Kommunales

Dass Migranten bei der Stellenvergabe für den öffentlichen Dienst benachteiligt werden, bestreiten die Stadt- und Kreisverwaltungen im Freistaat. (Foto: DPA)

02.05.2014

Anonyme Bewerbung? Nein danke!

Die meisten bayerischen Kommunen setzen bei Stellenausschreibungen weiterhin auf persönliche Angaben im Lebenslauf

Um einer möglichen Diskriminierung zuvorzukommen vorzubeugen, werden immer öfter anonymisierte Bewerbungen gefordert. Doch bei Kommunen stößt das Modell auf geteilte Zustimmung. Es gilt oft als zu aufwendig, häufig sind persönliche Angaben – etwa Führungszeugnisse – nötig.
Die Mutter ist Deutsche, doch der Familienname stammt vom kenianischen Vater. Natalie Mankuleyio hätte es ohne das anonymisierte Bewerbungsverfahren vermutlich schwerer gehabt zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Seit zwei Jahren arbeitet die junge Frau nun als Personalmanagerin beim Internethändler mydays. Das Unternehmen aus dem Süden Münchens hat 2011 an einer Pilotstudie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) zu anonymisierten Bewerbungsverfahren teilgenommen.
Bis zur eigenen Bewerbung kannte Mankuleyio das Verfahren nicht, heute ist sie überzeugt davon – wendet es selbst bei Neueinstellungen an. Eine aktuelle Studie des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR) bestätigt, dass Menschen mit Migrationshintergrund bei der Jobsuche in Deutschland benachteiligt werden. Für die Untersuchung wurden bundesweit 3600 fiktive Bewerbungen mit deutschen und türkischen Namen verschickt. Ergebnis: Bewerber mit ausländischen Namen haben deutlich geringere Chancen auf eine Stelle.
Erstaunlich, waren die vermeintlichen Bewerber doch gleich gut qualifiziert, sozial engagiert und deutsche Staatsbürger. Doch um zu einem Vorstellungsgespräch als Bürokaufmann eingeladen zu werden, muss ein Kandidat mit einem deutschen Namen durchschnittlich fünf, ein Bewerber mit türkischem Namen sieben Bewerbungen verschicken. Im besonders bei Buben sehr beliebten Ausbildungsberuf Kfz-Mechatroniker ist die Benachteiligung noch stärker ausgeprägt: Hier muss ein Bewerber mit türkischem Namen etwa 1,5-mal so viele Bewerbungen schreiben wie ein Kandidat mit deutschem Namen.
Die Antidiskriminierungsstelle fordert Unternehmen und Institutionen daher dazu auf, stärker auf das anonymisierte Bewerbungsverfahren zu setzen. Mehrere Bundesministerien planen bereits ihre Einführung. Doch bei allen Angaben anonym zu bleiben, ist kompliziert: Weder Foto noch Namen, keine Altersangabe und kein Hinweis auf das Geschlecht oder die Herkunft dürfen im Lebenslauf ersichtlich sein. Nur die Kompetenzen, Qualifikationen und Motivationen sollen in den bereitgestellten Online-Formularen landen, gewöhnliche Unterlagen nachträglich anonymisiert werden.
Vielen bayerischen Kommunen ist der Nutzen des aufwendigen Systems nicht ersichtlich. Erst kürzlich lehnte der Münchner Personalreferent Thomas Böhle einen entsprechenden Vorstoß der Grünen im Stadtrat ab. Schließlich gehe es bei der Stellenbesetzung in der Landeshaupstadt schon jetzt ohne Diskriminierung zu, argumentiert der Referatsleiter.

