Kommunales

Die Struktur der Straubinger Anlage. Foto: Bäumel

29.04.2011

Abwasser macht die Wohnung warm

Straubing setzt als erste bayerische Kommune auf das neuartige Therm-Win-Verfahren

Wir sind eine Wissenschaftsstadt. Deshalb muss man auch einmal den Mut haben, eine Maßnahme umzusetzen, selbst wenn sich das Ergebnis nicht unmittelbar in barer Münze auszahlt“, sagt Tiefbauamtsleiterin Cristina Pop. Ein gelungenes Beispiel dafür sei das bereits abgeschlossene Projekt „Energie aus Abwasser“. Einmal mehr werde hier gezeigt, dass die Stadt aufgeschlossen ist, neue Wege zu gehen und Technologien zu nutzen und zu fördern, insbesondere auf dem Sektor Energieeinsparung und Substitution durch erneuerbare Energien.
Straubing wolle durch das Projekt „Rückgewinnung von Wärme aus Abwasser“ aber auch demonstrieren, dass man erneuerbare Energie nicht nur aus Getreide und anderen wertvollen Stoffen gewinnen kann, sondern selbst durch Abfallprodukte. Dazu müssen allerdings mehrere Faktoren gegeben sein, um das Prinzip umsetzen zu können.


Wärmepotenzial liegt im
Winter bei 12 bis 14 Grad


In der Schlesischen Straße und der Osserstraße verläuft rund 100 Meter von der Wohnanlage der Städtischen Wohnungsbau GmbH entfernt der Hauptsammler mit einem mittleren Abwasser-Durchfluss von 160 Litern pro Sekunde – die Grundvoraussetzung für das Projekt, da dafür sehr viel Abwasser notwendig ist. Das vorhandene Wärmepotenzial liegt im Winter bei 12 bis 14 Grad.
Diese zwei Parameter sind einige der Rahmenbedingungen, die erfüllt sein müssen, damit an dieser Stelle das Projekt sinnvoll ist. Ein weiterer Punkt, den die Tiefbauamtsleiterin nennt: „Es ist ein potenter Energieabnehmer vorhanden. Und außerdem konkurrieren wir nicht mit einem anderen Erzeuger erneuerbarer Energie.“ Der „potente Energieabnehmer“ sind die 102 Wohnungen mit einer Gesamtfläche von 7000 Quadratmetern, die zu heizen sind.
Um dies zu gewährleisten, wurden in der Mittelinsel der Osser- und Arberstraße in einem eigens gebauten Entnahmeschacht zwei Pumpen installiert, die einen Teil des Abwassers aus dem Hauptsammler zu einem rund 45 Quadratmeter großen Betriebsgebäude fördern. Von hier werden die Leitungen im gesamten Wohnkomplex verteilt. Das Abwasser strömt zunächst durch eine Siebanlage aus Edelstahl, das es von Schmutz befreit. Dies ist notwendig, um den nachfolgenden Wärmetauscher zu schützen. Dieser ist das eigentliche Novum des Pilotprojektes und war der Grund, warum Straubing die Auszeichnung als Leuchtturmprojekt erhielt, informiert Cristina Pop.
Siebanlage und Wärmetauscher wurden gezielt für die energetische Verwertung von Rohrabwasser entwickelt. Das System heißt Therm-Win-Verfahren. Im Wärmetauscher wird der separate Heizwasserstrom des Komplexes erwärmt. Anschließend heben drei Elektrokompressionswärmepumpen mit CO2-freiem Strom aus der Kläranlage die Temperatur dieses Wassers auf die erforderliche Vorlauftemperatur für die Fußbodenheizung an. Die Verteilung des etwa 45 Grad warmen Heizmediums an die angeschlossenen Wohngebäude übernimmt ein gedämmtes Nahwärmenetz. Nachdem das Abwasser einen Teil seiner Wärmeenergie im Wärmetauscher abgegeben hat, fließt es zurück in den Hauptsammlerkanal und nimmt auf diesem Wege auch das zuvor entnommene Siebgut wieder mit – seine Temperatur ist dann um 0,5 Grad abgesenkt.
„Ganz vereinfacht ausgedrückt“, fasst Tiefbauamtsleiterin Pop zusammen, „werden bei der Anlage nur 2 bis 3 Grad aus dem Abwasser entnommen und in Energie umgewandelt.“ Die Erfahrungen in der ersten Heizperiode seien gut: „Im Winter hat die Anlage funktioniert, jedoch nicht komplett störungsfrei. Bei einer neuen Anlage sind jedoch immer Optimierungen möglich, und die Anlage besitzt dafür großes Potenzial. Die Gesamtkosten der Maßnahme betragen rund 850 000 Euro.“


Begleitstudie durch
die TU München


Neben einem Zuschuss des Umweltministeriums in Höhe von 220 000 Euro konnte die Stadt ein günstiges KfW-Darlehen aufnehmen. Die Städtische Wohnungsbau GmbH beteiligte sich mit den ihr sowieso entstandenen Kosten für eine konventionelle Heizung mit rund 250 000 Euro. Somit verblieben Investitionen für den städtischen Haushalt von rund 380 000 Euro.
Das Ergebnis begeistert auch Oberbürgermeister Markus Pannermayer (CSU): „Das oft verwendete Schlagwort der Nachhaltigkeit wird umgesetzt. Wir fühlen uns verpflichtet, den Umwelt- und Klimaschutz zu fördern, die endlichen Rohstoffe zu substituieren und rückzugewinnen. Allein auf dem Sektor Abwasser werden durch unsere Vorgehensweise mehr als 5000 Tonnen CO2 eingespart.“
Die Ergebnisse aus dem Projekt sollen bald auch anderen Kommunen zugute kommen: Die wissenschaftliche Betreuung wird demnächst voraussichtlich an die Technische Universität München – die Zustimmung der Förderung durch das Wirtschaftsministerium vorausgesetzt –, vergeben. (Melanie Bäumel)

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