Kommunales

Nicht nur die Tore zu Wahllokalen bleiben für Obdachlose häufig verschlossen. (Foto: dpa/Andreas Arnold)

30.08.2021

Obdachlose gehen nur selten an die Urne

Wissenschaftliche Analyse des Ausschlusses von Menschen ohne festen Wohnsitz im Kommunalwahlrecht

Es ist das zentrale Recht der Staatsbürger*innen und Staatsbürger in einer Demokratie: das allgemeine Wahlrecht. Es gewährleistet, gleichberechtigt an Wahlen und damit an der Gestaltung des Gemeinwesens sowie der demokratischen Legitimation politischer Entscheidungen beteiligt zu sein – in Bund und Ländern wie in den Kommunen.
Doch nicht alle Wahlberechtigten in Deutschland können ihr Grund- und Menschenrecht auch immer problemlos ausüben. Wie sieht es etwa mit Menschen aus, die obdachlos sind?

Mit dieser Frage hat sich Michael Krennerich, Professor an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) in der Studie Wahlrecht von wohnungslosen Menschen auseinandergesetzt. In seiner Analyse nimmt der Politikwissenschaftler und Vorsitzende des Nürnberger Menschenrechtszentrums (NMRZ) in den Blick, unter welchen Bedingungen auch obdachlose Menschen in Deutschland ihr Wahlrecht ausüben können. Die gemeinsam vom Deutschen Institut für Menschenrechte und NMRZ herausgegebene Studie möchte damit Politik, Gesellschaft und Wissenschaft dazu anregen, sich mit diesem bisher kaum untersuchten Thema stärker zu beschäftigen. Konkret benannt werden drei Problembereiche: Sie betreffen das Wahlrecht, die Registrierung zur Wahl sowie die tatsächliche Wahlrechtsnutzung.

Als zentralen Kritikpunkt identifiziert die Analyse den Wahlrechtsausschluss von wohnungslosen Menschen ohne feste Meldeadressen im Kommunalwahlrecht einiger Bundesländer. „Viele Wohnungslose – auch jene, die auf der Straße leben – halten sich für lange Zeit in ihren Gemeinden auf, haben dort ihre Netzwerke und ihren Lebensschwerpunkt, sind lokal verwurzelt und fester Bestandteil des kommunalen Lebens. Allein deshalb sollten sie das Recht haben, auch bei Kommunalwahlen zu wählen“, kritisiert Michael Krennerich.

Problematik der Meldeadresse


Hinzu kommen die Hürden, die wohnungslose Menschen überwinden müssen, wenn sie ihr aktives und passives Wahlrecht in Anspruch nehmen wollen. Alle wohnungslosen Wahlberechtigten, die keine Meldeadresse haben und damit nicht automatisch in das Wähler*innenverzeichnis aufgenommen werden, müssen sich selbst aktiv um eine Registrierung zur Wahl bemühen. Michael Krennerich betont: „Im Unterschied zu anderen Wahlberechtigten müssen sie einen großen Aufwand betreiben, um ihr Wahlrecht zu nutzen.“

Aus diesem Grund fordert die Analyse, wohnungslosen Menschen ohne Meldeadresse die Eintragung in das Wähler*innenverzeichnis zu erleichtern. Außerdem empfiehlt sie die gezielte Erstellung und Verteilung von Wahlinformationen an Obdachlose, um deren Wahlrechtsnutzung zu fördern.

Gleichzeitig mahnt die Studie, dass ernsthafte Bemühungen, die Wahlrechtsnutzung von Wohnungslosen zu fördern – aber vor allem die politisch oft nur verwaltete soziale Notlage der Wohnungslosigkeit überwinden müssen. „Sie ist einer aktiven politischen Beteiligung abträglich. Das heißt nicht, dass Wohnungslose allesamt unpolitisch wären. Doch ist es unter den Bedingungen der Wohnungslosigkeit besonders schwierig und herausfordernd, sich politisch zu betätigen. Hier ist die Politik gefordert, sich des Problems anzunehmen“, gibt der Professor zu bedenken. „Bei allen Kontroversen über die zu ergreifenden Maßnahmen geht es letztlich darum, das Menschenrecht auf Wohnen in Deutschland möglichst umfassend umzusetzen.“ (BSZ)

 

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