Persönlicher Eindruck bleibt wichtig


Auch in Regensburg, Erlangen, Bamberg, Bayreuth und Ingolstadt zählt neben den Sachkriterien weiterhin der persönliche Eindruck, ist auf Nachfrage in den Rathäusern zu erfahren. In Würzburg beschäftigt sich der Personalausschuss mit dem Themenbereisch erst, wenn in Kürze ein digitalisiertes Bewerberverfahren eingeführt wird. Das Personalamt Fürth hat sich noch keine abschließende Meinung gebildet. Grundsätzlich sei eine Anonymisierung – beispielsweise bei Erziehern wegen des polizeilichen Führungszeugnisses oder bei Berufen, wo andere für die Bewerbung unerlässliche urkundliche Nachweise verlangt werden – ohnehin nicht vollständig zu realisieren, erklärt Pressesprecherin Susanne Kramer.

Schlechte Erfahrung mit Modellprojekt des Städtetags


In Augsburg wird das anonyme Bewerbungsverfahren gänzlich abgelehnt, auch nach dem Erfahrungsaustausch im Rahmen eines Modellprojekts des Deutschen Städtetags: „Ein zentrales Problem ist, dass wir dann unserem Auftrag aus dem Sozialgesetzbuch IX und aus dem bayerischen Gleichstellungsgesetz nicht mehr nachkommen können, bei gleicher Eignung von Stellenbewerbern eine Frau oder einen Behinderten bevorzugt einzustellen können“, sagt der Personalamtsleiter der Stadt Augsburg, Roland Lösch. „Natürlich müssen schwerbehinderte Menschen eine Möglichkeit haben, ihre Behinderung im anonymisierten Verfahren anzugeben“, hält Sebastian Bickerich, zuständiger Projektleiter der Antidiskriminierungsstelle in Berlin dagegen. Freiwilligen Angaben in Zusatzfeldern der Online-Formulare stellten das sicher. „Eine komplette Anonymisierung können Sie niemals erreichen, das ist aber nach unseren Erfahrungen auch gar nicht notwendig. Entscheidend ist, dass auf das Foto verzichtet wird und Name, Alter, Herkunft und Geschlecht nicht im Vordergrund stehen.“ In Bayern bleibt Nürnberg dennoch die einzige größere Stadt, die das anonymisierte Bewerbungsverfahren aufgrund eines Antrags im Stadtrat testet.
Doch die seit 2012 gewonnenen Ergebnisse fallen nicht so eindeutig aus, dass bald mit einer endgültigen Entscheidung gerechnet werden kann. Ein Schwärzen von herkömmlichen Unterlagen sei entschieden zu aufwendig und nicht praktikabel, erklärt Claudia Ehrensberger vom Personalamt in Nürnberg. „Das Verfahren mit einem anonymisierten Online-Bewerbungsverfahren hat die Bewerber inhaltlich und technisch vor Probleme gestellt.“ So seien in Freitextfeldern Angaben gemacht worden, die beispielsweise das Geschlecht erkennen ließen. Bei anderen Bewerbern stieß die Anonymisierung auf generellen Widerstand, da sie ihre beruflichen Qualifikationen und Erfahrungen nicht ausreichend wiedergegeben sahen. Letztendlich ging beim anonymisierten Verfahren sogar die Bewerberzahl zurück.
Aufgeben wollen die Mittelfranken jedoch nicht. „Insgesamt stehen wir dem anonymisierten Bewerbungsverfahren durchaus aufgeschlossen gegenüber“, so Ehrensberger. „Wir testen nun die Anonymisierung mittels Bewerberliste.“ Ob sich der Aufwand lohnt, eine geeignete Vorgehensweise zu finden, ist fraglich. Schließlich bleibt selbst bei einem perfekt auf die Stellenausschreibung abgestimmten Online-Fragebogen nur der erste Eindruck anonym. Die weiteren Details werden spätestens beim Vorstellungsgespräch und dem Nachreichen der weiteren Informationen erkenntlich. (Andreas C. Schneider)

Kommentare (1)

  1. Super Horsti am 09.05.2014
    Eine anonyme Bewerbung ist eine Selbstverleugnung des Kandidaten. Spätestens beim Vorstellungsgespräch ist die Stunde der Wahrheit! Dann heißts Karten auf den Tisch!
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