Kommunales

Ulrich Maly ist überzeugt: „Wir haben ein historisch gewachsenes Bild von Bayerns Städten und dem sie umgebenden ländlichen Raum, das es zu erhalten gilt.“ (Foto: dapd)

19.08.2011

Bayern soll schnucklig bleiben

Bayerns Städtetagsvorsitzender Ulrich Maly (SPD) will eine Suburbanisierung mit Einzelhandelsgroßprojekten auf der grünen Wiese verhindern

Die Kommunen im Freistaat warten schon lange auf ein neues Landesentwicklungsprogramm (LEP). Nun soll es bis 2012 kommen. Aber bis dahin müssen noch viele Detailfragen geklärt werden.
„Bayern ist eher noch suchend, was das künftige Raumbild angeht“, sagt Bayerns neuer Städtetagsvorsitzende und Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) zur Staatszeitung. Er möchte auf jeden Fall eine Suburbanisierung mit viel Einzelhandelsgroßprojekten auf der grünen Wiese vor den Toren der Städte, wie sie in den neuen Bundesländern entstanden ist, verhindern.
„Wir haben ein historisch gewachsenes Bild von Bayerns Städten und dem sie umgebenden ländlichen Raum, das es zu erhalten gilt.“ Dies kann erfolgreich von den jeweiligen regionalen Planungsverbänden gestaltet werden. Doch Maly stellt fest, dass manche ein tiefes Misstrauen gegenüber diesen Planungsverbänden hegen. „Das kann ich nicht nachvollziehen, da wir hier im Großraum Nürnberg, also in unserem Planungsverband, immer sehr kooperativ miteinander gearbeitet haben.“ Auch dem von der FDP favorisierten Ansatz, dass es der Markt schon regeln wird, kann er nichts abgewinnen. Wenn man der Raumplanung keine Regeln verpasst, kommt es nach Malys Auffassung zur ungeordneten Suburbanisierung. „Und das kann kein Vorbild sein.“ Qualitatives Wachstum ist gefordert
Für den Städtetagsvorsitzenden kommt es darauf an, dass die künftige Raumplanung qualitatives Wachstum ins Zentrum rückt. „Also dass Kultur, Soziales und Umwelt angemessen berücksichtigt werden.“ Es geht ihm um die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im Freistaat und nicht um die Gleichartigkeit. Die wird seiner Ansicht nach im entsprechenden Gutachten, das für die Erstellung des neuen LEP angefertigt wurde, in der Schlussfolgerung vergessen, obwohl es im theoretischen Teil enthalten ist.
In diesen Zusammenhang ist es Maly auch wichtig, dass die massiven Wanderungsbewegungen innerhalb Bayerns reduziert werden. „Der Freistaat hatte einmal eine ganz vernünftige Landesplanung mit bewusster Dezentralisierung der Ämter und Gründung kleiner Fachhochschulen wie in Amberg, Schweinfurt oder Weiden. Doch das ist dem Sparzwang zum Opfer gefallen.“ Ihm ist durchaus bewusst, dass eine dezentrale Struktur etwas teurer ist. Aber gesamtwirtschaftlich betrachtet sei sie wesentlich günstiger, da nicht in abgehängten Teilräumen hohe Arbeitslosigkeit über die Sozialsysteme finanziert werden muss.
Eine zentrale finanzielle Frage ist auch das bayerische Konnexitätsprinzip. Hier setzt Maly darauf, dass Freistaat und Kommunen zu einem wechselseitig ordentlichen Umgang miteinander finden. „So weit sind wir noch nicht, weil einerseits in den Ministerien starke Umgehungsstrategien gefahren werden und andererseits wir Kommunen vielleicht manchmal zu viel jammern.“ Es sei doch eine Selbstverständlichkeit, dass die Kommunen zum Beispiel bei der Ganztagesbetreuung mitfinanzieren müssen.
Interkommunal könnte einiges günstiger werden
Manches könnte durch interkommunale Zusammenarbeit auch günstiger werden, ist der Städtetagsvorsitzende überzeugt. „Aber die interkommunale Allianzfähigkeit ist in Bayern sehr unterschiedlich ausgeprägt.“ Sie funktioniere nur, wenn der Leidensdruck oder der monetäre Anreiz wie im ländlichen Raum über diverse Förderprogramme entsprechend hoch sei. „Oder es ist wie bei uns in der Metropolregion Nürnberg das kollektive Bewusstsein, zu den eher „abgehängten“ Landesteilen zu gehören, das dann die Zusammenarbeit beflügelt hat“, so Maly.
