Kommunales

Eine Wahlurne beim Landesparteitag der SPD in Bad Windsheim Ende Januar. (Foto: dpa/Daniel Karmann)

14.02.2019

Auf zum letzten Gefecht

Nach Jahrzehnten verliert die SPD in Coburg den Posten des Landrats an die CSU – droht den Genossen nun bei der Kommunalwahl 2020 ein bayernweites Fiasko?

Der Landkreis Coburg war jahrzehntelang – abgesehen von den Großstädten – eine der letzten bayerischen SPD-Hochburgen. Nun hat ihn die CSU erobert. In Umfragen kamen die Genossen im Freistaat zuletzt gerade noch über die Fünf-Prozent-Hürde. Vieles spricht dafür, dass die SPD auch bei den Kommunalwahlen 2020 bayernweit massiv Stimmen verlieren dürfte. Immerhin: Die Chancen, die wichtigsten OB-Posten zu verteidigen, stehen Experten zufolge gut.

Es war wie ein ungeschriebenes Gesetz: Seit 1946 im oberfränkischen Landkreis Coburg erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg ein Landrat gewählt wurde, hatte dieses Amt durchgehend ein Sozialdemokrat inne. Selbst die ewige bayerische Regierungspartei CSU kann von derlei durchgehender Macht in den meisten Regionen nur träumen. Doch am Sonntag fand die Dominanz der Genossen in dem im Norden des Freistaats gelegenen Landkreis ein jähes Ende. Der Christsoziale Sebastian Straubel (CSU) setzte sich in einer Stichwahl mit 62,98 Prozent der Stimmen gegen seinen Herausforderer Martin Stingl (37,02 Prozent) von der SPD durch.

Straubel war im ersten Durchgang zwei Wochen zuvor auf 43,48 Prozent der Stimmen gekommen, Stingl auf 23,26. CSU-Generalsekretär Markus Blume sprach Glückwünsche aus. „Das gibt Rückenwind für die Kommunalwahlen 2020“, sagte er kurz darauf. Straubel folgt als Landrat auf Michael Busch (SPD). Busch war aus dem Amt ausgeschieden, nachdem er im Oktober in den Landtag gewählt worden war. Den Landkreis vertrat fortan sein Stellvertreter Rainer Mattern (CSU).

Ob der Sieg für die zuletzt arg gebeutelten Christsozialen wie eine Initialzündung wirkt, bezweifelt der CSU-nahe Passauer Politik-Professor Heinrich Oberreuter jedoch: „Klar will die Partei das Ergebnis als Aufbruchsignal verkaufen.“ Aber daran, dass auf dem Land vor allem die Freien Wähler und in den Städten die Grünen der CSU zunehmend Wähler abspenstig machten, ändere auch dieser einzelne Erfolg nichts. Für die Partei von Ministerpräsident Markus Söder seien bei den Kommunalwahlen am 15. März 2020 Stimmenverluste wahrscheinlich. Auch die AfD werde ja trotz fehlender lokaler Zugpferde zumindest auf ein paar Prozent kommen, sagt Oberreuter der "Staatszeitung".

„Es wird ganz schwierig, die Basis zu mobilisieren“

Noch pessimistischer beurteilt er jedoch die Wahlaussichten der SPD. „Dort fehlt an der Basis jegliche Aufbruchstimmung.“ Für die Partei sehe es „schlecht“ aus. Immerhin werde die Partei wohl in den Großstädten wie München oder Nürnberg ihre amtierenden Oberbürgermeister durchbringen. Er weist allerdings auch darauf hin, dass die Kommunalwahlen Persönlichkeitswahlen seien, weshalb Prognosen mit Vorsicht zu genießen seien. Der eher SPD-nahe Mainzer Politik-Professor Gerd Mielke ist sich dennoch sicher: „Für die SPD wird es ganz schwierig, ihre Basis zu mobilisieren.“ Der negative Bundestrend und die katastrophal schlechten Umfrageergebnisse im Land seien pures Gift. Zuletzt waren die Genossen in einer Umfrage zur Landtagswahl auf 6 Prozent abgestürzt.

Mielke zufolge sei es für die bayerische SPD ohnehin besonders schwer, ihr früheres Klientel zu mobilisieren. „Kleine Angestellte oder Arbeiter gehen eben einfach weniger zu regionalen Wahlen als etwa die gebildete bürgerliche Mittelschicht“, analysiert der Politologe auf BSZ-Anfrage. Klar ist aber auch: Selbst wenn die sogenannte Leberkäs-Etage tatsächlich wählen geht, dürften viele aufgrund früherer politischer Entscheidungen der SPD auf Bundesebene bei den anstehenden Kreis-, Stadt- oder Gemeinderatswahlen eher Freie Wähler, AfD oder Grüne wählen. In den Großstädten zog die Ökopartei mit ihrem konsequenten progressiven Kurs in der Umwelt- , Flüchtlings- und Innenpolitik viele urban-liberale Wähler auf ihre Seite. In ländlichen Regionen schadeten die Flüchtlingskrise sowie das Gefühl vieler Menschen, abgehängt zu sein, dem sozialdemokratischen Wahlkampf.

Mielke glaubt, dass vor allem die Sozialpolitik der Regierung Schröder, insbesondere die Hartz-Reformen, der SPD in Bayern „nach wie vor massiv schaden.“ Fakt ist: Mit noch immer über 62 000 Mitgliedern hat die SPD mehr als fünfmal so viele Mitglieder als die Grünen. Doch die Parteibasis im Freistaat gilt als noch weiter links stehend als in anderen Ländern. Die seit Schröder viele Jahre propagierte marktliberale Politik der Partei hat Mielke zufolge die einfachen Mitglieder und die Führung entzweit. Der jüngste Schwenk hin zu einer linkeren Sozialpolitik werde „wohl zu spät kommen.“ Auch sei er unglaubwürdig. „Viele, die jetzt an der Spitze sind, haben damals ja mitgemacht.“

Die bayerische Parteichefin ist naturgemäß optimistischer. Natascha Kohnen sagt der "Staatszeitung": „Jede Wahl hat ihre eigene Ausgangslage. Das gilt insbesondere für die Kommunalwahlen.“ Hier achteten die Menschen ganz besonders auf die örtlichen Gegebenheiten. Bundespolitische oder landespolitische Faktoren spielten dabei weniger eine Rolle. Das Coburger Ergebnis schmerze zwar. „Die SPD ist in Bayern aber weiter eine starke kommunalpolitische Kraft. Und wir werden bei der Kommunalwahl überall in Bayern dafür kämpfen, das Vertrauen der Menschen zu bekommen.“ Schließlich stünde die Partei dafür, dass wichtige Bereiche wie etwa Wohnen, Bildung, Gesundheit, ÖPNV und Pflege „der Wettbewerbs- und Verwertungslogik entzogen werden und allen zugänglich sind“. (Tobias Lill)

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