Kommunales

Eisbärenbaby "Flocke" wurde vom Nürnberger Presseamt bundesweit geschickt vermarktet. (Foto: DAPD)

03.02.2012

"Am wichtigsten ist Transparenz"

Das Presse- und Informationsamt der Stadt Nürnberg ist das älteste in Bayern und feiert jetzt 100. Geburtstag

Das Kommunikationsdesaster rund um Stuttgart 21 hat gezeigt, dass der Dialog mit den Bürgern immer wichtiger wird. Dieses Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit hat man in Nürnberg schon sehr früh erkannt. Darum kann das städitsche Presse- und Informationsamt in diesen Tagen sein 100-jähriges Jubiläum feiern. Am 1. Februar 1912 wurde es als städtisches Nachrichtenamt gegründet. Damit dürfte Nürnberg nach Magdeburg das zweitälteste derartige Amt in Deutschland haben, das auf eine durchgängige Geschichte zurückblicken kann.
„Schon damals herrschte die relativ moderne Einstellung, dass die Stadt die Verbindung zu den Medien herstellen muss, um die Bürgerinnen und Bürger zu informieren“, sagt Siegfried Zelnhefer, der heutige Leiter des Presse- und Informationsamts, zur Staatszeitung. 1912 stellten neun Tageszeitungen (Bayerischer Volksfreund, Fränkischer Kurier, Fränkische Tagespost, General-Anzeiger, Nordbayerische Zeitung, Nürnberger Anzeiger, Nürnberger Neueste Nachrichten, Nürnberger Stadtzeitung, Nürnberger Volkszeitung) den Informationsfluss von der Stadtverwaltung zur Öffentlichkeit sicher. Heute im Internetzeitalter sorgt sich Zelnhefer mit seinen 23 Mitarbeitern (viele davon in Teilzeit) jedoch darum, dass wichtige Nachrichten aus der Stadt gar nicht mehr alle in Nürnberg lebenden Menschen erreichen, weil immer weniger eine Tageszeitung lesen.
Jüngstes Beispiel sei die Einstellung der Straßenbahnlinie 9 zum Fahrplanwechsel im Dezember 2011. Obwohl die Stadt und die städtische Verkehrsaktiengesellschaft VAG permanent mit großem Vorlauf informierten, erreichte die Neuigkeit nicht alle. „Ich selbst wohne in diesem betroffen Bereich und die Menschen standen morgens in Trauben an der Straßenbahnhaltestelle und wunderten sich, dass keine Bahn kam“, erinnert sich Zelnhefer. Keiner von ihnen wusste, dass anstatt der Straßenbahn jetzt die neue U-Bahn fährt.
Dieses Problem der Informationslücke zu schließen, wird laut Zelnhefer die zentrale Herausforderung im Internetzeitalter sein. Selbst Lautsprecherdurchsagen von Polizei und anderen Einsatzkräften bei Notfällen wie etwa Bombenfunden erreichten nicht immer alle rechtzeitig.
„Wir setzen sehr auf den Kurznachrichtendienst Twitter“, sagt der Presseamtschef. Aber auch dies führt nicht zur vollständigen Informationsverbreitung, wie man am Straßenbahn-Beispiel sieht. Denn selbstverständlich wurde auch die Linieneinstellung getwittert. Dennoch ist das Nürnberger Presseamt äußerst leistungsfähig. „Wir sind Dienstleister für die gesamte Stadt mit ihren rund 10 000 Mitarbeitern“, erklärt Zelnhefer. Inter- und Intranetauftritte, Plakate, Folder, das halbjährig erscheinende Magazin „Nürnberg heute“, die Mitarbeiterzeitschrift „betrifft:“, das Amtsblatt der Stadt Nürnberg und die Anzeigenakquise gehören ins Aufgabenspektrum seiner Mitarbeiter.


