Kommunales

Jedes Klassenzimmer der Geretsrieder Isardammschule ist mittlerweile mit einem Whiteboard ausgestattet. Foto Kruse

15.01.2010

Das digitale Klassenzimmer

An der Geretsrieder Isardammschule unterrichten die Lehrer mit interaktiven Tafeln

Ich könnte damit nicht mehr arbeiten“, meint Max Schwarz entwaffnend ehrlich. Der weißhaarige Mann war vor einigen Jahren Rektor an der Isardammschule in Geretsried, in jenem vorigen Jahrhundert, als vieles noch ganz anders ausschaute. Vorsintflutlich geradezu. Auch Schwarz hat über die Jahrzehnte einige Veränderungen mitgemacht. Aber das hier? Eine interaktive Tafel? Computergesteuert? In Grundschulklassen? Schwarz ist skeptisch. Eine sehr große Feier hatte die Isardammschule zu Ehren ihrer interaktiven Tafeln ausgerichtet, „Servus Schwamm, mach´s gut Kreide“ lautete das Motto des Tages, die Lehrer steckten in Dirndln und Lederhosen, Schüler und Elternbeirat ebenso. Wenn das Credo vom Laptop und der Lederhose je passte, dann hier, in dieser weiträumigen, 500 Kinder umfassenden Schule, unweit der wild und grün zwischen Kiesbetten und Wäldern fließenden Isar. Die Geretsrieder Isardammschule ist eine von ganz, ganz wenigen in Bayern, in der sämtliche Klassenzimmer mit sogenannten interaktiven Whiteboards ausgestattet sind. Sukzessive ist das geschehen, so ein Projekt kostet ja Geld, und man darf ruhig glauben, dass Renate Kreis, die Rektorin, sehr, sehr viel Zeit hineingesteckt hat in die Überzeugungsarbeit bei Lehrern, Eltern, der Gemeinde und Sponsoren. Aber Kreis ist eine Frau der Technik, auf einer Messe vor vier Jahren haben die interaktiven Tafeln sie regelrecht aufgescheucht, es war Liebe auf den ersten Blick. „So oanen“, sagte sie sich damals auf gut Bayerisch, „so oanen wenn wir an der Schule hätten: Das wär toll.“ 2006 hat sie das erste Board gekauft, jetzt hängen 22 solcher Tafeln mit Beamer in der Schule, seitlich in den Klassenzimmern angebracht oder vorn, in Gang gesetzt von gebrauchten Computern und Laptops, welche die Schule geschenkt bekam. Hochgerüstet ist die Schule jetzt, das Elektronikzeitalter steht in voller Blüte, und wenn es so weitergeht, wird wohl irgendwann doch jene Schülerin recht behalten, die zum Klassenzimmer der Zukunft ein Bild gemalt hat, mit einem Astronauten und der Sprechblase: „Ich fliege zum Nordpol um zu kucken, ob es dort Pinguine gibt! Bin in fünf Minuten wieder da.“ Naturgemäß sind jedoch nicht alle Lehrer ähnlich technikaffin wie Kreis und die Kinder, ja, man sagt Lehrern sogar nach, besonders wenig von der Technik zu halten. Also musste Kreis daran gelegen sein, die Lehrer ausreichend zu schulen. In drei Gruppen respektive Niveaus teilten sich die Lehrer dafür auf, damit auch die profitierten, die sich dem Computer mit einem gewissen Befremden zu nähern pflegten. Natürlich schöpft nicht jede Lehrerin gleichermaßen begeistert die Medientechnik im Klassenzimmer aus. Aber Anwendung finden die interaktiven Tafeln täglich und in allen Klassen. Die Arbeit mit einer solchen Tafel ist aber auch verführerisch für die kleinen und großen Kinder, zum Beispiel im Englischunterricht. Lehrerin Kreis hat da ihren Stick mit dem vorbereiteten Material in den Computer gesteckt und eine Art Lückentext angeklickt von einem Fuchs, der sich vergebens an ein paar Hühnern zu vergreifen versucht. Kleine Bildchen verdecken Schlüsselwörter. Sagt ein Kind das Schlüsselwort richtig, kann das Bildchen an der Tafel weggezogen werden, mit dem Finger oder mit einem Stift, das Wort kommt zum Vorschein. Die Tafel: Das ist eine gewaltige Touchscreen-Oberfläche, auf der allerhand verschoben und gemalt und eingesetzt und auf seine Richtigkeit überprüft werden kann. Man hört muttersprachliche englische Kinderstimmen, wird zum Nachsprechen aufgefordert, ein Drrrng! zeigt sehr überzeugend an, wenn Fehler gemacht werden, alles so, wie es viele Kinder von Computern und Computerspielen daheim bereits kennen. Auch das Internet steht den Benutzern offen, kleine Filmchen spielt die Lehrerin ein, zum Beispiel das von den Kaninchen, das zwei Kinder sehr sorgsam zu Hause gedreht und der Paukerin per Stick zugesteckt haben. Ein kleines Wunder, den Film dann für alle Klassenkameraden ganz groß an der Tafel zu sehen. Geschickt wechselt Kreis zwischen den Medien hin und her. Mal lässt sie an der Tafel Wörter zu Bildchen schieben, mal schreiben die Kinder selbst in ihr Heft, mal sprechen sie Wörter nach und ganze Sätze, dann wieder singen sie auch. Es ist nur ein Medium von vielen, das hier zum Einsatz kommt, wenngleich eines der attraktivsten. Den Lehrern erspart die neue Tafel das Schleppen von Vorbereitungsmaterialien und Büchern, das Heranrollen von Overheadprojektoren und Fernsehbildschirmen, und wenn mal genug Erfahrung beisammen ist, sollen auch Unterrichtsmaterialien umstandslos getauscht werden. Hat man die interaktive Tafel mit all ihren Möglichkeiten einmal begriffen – sie könnte die Arbeit eines Lehrers erheblich erleichtern. Aber vom Begreifen aller Möglichkeiten, meint Kreis lachend, seien sie selbst in Geretsried noch weit entfernt. Kein Quietschen von Kreide mehr – oder nur noch ganz selten; keine mutwillige Zerstörung von schönen Tafelbildern; keine Wurfgeschosse wie nasse Schwämme und Kreidestücke: Da haben die Medien bundesweit schon „das Ende der Kreidezeit“ bejubelt. Kreis dagegen betont, dass die gute alte Tafel noch längst nicht ausgedient habe, sie wird auch, wenngleich seltener, in der Isardammschule immer noch benutzt. Bayernweit steckt die Innovation zwar noch in den Kinderschuhen. Doch Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) lobt die Whiteboards, die eine „frühzeitige solide Medienkompetenz“ unterstützen würden. Doch der Minister betont auch, dass die Schulen auf Paten aus Wirtschaft und Gesellschaft angewiesen seien. Gut schaut es also derzeit nicht aus für die Finanzierung von Whiteboards in Bayern. In England lehren drei Viertel der Schulen interaktiv So warnt Kreis andere Schulen, die es ihr nachtun wollen davor, sich allzu schnell bei der Suche nach Geldgebern frustrieren zu lassen: um den Sponsoringmarkt sei es nun mal schlecht bestellt, und nur mit Hilfe von Sponsoringgeldern lassen sich die rund 3500 Euro pro Tafel derzeit aufbringen. Eine Frage des Geldes also, wie immer.

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