Das sind seiner Ansicht nach aber nicht die einzigen Baustellen im Freistaat. So müsse dringend in die Infrastruktur investiert werden: „Jenseits der großen Blutgefäße müssen auch die Kapillaren versorgt werden.“ Vor allem die Bahnverbindungen Richtung Osten, also von München bzw. Nürnberg nach Prag bedürften einer schnellen Ertüchtigung. Die Elektrifizierung der Strecke Regensburg-Hof und nach Marktredwitz sei ebenso endlich zu realisieren wie die bessere und vor allem schnellere ICE-Anbindung des Großraums Nürnberg an den Großraum Stuttgart. Der Ausbau der Autobahn A 6, eine der vom Verkehrsaufkommen her am schnellsten wachsenden Verkehrsachsen der Bundesrepublik, müsse zügiger voranschreiten. „Und der DSL-Ausbau kommt viel zu langsam voran. Wenn einer im ländlichen Raum ein Versicherungsbüro betreibt, kann er ohne schnelle Internetverbindung gar nicht arbeiten.“
Zu wenig Euphorie spürt Maly auch bei der Energiewende seitens des bayerischen Wirtschaftsministeriums. „Die Energieagentur kann gut sein, wenn sie keine Doppelstrukturen zu bereits bestehenden dezentralen Strukturen schafft.“ Für den Städtetagsvorsitzenden dreht sich alles um die Netzinfrastruktur. „Wir haben allein hier im Gebiet unseres Regionalversorgers N-Ergie über 28 000 Einspeiser von regenerativ erzeugtem Strom.“ Bayernweit seien es noch viel mehr. Sie alle müssen ans Netz angeschlossen werden. „Das Weiterverteilnetz steht vor großen Investitionsbedarfen. Doch da will jetzt dankenswerterweise Ministerpräsident Seehofer helfen.“
Im Bereich der Bereitstellungskraftwerke muss laut Maly auf Bundesebene geregelt werden, dass diese über Steuergelder finanziert werden. „Denn die fünf bis sechs Gaskraftwerke, die man in Bayern braucht, können wirtschaftlich nur betrieben werden, wenn sie mindestens 6000 Stunden im Jahr laufen. Man braucht sie aber lediglich für 500 bis 1000 Stunden, wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint.“
KfW-Programm muss aufgestockt werden
Eine große Aufgabe für die Landesplanung sieht er bei der Energiewende in der Bündelung der Standorte für die dezentrale Stromerzeugung. Biomasse-, Photovoltaik- und Windkraftanlagen seien nun einmal nicht schön anzuschauen und sollten daher gebündelt an ausgewählten Standorten installiert werden. „Hier brauchen wir eine neue Diskussion über die Lastenverteilung.“
Dringend benötigt wird nach Malys Ansicht auch das vier- bis fünffache Volumen des KfW-Programms von derzeit 1,5 Milliarden Euro pro Jahr für die energetische Altbausanierung. Denn diese sei über die Mieten nicht zu finanzieren. Welch enormer Bedarf in diesem Bereich bestehe, zeige das in Bayern achtfach überzeichnete Konjunkturpaket II der Bundesregierung, das für die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude bestimmt ist.
Da es durch den Klimawandel in den Städten immer wärmer wird, muss, so Maly, auch für hochverdichtete Räume manchmal eine Relativierung des Leitgedankens „Innenentwicklung geht vor Außenentwicklung“ stattfinden. Denn Grünzüge im innerstädtischen Bereich seien nötig, um Kühlung und frische Luft in die sommerlich aufgeheizten Innenstädte zu bringen.
Das gelte vor allem für die Frankenmetropole Nürnberg, die drittdichteste bebaute Stadt Deutschlands. Hier sei vor allem eine intelligente Nutzung der aufgegebenen und zur Revitalisierung anstehenden Bahnflächen anzustreben. „Aber hier haben wir ja das kommunale Planungsrecht, das uns gut hilft.“
(Ralph Schweinfurth)

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