Schon vor 100 Jahren hatte
der OB Stress mit den Zeitungen


Doch zu diesen Routineaufgaben kommen auch unvorhergesehene Dinge, auf die spontan reagiert werden muss. Das Eisbärenbaby Flocke im Jahr 2008 war so ein Ereignis. Der mediale Hype um das putzige Tier machte Nürnberg auf einen Schlag weltweit bekannt. „Wir mussten aus dem Stand eine eigene Internetseite erstellen, um die Öffentlichkeit über das Wohlergehen des kleinen Eisbären zu informieren.“ Für Zelnhefer, der sich das enorme Interesse an diesem Tier immer noch nicht erklären kann, weil kurz vorher Eisbärenbaby Knut in Berlin für Furore sorgte, war auch die offizielle Namensbekanntgabe ein Phänomen: „Flocke hat an diesem Tag in den akutellen Meldungen sogar die Bundeskanzlerin Angela Merkel getoppt.“
Insgesamt stellt Zelnhefer, der früher Redakteur bei der größten Tageszeitung in Nürnberg war, eine zunehmend interessiertere Öffentlichkeit bei bestimmten Themen fest. Deshalb sind für ihn sowie für seinen Dienstherren, Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD), Bürgerdialog und Transparenz kommunalen Handelns besonders wichtig. So etwas wie Stuttgart 21 sei unbedingt zu vermeiden. Denn nichts sei schlimmer als eine Minderheit, die sich via Medien der Mehrheitsmeinung bemächtige. „Und der Volksentscheid zu Stuttgart 21 hat ja klar gezeigt, was die Mehrheit will.“
Darum müsse bei den anstehenden Großprojekten in Nürnberg möglichst umfassend und dauerhaft informiert werden sowie der Austausch mit der Bevölkerung gewährleistet werden. Der sich über acht Jahre hinziehende Ausbau des Frankenschnellwegs mit vielen Beeinträchtigungen durch Baustellen und der Nahverkehrsentwicklungsplan seien die beiden großen kommunikativen Herausforderungen der nächsten Jahre. Internetforen und Bürgerversammlungen sollen die Hauptsäulen hierfür sein.
Da ist die jährliche Betreuung des Nürnberger Christkindes durch das Presseamt willkommene und schöne Abwechslung. „Es ist eine Reisende in Sachen Nächstenliebe“, zitiert Zelnhefer einen Satz über das Christkind, das Nürnberg überregional an rund 170 Terminen jeweils im Dezember repräsentiert.
Und zu alledem muss das Presseamt auch intern wirken. Denn manch ein Referent verstehe es manchmal nicht, weshalb die Medien die eine oder andere Pressemitteilung kalt lässt. „Da sage ich immer, dass wir nur ein Informationsangebot machen, das niemanden verpflichtet, es aufzugreifen.“
Doch diese Problematik gab es schon immer. So ist ein Zitat des Oberbürgermeisters Hermann Luppe (Deutsche Demokratische Partei), der von 1920 bis 1933 die Geschicke der Frankenmetropole leitete, überliefert: „Die Zusammenarbeit mit der Presse blieb überhaupt ein sehr heikles Kapitel. Es wurde ein städtisches Nachrichtenamt geschaffen, das Dr. Friedrich vom Statistischen Amt geschickt führte, und es fanden auch häufiger Pressebesprechungen statt, die ich meist selbst leitete. Aber die Zeitungen brachten aus den städtischen Mitteilungen und Besprechungen immer nur das, was ihnen passte, vieles gekürzt, vieles gar nicht; der Termin für Zustellung der Nachrichten an die zu verschiedenen Tageszeiten erscheinenden Zeitungen war nie allen recht, oft brachten sie von dritter Seite erhaltene Mitteilungen vorzeitig, brachten Notizen über städtische Dinge, ohne sich beim Nachrichtenamt vorher zu informieren, und ließen jedenfalls größtenteils den Willen zu wirklicher Zusammenarbeit vermissen, da sie alle weder ihre wirtschaftlichen Interessen noch ihre politischen Aufgaben zu beeinträchtigen gedachten.“ (Ralph Schweinfurth)

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