteramt. „Ich habe sie ungeöffnet der Polizei übergeben.“ Die Beamten zogen eine zweite tote Maus hervor, weitere Zeitungsartikel zur Windkraft, und fanden ein Pulver, dessen Art noch untersucht wird. „Vielleicht Rattengift“, mutmaßt die Bedrohte. „Diese Briefe spiegeln weder Respekt noch ein freundliches Gefühl mir gegenüber. Das sind Hassnachrichten.“

Die Windkraftgegner haben eine Fotomontage anfertigen lassen, die im erwähnten Bericht gezeigt wird. Die Größendarstellung der Windräder sei übertrieben, beanstandet Donaubauer zu Recht. Im Netz gibt es als Antwort auf diese Fotomontage ein dreiminütiges Erklärvideo. Es belegt anhand von Maßstab und Entfernung, dass die Windräder, geplante Nabenhöhe 160 Meter, fast doppelt so hoch dargestellt worden sind, um eine gewünschte Wirkung zu erzielen.

Vor 13 Jahren hat also die Windkraftdebatte in Hauzenberg begonnen. In dem Artikel, der dem Drohbrief beigelegt war, behauptet ein Vorstand der Windkraftgegner, man sei „überrumpelt“ worden – nun sei es Zeit für „sachliche Informationen“. Die Kriminalpolizei ermittelt und versucht, den Absender herauszufinden.

Staatsanwalt: „Massive Zunahme solcher Fälle“

„Die strafrechtliche Bewertung ist schwierig, ob Beleidigung oder Bedrohung vorliegt“, sagt Walter Feiler, Sprecher der Staatsanwaltschaft in Passau. „Solche Fälle haben in den letzten Jahren massiv zugenommen, so weit kann ich mich aus dem Fenster lehnen“ sagt Feiler.

Er ist seit 32 Jahren bei der Justiz. Die Hemmschwellen seien gesunken, man nehme sein Handy und schreibe drauflos. „Viele Fälle von Bedrohungen und Beleidigungen werden wahrscheinlich gar nicht angezeigt.“ Er selbst handhabe es so, dass er dem Netz wenig Beachtung schenke. Den Absender zu ermitteln sei wohl schwierig, weil ein Brief durch alle möglichen Hände gehe. 


Donaubauer kritisiert den Stil der Windkraftgegner. In der letzten Stadtratssitzung hätten sie „Ende der Debatte!“ gefordert. „Unter Debattenkultur stelle ich mir nicht vor, ein unerwünschtes Thema als beendet zu erklären“, sagt sie. Beide Seiten müssten Rückgrat zeigen, es bringe nichts, vor den Kommunalwahlen von diesem Thema abzurücken, so die Rathauschefin, die seit sieben Jahren im Amt ist. 

Der Aufstellungsbeschluss sei einstimmig gewesen. Öffentliche Beteiligung, Bekanntmachung, öffentliche Auslegung, zählt Donaubauer die demokratischen Schritte auf. Das Planverfahren sei eingeleitet, aber noch keine Entscheidung gefallen. 


„Grundsätzlich geht es darum, dass man das Thema ausdiskutiert. Ich nehme die Bedenken und Sorgen sehr ernst und man muss sich austauschen. Aber jetzt herzugehen und zu sagen, nur derjenige ist glaubwürdig, der meine Einstellung vertritt, das ist nicht seriös“ ärgert sich Donaubauer. (Hubert Denk)

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