Kommunales

Zu den Ausstellungsstücken im Jüdischen Museum Franken in Fürth, einem der bedeutendsten seiner Art, gehört auch diese Menora, der traditionelle siebenarmige Leuchter. (Foto: dpa/Daniel Karmann)

22.07.2021

Die Heimat in der Ferne

Gegenstände aus der jüdischen Geschichte als Chance für die Zukunft

Für Deutschland und die jüdische Gemeinschaft ist 2021 ein Jubiläumsjahr. Seit 1700 Jahren gibt es nachweislich jüdisches Leben auf dem Gebiet des heutigen Deutschland. Ein Edikt des römischen Kaisers Konstantin von 321 n. Chr. gilt als ältester Beleg. Der Stadtrat aus Köln, damals Hauptstadt der niedergermanischen Provinz Colonia Claudia Ara Agrippinensium, hatte eine Anfrage an Rom gerichtet. Die Entscheidung war weitreichend: „Durch reichsweit gültiges Gesetz erlauben wir allen Stadträten, dass Juden in den Stadtrat berufen werden.“

Seit dem Untergang ihres territorialen Zentrums in Judäa 135 n. Chr. lebten die Juden als Minderheit in der Diaspora. Es entstanden jüdische Gemeinden rund um das Mittelmeer, aber auch nördlich der Alpen in Germanien, wohin Juden mit den römischen Legionen gekommen waren. Ihre Spuren gingen in den Wirren der Völkerwanderungszeit wieder unter. Erst mit der Kinderstube des heutigen Europas, der Herausbildung des Frankenreichs, gab es erneut ein festes staatliches Gebilde nördlich der Alpen.


Jahrhundertelang ein gespanntes Verhältnis


Das Verhältnis zwischen Christen und Juden blieb jahrhunderte-lang gespannt. Denn anders als das vorchristliche Rom bestand die Kirche auf der Allgemeingültigkeit der christlichen Lehre, tolerierte also keinen anderen Glauben und verlangte die Konversion. Schon im Mittelalter wurden Juden drangsaliert und mit dem ersten Kreuzzug 1096 n. Chr. begannen Pogrome. Diskriminierung, Diffamierung und Verfolgung werden „das neue Normal“.

Dennoch gab es auch immer wieder tolerante Phasen. Erst mit der Aufklärung verbesserte sich langsam die Situation der Juden. Die Gründung des Deutschen Reiches 1871 begründete die ersten Schritte zur Emanzipation. Grund aufzuatmen gab es trotzdem nicht. Dem bis dahin religiös motivierten Antijudaismus folgte der rassistische.

Das Jüdische Museum Franken mit Sitz in Fürth ist mit den Museen in Berlin, Frankfurt und München eines der bedeutendsten Museen für jüdische Geschichte und Kultur in Deutschland. Alles begann 1987 mit einer Initiative im mittelfränkischen Bezirkstag. Heute wird das Museum von einem 1990 gegründeten Verein getragen, dem der Bezirk Mittelfranken, die Stadt Fürth, der Landkreis Nürnberger Land, die Marktgemeinde Schnaittach und seit 2008 die Stadt Schwabach angehören.

"Ideales museales Konzept"


„Jüdische Geschichte und Kultur wird hier in einem besonderen Rahmen bewahrt, erforscht, vermittelt und präsentiert. In historischen Baudenkmälern in Fürth, Schnaittach und Schwabach erfüllen beachtliche Sammlungen ein ideales museales Konzept authentischen Lernens und Vermittelns“, so die Direktorin Daniela F. Eisenstein.

Die Sammlung spiegelt die Vielfalt jüdischen Lebens in Franken wider. Sie besteht aus Judaika (Ritualgeräte und Textilien), hebräischen Drucken und Handschriften, Alltagsobjekten sowie historische Fotografien und Archivalien. Private Familiennachlässe ermöglichen Einblicke in das Alltagsleben jüdischer Familien vor der Schoa. Knapp zwanzig Jahre nach Eröffnung des Haupthauses, einem historischen Gebäude aus dem frühen 18. Jahrhundert, wurde das Museum 2018 um einen markanten Neubau mit Seminarraum, Literaturhandlung und Café erweitert.


Dependance in Schwabach eröffnete im Jahr 2015


Die Dependance in Schwabach ist seit Juni 2015 eröffnet. Das Museum befindet sich in einem ehemals jüdischen Wohnhaus in der Synagogengasse. Eine historische Laubhütte mit eindrucksvoller Wandmalerei aus spätbarocker Zeit konnte als Kleinod europäisch-jüdischen Kulturerbes bewahrt werden. In der Zweigstelle in Schnaittach besteht mit dem Gebäudekomplex der 1570 erbauten und 1735 erweiterten Synagoge, dem Ritualbad sowie dem Rabbiner- und Vorsängerhaus ein in dieser Art in Deutschland einmaliges Ensemble.

Als ehemaliges Leuchtturmprojekt des bayerischen Kulturkonzepts legt das Museum einen Schwerpunkt der begleitenden Bildungsinitiative auf den wieder aufkeimenden Antisemitismus. Erkennen der Strukturen und zivilcouragiertes Handeln sollen gefördert werden. Auch Bezirkstagspräsident Armin Kroder sieht die Wichtigkeit eines lebendig gelebten Judentums. Durch die „ungeheuerlichen Verbrechen der Nationalsozialisten“ sei „ein bedeutendes Stück Kultur fast ausgelöscht“ worden. „Solche Einrichtungen sind immens wichtig, zeigen sie doch, dass jüdisches Leben unsere Region entscheidend mit- geprägt hat.“  Entsprechend unterstützt der Bezirk Mittelfranken zahlreiche lokale Initiativen und Projekte im Rahmen der Feierlichkeiten des Festjahrs.

Die jüdische Gemeinde Fürth war von 1850 bis 1933 die größte in Bayern. Heute zählen zu den Gemeinden im Großraum etwa 3000 Menschen. Manche sitzen wieder auf gepackten Koffern. „Viele jüdische Gemeinden haben neue Gemeindezentren gebaut oder erweitert, ihre Kinder- und Jugendarbeit ausgebaut und sich in einer bisher nie dagewesenen Art und Weise nach außen geöffnet“, weiß Eisenstein zu berichten. Im Wissen um die Zerbrechlichkeit dieser Anstrengungen wünscht sie sich „einen Perspektivenwechsel für eine selbstverständliche Integration jüdischen Lebens, wie auch des Lebens anderer ethnisch-religiöser Gemeinschaften, in unsere Gesellschaft“. (Rebecca Koenig)

 

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